Gemeinsames Vorgehen gegen sexuelle Übergriffe in der Gastronomie
Wirtschaftskammer Wien, Arbeiterkammer, Gewerkschaft vida, und Gleichbehandlungsanwaltschaft erarbeiteten gemeinsam Präventionsmaßnahmen für das Gastgewerbe.
Lesedauer: 3 Minuten
In Restaurants, Bars und Clubs sind die Umgangsformen oft lockerer als an anderen Orten. Wo im Gastraum weniger gesiezt, gern getrunken und gefeiert wird, hat das auch einen Einfluss auf den Umgang innerhalb des Personals. Die lockere Atmosphäre und die engen Räumlichkeiten im Bar- und Gästebereich führen dazu, dass übliche Distanzregeln oftmals außer Kraft gesetzt werden. Das betrifft sowohl die Gäste untereinander, aber ebenso die Mitarbeiter im Umgang miteinander, mit Vorgesetzten oder den Gästen. Das zeigt auch eine Studie, die Wirtschaftskammer Wien, Arbeiterkammer und Gewerkschaft vida zu Jahresbeginn durchführten. Darin bestätigten rund 70 Prozent der Angestellten innerhalb der letzten zwei Jahre sexuelle Belästigung beobachtet, erlebt oder davon erfahren zu haben.
"Für uns war das ein klarer Handlungsauftrag, hier etwas zu tun. Sexuelle Belästigung hat in der Gastronomie nichts verloren, egal ob wir sie unter Gästen beobachten oder sie unsere Mitarbeiter selbst erfahren“, so Peter Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Wien. Gemeinsam mit Arbeitnehmervertretern – und unter Mithilfe der Gleichbehandlungsanwaltschaft - wurde deshalb nun ein Ratgeber entwickelt, der aufzeigen soll, wo sexuelle Belästigung beginnt, wie sie erkannt und vor allem wie sie verhindert und ihr vorgebeugt werden kann. Dobcak: „Uns ist der Schutz aller Beteiligten wichtig: der Unternehmer, ihrer Angestellten und der Gäste. Und der Schlüssel dazu ist es, die jeweiligen Gefahren zu identifizieren und konkrete Handlungsschritte für den Fall des Falles vorzuschlagen. Das haben wir mit unserem Ratgeber geschafft“, so Dobcak. Der Leitfaden am September direkt an alle Mitgliedsbetriebe der Fachgruppe Gastronomie in Wien übermittelt.
Leitfaden ist wichtiger Anstoß für Veränderungen
Bei angefragten Unternehmensschulungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft ist Abhilfe bei sexueller Belästigung Thema Nr. 1. Gleichbehandlungsanwältin Verena Pirker erklärt: „Oft sind Arbeitgeber überfordert, wie sie konkrete Situationen lösen sollen. Das Problem reicht von mangelnder Abhilfe bei sexuellen Übergriffen bis hin zu rassistischen Belästigungen. Das liegt oft daran, dass es keine klaren Prozesse gibt.“ Die Beratungspraxis der Gleichbehandlungsanwaltschaft zeigt außerdem, dass von sexueller Belästigung betroffene Personen negative Konsequenzen bei Meldungen befürchten. Besonders häufig gibt es bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft Meldungen zu sexueller Belästigung in der Gastronomie, aber auch im Handel und Gesundheitswesen. „Der Leitfaden ist daher ein wichtiger Anstoß für Veränderungen in der Betriebskultur, damit betroffene Personen gut unterstützt werden können“, so Pirker.
Erster Meilenstein gelungen
Immer mehr Frauen wenden sich wegen sexueller Belästigung an die AK Beratung. Als besonders anfällig hat sich die Gastronomie erwiesen, wo 80 Prozent der Frauen und die Hälfte der Männer als Arbeitnehmer bereits sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet haben. „Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, Abhilfe bei sexueller Belästigung zu schaffen“, sagt Ludwig Dvořák, Leiter des AK Bereichs arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz. „Die Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer Wien hat hier Verantwortungsbewusstsein gezeigt und ein Schutzkonzept unter Einbindung der Arbeitnehmervertretung angekündigt. Die Gespräche darüber waren sehr konstruktiv. In einer gemeinsamen Umfrage konnten Arbeitnehmer und Unternehmen sagen, wo konkret die Probleme sind und welche Maßnahmen sie brauchen. Jetzt ist mit dem Leitfaden, was bei sexueller Belästigung zu tun ist, ein erster Meilenstein gelungen.“
Direkter Weg in die Betriebe
Yvonne Rychly, Wiener Landesfrauenvorsitzende der Gewerkschaft vida, streicht besonders die Verbesserungen hervor, die der Leitfaden für die weiblichen Beschäftigten in der Gastronomie bringen soll: „Gerade Frauen brauchen im Arbeitsleben Schutz vor sexuellen Übergriffen. Anstarren, obszöne Bemerkungen oder Grapschen am Arbeitsplatz gehören auch in der Gastro nicht zum Berufsrisiko und dürfen nicht toleriert werden. Der Leitfaden, den wir in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebervertretern ausgearbeitet haben, ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Sicherheit für Arbeitnehmerinnen“. Besonders begrüßt Rychly, dass das neue Regelwerk mit Unterstützung der Wirtschaftskammer den direkten Weg in die Betriebe findet.