Ballsaison
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Im Dreivierteltakt zum Rekordumsatz

Warum Wiens Balltradition alle Jahre wieder Menschen aus dem In- und Ausland geradezu magisch in die Bundeshauptstadt zieht und wie es zu dem errechneten Rekordumsatz von 190 Millionen Euro kommt.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 20.11.2024

Im Bild: Mit einer Publikums[1]Quadrille am 11.11. am Stephansplatz wurde die Ballsaison 2024 eingeläutet.

Wien tanzt in die heurige Ballsaison mit einem Rekordumsatzes von 190 Millionen Euro. Das geht aus einer Studie der KMU-Forschung zur Ballsaison 2024/25 im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien hervor. Sowohl Gäste als auch Ballveranstalter sind für die kommende „fünfte Jahreszeit” gut gestimmt. „Wir können einmal mehr von einer hervorragenden Saison mit 520.000 Besuchern ausgehen. Und das trotz des allgemein gestiegenen Preisniveaus. Die Wienerinnen und Wiener halten ihren Bällen die Treue”, freut sich Markus Grießler, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WK Wien, bei der Präsentation der KMU-Studie im „Ballsaal Wien”.

Die Wienerinnen und Wiener halten ihren Bällen die Treue

Alles Walzer

„Die Ballsaison ist für die Wiener Unternehmen ein entscheidender Umsatzbringer”, so Maria Neumann, Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk der WK Wien. Viele Bereiche sind beteiligt, darunter Kleidermacher, Schuhmacher, Visagisten, Friseure, Juweliere, Nageldesigner, die Security-Branche, Fotografen, Beleuchter, Beschallungstechniker oder auch die Putzereien. Und nicht zu vergessen die Floristik, die für die Ball-Dekoration eine wichtige Rolle spielt. „Die Wiener Bälle fungieren hier als Turbo für die Wirtschaft”, ist Neumann überzeugt. Fast zwei Drittel der Wiener haben laut der Studie in ihrem Leben mindestens einen Ball besucht. Darüber hinaus kristallisiert sich ein steigendes Interesse an Ballveranstaltungen von Jugendlichen und Studenten unter 25 Jahren heraus. Der durchschnittliche Ballgast gibt etwa 365 Euro aus. Laut KMU-Studie sind das um 45 Euro mehr als im Vorjahr. Die größten Kostenfaktoren sind die Ballkarten samt Tischreservierung, die bei durchschnittlich 140 Euro liegen, sowie Speisen und Getränke, die mit rund 85 Euro zu Buche schlagen. „Zusätzlich fallen für Garderobe, Schuhe und Accessoires etwa 50 Euro an, für Friseur und Kosmetik jeweils 35 Euro, und für das Abendessen vor dem Ball sowie die Taxifahrt jeweils rund 20 Euro”, erklärt Neumann.

Die Ballsaison ist für die Wiener Unternehmen ein entscheidender Umsatzbringer.

Rauchfangkehrer eröffnen den Reigen

„Bei vielen Wiener Bällen präsentiert sich das Gewerbe. Das ist auch beim Rauchfangkehrerball der Fall”, sagt Grießler. Mit rund 500 Gästen zählt dieser Ball zwar nicht zu den ganz großen Wiener Tanzveranstaltungen. Er ist aber trotzdem etwas Besonderes, weil er alljährlich um die November-Mitte - am ersten Freitag nach dem 11. November, der den Faschingsbeginn markiert - den Auftakt zur winterlichen Ballsaison in Wien bildet. Das Event sei der gemeinsame Jahresabschluss für die Branche, sagt Sandro Matejo, Obmann des Vereins der Wiener Jungrauchfangkehrer, der das Tanzvergnügen alljährlich veranstaltet. „Gleichzeitig eröffnen wir damit gleichsam als Glückssymbol die Ballsaison”, beschreibt Matejo das „glücksbringende” Motto. Der Rauchfangkehrerball sei primär als Treff für die Branchenunternehmer und ihre Mitarbeiter gedacht, betont er. Bei der Kartenvergabe haben die Wiener Rauchfangkehrer und die Vereinsmitglieder daher Vorrang. Erst wenn diese bedient sind, kommt branchenfernes Publikum zum Zug - sofern noch Karten verfügbar sind. Mit 65 Euro für Ballkarte inklusive Tischreservierung ist der Besuch des Balls vergleichsweise wohlfeil. Man merke seit einigen Jahren steigendes Interesse internationaler Gäste, so Matejo. „Heuer waren zum Beispiel Gäste aus Kanada, den USA, Australien und natürlich Deutschland mit da[1]bei”, erzählt der Jungrauchfangkehrer-Obmann und rätselt selbst ein wenig, woher das kommt. „Wir machen bewusst keine Werbung für den Ball. Vermutlich geht das über Mundpropagan[1]da.” An eine Vergrößerung ist trotz steigenden Interesses nicht gedacht, man will die derzeitige Location, das Palais Ferstel, beibehalten - auch weil man dort ein gutes Rundum-Paket mit Catering und einem Gutteil der benötigten Technik bekomme. „Mit dem Palais wird immer sofort nach dem Ball der Termin für das nächste Jahr fixiert”, erzählt Matejo. Ab Ende März gehe es dann richtig los mit der Ballarbeit. Sponsorpartner suchen, Drucksorten erstellen und beauftragen, Vereinsmitglieder und Ehrengäste einladen, Kartenverkauf und Tischreservierungen abwickeln - Sandro Matejo kümmert sich um fast jedes Detail der Veranstaltung selbst, von der Musik, den DJ über die Mitternachtseinlage - „ein Muss bei jedem Ball” - und Tombola bis zum Blumenschmuck. Das Ganze sei „irrsinnig zeitaufwändig”, sagt der Jungrauchfangkehrer, der gottlob auf viel Verständnis im Betrieb und in seiner Familie zählen kann. Was eine erfolgreiche Ballveranstaltung ausmacht? „Man muss eine gute Mischung aus Gewohntem und Neuem bieten, damit alle auf ihre Kosten kommen - die Gäste, die zum ersten Mal da sind, und jene, die alljährlich kommen”, weiß der „Ballvater”, der die Veranstaltung heuer zum dritten Mal organisiert hat.

Frischzellenkur für die Wiener Bälle

Die Mischung aus Gewohntem und Neuem ist für viele Ballveranstalter das Erfolgsrezept, wie die KMU-Studie belegt. Nach ihren Besuchergruppen befragt, stellen die Veranstalter fest, dass die Zahl junger Menschen unter 25 Jahren sowie Studierender stetig zunimmt. Der Trend geht somit hin zu abwechslungsreicheren Bäl[1]len mit mehr Attraktionen wie etwa spektakulären Mitternachtseinlagen. „Es geht vermehrt weg von der rein klassischen Tanzveranstaltung”, beschreibt Grießler die Entwicklung. Aus der Tanzschule rein in den Ballsaal. Trotzdem, tanzen zu können hat etwas für alle, die einen Ball besuchen möchten. „Natürlich spüren wir die Ballsaison in unseren Schulen. Organisierte Tänzer und Tänzerinnen beginnen schon vor Weihnachten bzw. tanzen auch das ganze Jahr in unseren Schulen”, sagt Karin Lemberger, Inhaberin der Tanzschule Dorner auf der Wieden. Für die, die „Last Minute” kommen, gibt es Crash Kurse und Privatstunden, bei Jüngeren sei das natürlich auch eine Kostenfrage. „So wie ich es beobachte, gehen Jugendliche sehr gerne auf Bälle, da schließe ich mich der KMU-Studie an.” Das liegt nicht zuletzt daran, dass junge Menschen viel Wert darauf legen, sich auf den diversen Social-Media-Plattformen zu präsentieren, ist Grießler überzeugt: „Bälle etwa im imperialen Setting sind ein spürbares Erlebnis in Zeiten der digitalen Kommunikation. Bälle sind ganz einfach ,instagramable’. Und das ist ein Trend bei den Jüngeren.”

Ballsaison
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Kleiderfarben und Frisuren

Apropos Trend: Bei der Ballmode der Saison feiern Schwarz und Royalblau ein Comeback, dazu kommt heuer z.B. Smaragdgrün. „Gerade bei der Ballrobe können die Kundinnen mit ihrem Modemacher des Vertrauens ihre ganz persönlichen Ideen verwirklichen. Der Schnitt und das Modell werden auf die Trägerin abgestimmt, das bringt mit der per[1]fekten Passform die Vorzüge zum Vorschein”, so Neumann. Ideenreichtum und Handwerkskunst der Kleidermacherbetriebe sind hier besonders gefragt. Auch Nachhaltigkeit ist ein Schlüsselthema. „Immer mehr Menschen investieren in langlebige Kleidung wie Frack und Smoking oder lassen Ballkleider kreativ neugestalten, um ihnen ein zweites Leben zu schenken”, sagt Neumann. Bei den Frisuren haben übrigens elegante Hochsteckfrisuren mit Flechtelementen Hochsaison.

Ballbegeisterung ist hoch

Auch heuer will fast jede dritte befragte Person ab 15 Jahren einen Ball besuchen, genau sind es knapp 32 Prozent der Wiener. Während die[1]se Wiener einen großen Teil der Ballbesucher ausmachen, entfällt der Rest auf die übrigen Bundesländer sowie insbesondere auf internationale Gäste auf. Grießler: „Rund ein Viertel der Besucher der großen Wiener Bälle reisen aus dem Ausland an, vor allem natürlich aus europäischen Ländern, aber auch viele Gäste aus den USA und Japan.” „Die Wiener Bälle sind mehr als nur ein gesellschaftliches Ereignis - sie sind eine lebendige Visitenkarte der Wiener Wirtschaft, die Tradition und Handwerk in die Welt trägt”, so Neumann. Die Ballsaison hat sich als ein Wiener Spezifikum etabliert. Bälle stehen für eine Verbindung von Tradition und Aktualität sowie die Wiener Gastlichkeit. „Sie bieten Unterhaltung auf hohem Niveau und die Möglichkeit, sich in vergangene Zeiten zu versetzen, während ein schöner Abend mit Freunden, Bekannten, Kommilitonen und Geschäftspartnern verbracht wird”, beschreibt Grießler den Zauber der „fünften Jahreszeit”.

Interview Ballsaison
© Marlene Fröhlich/Luxundlumen