F. A. Hayek: Ein österreichischer Vordenker des Liberalismus
Gleich drei bemerkenswerte Jahrestage erinnern heuer an den renommierten österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek. Was aus seinem Werk und Wirken für die heutige Zeit abzuleiten ist, war Gegenstand eines Symposiums in Wien.
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Diskutierten die Relevanz von Hayeks Theorien für die heutige Wirtschaft und Gesellschaft (v.l.): Renate Köcher (Kuratorium Hayek-Stiftung), Veronika Grimm (TU Nürnberg), Iris Ortner (GF IGO Industries), die ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Christian Kern und Wolfgang Schüssel, Alexander Biach (stv. Direktor WK Wien).
Die Wirtschaftskammer Wien hat eine besondere Beziehung zu Friedrich August von Hayek (ab 1919 ließ Hayek das „von” weg). Dieser war ein Schüler des Wirtschaftswissenschafters Ludwig von Mises, eines wichtigen Vertreters der österreichischen Schule der Nationalökonomie. Mises war in den 1920ern Mitarbeiter der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie - die Vorgängerorganisation der heutigen Wirtschaftskammer Wien. Diese hatte am Stubenring 8-10 ihren Sitz - und genau dort gründeten Hayek und Mises 1926 das Institut für Konjunkturforschung, das heutige Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo).
Verfechter der freien Marktwirtschaft
Naheliegend also, dass auch das Ende April abgehaltene Hayek-Symposium am Stubenring 8-10 stattfand. Anlass war die Häufung mehrerer Jubiläen rund um F.A. Hayek (siehe Kasten r.). Auf Einladung des Wiener Wirtschaftskreises - des Think Tanks der WK Wien - gingen Hayek-Biografen, Wissenschafter und ehemalige Politiker der Frage nach, wie aktuell Hayeks Werk heute noch ist und inwieweit sich sein neoliberaler Weg als Rezept für die großen Krisen der heutigen Zeit eignet. Wien sei zu Hayeks Zeit das geistige Zentrum der Welt gewesen, „vor allem auch in der Ökonomie”, unterstrich Rudolf Taschner, Vorsitzender des Wiener Wirtschaftskreises. Laut Hayek sei „eine Politik für die Freiheit jedes Individuums die einzig fortschrittliche Politik” und jede staatliche Einmischung Gift, weil sie den Menschen binde und seiner Freiheit beraube, fasste Taschner Hayeks grundlegende These zusammen. „Heute geht es um die Frage: Wie kann eine Politik ausschauen, die das garantiert”, so Taschner. Hayek gilt heute als Mitbegründer des Neoliberalismus, führte Hansjörg Klausinger, Co-Autor der jüngsten Hayek-Biografie, aus. Dieser setzt auf die strikte Selbststeuerung der Marktwirtschaft. Laut Hayek entstehen Krisen durch Übergänge als Folge struktureller Veränderung. In solchen Situationen solle man allein das Preissystem wirken lassen, das als Knappheitsindikator fungiert. In der freien Marktwirtschaft sei also der Preis Anreiz, um Knappheit zu verringern, erklärte Klausinger Hayeks These.
Funktionierenden Markt gewährleisten
Die Rolle des Staates sei es lediglich, den Rahmen zu schaffen, damit das Preissystem ungehindert wirken und sich freier Wettbewerb entfalten kann. Weitergehende staatliche Eingriffe - auch wenn sie in bester Absicht passieren - lehnte Hayek ab, weil sie in Planwirtschaft und Unfreiheit münden. Liberalismus und Sozialismus hielt Hayek generell für unvereinbar miteinander. Als „aktuell wie nie zuvor” bezeichnete Jens Weidmann, Vorsitzender der Friedrich August von Hayek-Stiftung mit Sitz im deutschen Freiburg, wo Hayek zuletzt lebte und auch verstarb, dessen Plädoyer für Freiheit des Agierens und gegen staatliche Bevormundung. Denn diese Freiheit werde aktuell durch autoritäre Regime, Kriege, aber auch durch die Verschuldung der Staaten bedroht. Auch wäre Hayek heute, so Weidmann, durchaus besorgt über die Marktmacht weniger Konzerne, die Monopolen nahekommt. Hier ist es durchaus im Sinne des neoliberalen Ökonomen, solch überbordende Marktmacht zu kontrollieren, um freien Wettbewerb und Marktzutritt zu gewährleisten. Laut Weidmann braucht es heute daher „einen funktionierenden ordoliberalen Kompass im Geiste Hayeks” - also einen straffen Rahmen -, um Marktversagen zu verhindern.
Staat muss für straffen Rahmen sorgen
Nach Hayeks muss diesen straffen Rahmen der Staat schaffen - als „unparteiischer Schiedsrichter” Regeln ohne Privilegien für einzelne festlegen und so ein Mindestmaß an Sicherheit und Statik garantieren, das Dynamik erst ermöglicht, formulierte der deutsche Ökonom Stefan Kolev. Das habe nach wie vor Gewicht. Er sah aber Bedarf nach einem neuen Liberalismus. Denn die fragile nationale und internationale Ordnung bedürfe einer „kontextualen Ordnungsökonomie”, die wirtschaftliche Prozesse im Zusammenhang mit anderen Faktoren sieht und beurteilt - wie gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen oder umweltbezogenen. „Die Frage lautet, wie können liberale Ökonomen heute als Ordnungshüter unserer Welt auftreten?”, so Kolev. „Im Wirtschaftsliberalismus setzt man Regeln und lässt dann zu”, sagte Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria. Momentan sei das aber generell wenig opportun, auch politisch - „man will lieber verändern, das gibt ein besseres Gefühl”, meinte die Wirtschaftswissenschafterin, die „eine starke regulatorische Tradition in Österreich” ortete. Sie sprach sich für mehr Hayek in allen Bereichen der Wirtschaftspolitik aus - und für ein „Grundregelwerk ohne Privilegien und möglichst geringen politischen Einfluss”. Denn je abhängiger die Menschen vom Staat werden, umso mehr sinkt die Freiheit des Einzelnen, ist Köppl-Turyna ganz im Sinne Hayeks überzeugt. „Das ist demokratisch gesehen noch viel eher eine Gefahr als ökonomisch”, unterstrich sie.
Hayeks Ideen im Heute
Kann man der aktuellen Klima- und Energiekrise mit Hayeks liberalen Thesen wirksam begegnen? Diese Frage wurde in einer Runde von Wissenschaftern, Unternehmern und Politikern diskutiert. Auch wenn rasches Agieren gefordert ist, dürfe man die Freiheit der möglichen Lösungsansätze nicht zu stark beschränken, betonte Veronika Grimm, Professorin für Energiesysteme und Marktdesign an der Technische Universität Nürnberg. In Sachen Umwelt und Energie gelte es nun, den Handlungsrahmen zu verbessern wo sinnvoll, beispielsweise die Preise und Löhne von der Inflation zu entkoppeln. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach und Kuratoriumsmitglied der Hayek-Stiftung, sah die Gefahr, dass die Politik in der Klimapolitik den Rückhalt in der Bevölkerung verliert, weil es zu viele direkte Interventionen gibt. „Für Betriebe sind Planbarkeit und Verlässlichkeit wichtig”, so Iris Ortner, geschäftsführende Gesellschafterin von IGO Industries. Die Unternehmen würden derzeit von Bürokratie überrollt, aber das Gegenteil brauchen. „Lohnkosten senken, Leistung fördern und mit Bildung, Wissen und Leistung an die Spitze setzen”, fasste die Unternehmerin zusammen.
Große Fragen von heute brauchen internationale Lösungen
Mit Dogmen und Ideologie der heutigen Realität entgegenzutreten, werde nicht funktionieren, zeigte sich der frühere Bundeskanzler Christian Kern überzeugt. Das Thema Klimawandel könne man nicht dem freien Spiel des Marktes überlassen, da sei „intelligente Regulierung” gefordert. Immerhin gehe es hier nicht um „Knechtschaft” und persönliche Freiheiten, sondern „um die Zukunft der Menschheit”, meinte Kern. Hayek konnte zu seiner Zeit von vielen Themen, die uns heute beschäftigen - etwa das Ausmaß des Welthandels, Smartphones oder Künstliche Intelligenz - nichts ahnen, unterstrich Wolfgang Schüssel, ebenfalls Altbundeskanzler. Dennoch gelte ganz im Sinne Hayeks: Es ist immer besser, marktwirtschaftliche Instrumente einzusetzen und Ziele vorzugeben, es aber den Marktteilnehmer zu überlassen, wie sie sie erreichen. Europa sei zwar gut unterwegs, müsse europäische Themen aber besser kommunizieren und vor allem diskutieren, so Schüssel. Und er betonte: „In Sachen Klimaschutz braucht es internationale Lösungen. Die Welt retten geht nur gemeinsam.”