
Der beste Weg zu Fachkräften
Mit der Ausbildung von Lehrlingen setzen Wiens Lehrbetriebe die wirksamste Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Was sie antreibt und wie sie dabei unterstützt werden.
Lesedauer: 6 Minuten
Im Bild: Claudia Fida-Özendi (l.) mit Lehrling Milena Ganal (M.), und Tochter Pamela Fida, die ebenfalls als Lehrling begonnen hat und mittlerweile selbst Ausbilderin ist.
Das Thema Lehre kennt Claudia Fida-Özendi aus mehreren Perspektiven. „Ich habe selbst eine Lehre absolviert und dabei leider keine allzu guten Erfahrungen gemacht. Damals habe ich mir geschworen: Wenn ich selbst einmal ausbilde, dann soll mein Unternehmen ein Ort sein, wo die Lehrlinge gerne hinkommen und viel lernen”, sagt die Fußpflegerin und Kosmetikerin. Mittlerweile ist sie seit mehr als 25 Jahren selbstständig. Mit fünf Unternehmensstandorten in verschiedenen Bezirken zählt sie zu den größeren Wiener Branchenbetrieben für Fußpflege und Kosmetik - und ist auch in Sachen Lehrlingsausbildung ein Vorbild. Derzeit hat Fida-Özendi zehn junge Menschen unter ihren Fittichen, denen sie - gemeinsam mit ihren Mitarbeitern - das nötige Rüstzeug für eine Karriere als Fachkraft für Fußpflege oder Kosmetik vermittelt. „Ich bilde Lehrlinge aus, weil es wichtig ist, dass es Fachkräfte gibt”, sagt sie. In ihrer Branche sei es ohnehin schon jetzt schwer, Mitarbeiter mit der benötigten Qualifizierung zu finden. „Wenn wir nicht ausbilden, wird es in zehn Jahren gar keine Fachkräfte mehr geben”, fürchtet die Unternehmerin.
Unsere Lehrbetriebe leisten wichtige und hervorragende Arbeit.

Walter Ruck
Präsident Wirtschaftskammer Wien
Junges Talent mit viel Potenzial
Auch Jürgen Bogner, Chef der 2021 gegründeten Werbeagentur biteme, hält die Nachwuchsarbeit für enorm wichtig, um den Wirtschaftsstandort, aber auch die Jugend, zu stärken. biteme hat seine Kernkompetenz in der Erstellung von experience-basiertem Content, also von Inhalten, die den Nutzern über Erlebnisse vermittelt werden. Auch Beratung zu und Arbeit mit Künstlicher Intelligenz zählen zum Angebot. „Über die Lehre können wir Jugendliche so ausbilden, wie wir es brauchen”, sieht er als wichtigsten Vorteil. Er liefert mit seinem vierköpfigen Team ein gutes Beispiel dafür, dass Lehrlinge auch im Kleinbetrieb eine wertvolle Bereicherung sind. Seit dem Vorjahr verstärkt der 21-jährige Lehrling Loris van Gils das kreative Team. Bogner hat den angehenden Medienfachmann aus einer überbetrieblichen Ausbildungseinrichtung übernommen. Loris absolvierte ein Praktikum bei biteme und hinterließ einen tollen Eindruck. „Er hatte schon viel Vorwissen, hohes technisches Interesse und bastelt gerne am Computer. Er hat gut ins Team gepasst und war von Anfang an eine tolle Unterstützung”, so Bogner über den jungen Mann. An seinem Lehrling lobt er weiters dessen Interesse und Selbstständigkeit. „Er probiert gerne aus, denkt mit und kann sich auch selbst helfen, wenn notwendig.” Dass er bei der Übernahme schon zwei Ausbildungsjahre absolviert hatte, sieht Bogner ebenfalls als Vorteil. Denn seine Branche sei sehr volatil, er könne nicht voraussehen, ob er einen Lehrling über drei Jahre Ausbildungszeit beschäftigen könne. Loris wird im Sommer seine Lehre beenden. „Ich würde ihn danach gerne behalten”, sagt der Unternehmer.
Mehr Betriebe vom Wert der Lehrlingsausbildung überzeugen
Bei der Beantragung der Ausbildungsberechtigung holte sich der biteme-Chef die Unterstützung der Wiener Lehrstellenberater, ein Service von WK Wien, Stadt Wien und AMS. Das vierköpfige Team begleitet Unternehmen beim Schritt zum Lehrbetrieb. „Die Wirtschaft braucht Fachkräfte. Wer sie selbst ausbildet, braucht sich um qualifizierte Mitarbeiter keine Sorgen zu machen. Daher ist es unser Ziel, noch mehr Unternehmen für die Nachwuchsarbeit zu gewinnen. Mit den Lehrstellenberatern bieten wir unseren Unternehmen kompetente Partner, die sie dabei unterstützen”, sagt WK Wien-Präsident Walter Ruck. Die Bilanz der Serviceeinheit kann sich sehen lassen: Im Vorjahr wurden 5000 Wiener Unternehmen, die noch keine Lehrlinge haben, kontaktiert und fast 700 Ausbildungsberechtigungen aufgrund dieser Gespräche ausgestellt. Auch biteme-Chef Bogner ist voll des Lobs für den Service. „Unser Lehrstellenberater war enorm bemüht, hat tolle Infos gegeben und den Prozess hervorragend begleitet.”

Mit Elan und ganzem Herzen
Auch die DoN group ist einer jener Betriebe, die die Lehrstellenberater im Vorjahr begleitet haben. Das 2000 Arbeitskräfte starke Unternehmen ist im Airline-, Lounge- und Rail Catering erfolgreich. Ebenso gehören Franchisekonzepte wie Vapiano und eigene Marken wie Fat Monk zum Portfolio in Wien und den Bundesländern. An einigen der Wiener Standorte werden künftig Köche und Restaurantfachleute ausgebildet, sagt Michael Kundergraber, Fachtrainer Gastronomie bei DoN und Verantwortlicher für das Thema Lehrlinge. „Wir erarbeiten dafür gerade ein Ausbildungskonzept, das vom Recruiting über das Onboarding bis hin zu Lehrlingsevents und -benefits reicht.” Warum man überhaupt selbst ausbilden will? „In der Gastronomie fehlen qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sehen Lehrlinge als unsere künftigen Fach- und Führungskräfte. Und es gibt viele talentierte junge Leute”, betont Kundergraber. Ziel sei, künftig fünf Lehrlinge pro Jahr aufzunehmen. „Wir wollen sie so ausbilden, dass es heißt: Der kommt von DoN, der kann was. Eine gute Ausbildung öffnet viele Türen”, sagt der Lehrlingsverantwortliche. Wichtig sei, dass die Entscheidung zur Nachwuchsarbeit vom ganzen Unternehmen mitgetragen wird. „Halbherzig funktioniert nicht”, so Kundergraber. Das betont auch Claudia Fida-Özendi. „Mir macht das Ausbilden Spaß. Es gibt tolle Talente und ich mag die Energie der Jugend. Sie bringen neue Ideen und man bleibt auch selbst jung und frisch dabei. Und es ist ein ganz tolles Gefühl, die Entwicklung der jungen Leute zu sehen.” Flexibilität, die Fähigkeit und Bereitschaft, auf die jungen Menschen einzugehen und Verständnis für ihre Probleme zu zeigen, seien allerdings unerlässlich.
Breite Unterstützung für die Ausbildung von Lehrlingen
Mehr als 3400 Lehrbetriebe - neben gewerblichen Betrieben auch freiberuflich Tätige - bilden in Wien derzeit knapp 15.000 Lehrlinge in über 150 verschiedenen Lehrberufen aus. Um sie in ihrer verantwortungsvollen Aufgabe zu unterstützen, bietet die WK Wien weitreichende Service- und Beratungsleistungen an. Auch für die Branchen hat das Thema Nachwuchsarbeit hohe Priorität. So wirbt die Fachgruppe Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) mit einer eigenen Kampagne für IT-Fachkräfte und speziell für den Ausbildungsweg IT-Lehre (www.it-lehre.at). Ziel der Lehrbetriebe in ihrer Sparte sei es, Jugendlichen „eine moderne und zukunftsorientierte Ausbildung zu ermöglichen, damit sie in der Branche Fuß fassen können. Gleichzeitig verschaffen sich Unternehmen dadurch einen entscheidenden Vorteil”, sagt Angelika Filek, die für die gesamte Sparte Information und Consulting als Lehrlingsbeauftragte tätig ist. Über gezielte Kampagnen wollen auch die Industrie (www.erfolgslehre.at) und sowie Banken und Versicherungen (www.buvlehre.at) Jugendliche für die Lehre gewinnen und so ihren Ausbildungsbetrieben die besten Talente sichern.
Bonus für Logistik-Lehrbetriebe
In der Logistik - die ebenso wachsenden Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern hat - setzt man auf die direkte Förderung der Lehrbetriebe. Die Fachgruppe Spediteure unterstützt ihre Lehrbetriebe mit einem finanziellen Bonus von bis zu 4000 Euro pro Unternehmen (wko.at/wien/spediteure ). „Wir wollen damit Betriebe unterstützen, die gezielt in neue Mitarbeiter investieren”, sagt Fachgruppenobmann Alexander Winter. Auch andere Branchen greifen ihren Ausbildungsbetrieben unter die Arme. So gewährt etwa die Tischlerinnung für jeden Lehrling im ersten Lehrjahr einen 200-Euro-Bonus.
Ausbildungsbetriebe entlasten
Um Exzellenz in der Nachwuchsarbeit sichtbar zu machen, haben die Wiener Sozialpartner vor gut einem Jahrzehnt das „TOP Lehrbetrieb”-Gütesiegel geschaffen. Es kennzeichnet hervorragende Wiener Lehrbetriebe und wird für jeweils vier Jahre verliehen. Etwa 200 Ausbildungsstandorte tragen derzeit das Gütesiegel. „Lehrbetriebe leisten wichtige Arbeit mit hoher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz”, betont Ruck. Umso wichtiger sei es, sie bürokratisch und finanziell zu entlasten, etwa über die Refundierung der Kommunalsteuer für Lehrlingsentgelte und eine Reduktion der statistischen Meldepflichten für Lehrlinge. „Die Hürde zum Ausbilden muss niedriger werden. Nur so gelingt es, dass noch mehr Betriebe in die duale Ausbildung einsteigen”, so der WK Wien-Präsident.