Film- und Musikwirtschaft, Fachvertretung

Bewegung muss sein in der Film- und Musikpolitik

Ein Angebot an die neue Bundesregierung: Schaffen wir  zeitgemäße Rahmenbedingungen für die Film- und Musikwirtschaft 

Lesedauer: 9 Minuten

Ein Angebotspapier des Fachverbandes der Film- und Musikwirtschaft

August 2019

Das Angebot zusammenfassend

  1. Schaffung eines Steuermodells zur Förderung privaten Investments in Filmproduktionen
  2. Anhebung der Bundesfilmförderungen im Österreichischen Filminstitut, bei  FISA (Filmstandort Österreich) und  beim Fernsehfonds Austria um 25 %
    (Valorisierungsausgleich für 10 Jahre)
  3. Sicherstellung des nachhaltige Investments der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkunternehmen in die Filmproduktionsfinanzierung und Einbindung der neuen Medienanbieter
  4. Schaffung einer Finanzierungsstruktur für digitale audiovisuelle Bildungsmedien
  5. Stärkung des Musikstandorts – Aufdotierung des Musikfonds

Die veränderte Medienlandschaft mit globalen mächtigen Playern, die schwierigen Rahmenbedingungen der Entwicklung, Finanzierung und Verbreitung von Filmen im fragilen Gleichgewicht zwischen kommerziellen und künstlerischen Produktionen und die stagnierenden Budgets im Förderungsbereich und beim öffentlichen Rundfunk stellen die österreichische Filmwirtschaft vor neue Herausforderungen.

Fakt ist: Der Standort lebt mehr denn je von audiovisuellen Inhalten. Die Schaffung optimaler Bedingungen für die Entstehung von kreativen, heimischen Content in Zeiten des intensiven medienübergreifenden Wettbewerbs sollte daher ebenso sichergestellt werden wie die Verantwortung aller Stakeholder der Medienlandschaft einschließlich der non-linearen digitalen Anbieter. Damit werden die wesentlichen Voraussetzungen für den Fortbestand einer diversen audiovisuellen Landschaft geschaffen.

In der Kürze der vergangenen Legislaturperiode konnte das ambitionierte Regierungsprogramm 2017 bis 2022 nicht umgesetzt werden. Daran gilt es anzuknüpfen und die dringend notwendigen Maßnahmen für den Medienstandort Österreich auf den Weg zu bringen.

Der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft ist sich der budgetären Spielräume im Hinblick auf die großen Herausforderungen der Kulturpolitik wohl bewusst, weist aber darauf hin, dass die Forderungen nachweislich positive wirtschaftliche und kulturpolitische Effekte aufweisen.

Die anerkennenswerten Förderungen des Bundes für Film- und Musikkultur sind seit rund einer Dekade unverändert geblieben und harren inzwischen dringend einer Anpassung -  widrigenfalls die über Jahrzehnte aufgebauten Erfolge des österreichischen Film- und Fernsehschaffens und der österreichischen Musik durch „Austrocknen“ gefährdet werden.


1.) Ein Steuerliches Anreizmodell für Investitionen in österreichische Filmproduktionen

In 97 Ländern der Welt* gibt es neben klassischen subventionsbasierten Filmförderungen äußerst erfolgreiche steuerliche Anreizmodelle, die sowohl den jeweiligen Filmstandort für große ausländische Produktionen attraktivieren als auch ein Anreizmodell für private Investoren in nationale Filmproduktionen bieten.

Die Verbände der Filmwirtschaft haben ein steuerliches Anreizmodell für Investitionen in österreichische Filme erarbeitet.

Das Steueranreizmodell richtet sich ausschließlich an österreichische ProduzentInnen und Investoren. Es sieht vor, dass ein Investor einen nicht rückzahlbaren Zuschuss an eine Produktionsgesellschaft für die Umsetzung eines im Vorhinein bestimmten Filmprojekts leistet.

Statt einer Rückzahlung oder dem Erwerb von Rechten erhält der Investor jedoch die Möglichkeit, ein Vielfaches des Zuschusses steuermindernd geltend zu machen. Fragen des EU-Beihilfenrechtes sind gelöst, da auf Grund der Ausnahmen im Bereich Kunst und Kultur keine EU-rechtlichen Bedenken bestehen; die Einführung eines Kulturtests ( bewährt beim Filmfördermodell FISA ) sowie eine mögliche Integration der Administration in bestehende Filmförderungsinstitutionen kann aus verwaltungsökonomischen Gründen vorgesehen werden.

Die steuerliche Begünstigung soll ausschließlich für Zuschüsse an österreichische Produktionsunternehmen und sowohl für Kino- als auch Fernsehproduktionen (High-End-Fernsehproduktionen und Serien) gelten.

Internationale Erfahrungen zeigen, dass substantielle Anreize für in- und ausländische Investitionen in österreichische Filme möglich sind. Der Vergleich mit den bestehenden europäischen Modellen konnte eine Verdoppelung der Investitionen und somit einen massiven Anstieg der inländischen Wertschöpfung nachweisen.

Die Einführung eines Steuermodells für die österreichische Filmwirtschaft ist dringend notwendig, um deren Wettbewerbsfähigkeit im „Konzert“ der Kultur- und Strukturmaßnahmen für die europäische Kino- und Fernsehfilmproduktion sicher zu stellen.  Die Realisierung dieses Modells sollte einen neuen Boom des international geschätzten österreichischen Filmschaffens auslösen – auch im Bereich der Produktion von hochklassigen und hochbudgetierten Formaten für die neuen Onlinemedien. Steuermodelle können auch Film- und Musiknahe Dienstleistungen unterstützen (Filmmusik, VFX & Animation).

*Quelle: Olsberg Studie „Global Film Production,Juni 2019

2.) Anhebung der Bundesfilmförderung im österreichischen Filminstitut, bei FISA (Filmstandort Österreich) und beim Fernsehfonds Austria um 25%

Unabhängig von der Schaffung eines Steuermodells bzw. zur Ergänzung dieser Spitzenförderung bedarf es der längst notwendigen Erhöhung der in den letzten Jahren nicht valorisierten Fördertöpfe des Filminstituts, des Fernsehfonds Austria und von Filmstandort Österreich (FISA) im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.

Die Basisförderung für österreichischen Kino- und Fernsehfilm muss als zentrales Standbein der österreichischen Filmpolitik den Gegebenheiten der Zeit gerecht werden. Mit den derzeitigen Budgets kann sowohl die kulturelle als auch die wirtschaftliche Filmförderung die Anforderungen nicht mehr genügend bedienen.

Im Detail:

Österreichisches Filminstitut: Das Budget wurde zuletzt 2013 auf € 20 Mio. erhöht. Da das Budget des Filminstituts inzwischen auch durch zahlreiche Strukturförderungen (Filmfestivals usw.) belastet ist, stehen für die Produktion von Kinofilmen nur mehr rund € 12 Mio. zur Verfügung. Aus Sicht der Filmwirtschaft sollte zumindest eine Anhebung auf € 25 Mio. vorgesehen werden.

Filmstandort Österreich (FISA):  Das Modell FISA wurde 2010 mit einem Budget von € 7,5 Mio ausgestattet. Eine gesetzliche Anpassung ist erforderlich, wäre doch eine noch stärkere Fokussierung auf Koproduktionen auch auf Grund der Evaluierungsempfehlungen notwendig. Darüber hinaus fehlt in Österreich eine Förderung für High-End-Serien und die Berücksichtigung der nonlinearen Filmanbieter. Aus diesem Anlass empfehlen wir eine Anhebung auf zumindest € 10 Mio. >FISA-Förderungsmaßnahme: Richtlinien

Fernsehfilmfonds Austria: Der in der RTR angesiedelte Fernsehfilm Austria ist seit seiner Gründung 2004 ein unverzichtbarer Bestandteil der Fernsehfilmfinanzierung und ist das Budget seit 2009  (!) mit € 13,5 Mio. nicht erhöht worden.

In den letzten Regierungsprogrammen wurde eine Anhebung angekündigt , jedoch nicht umgesetzt; Inzwischen mussten die ursprünglichen vier Calls auf zwei reduziert werden und konzentrieren sich insbesondere im fiktionalen Bereich die Produktionen auf den ersten Jahrestermin, da erfahrungsgemäß ab dann keine relevanten Mittel zur Verfügung stehen. Eine Anhebung auf zumindest € 16 Mio. ist daher jetzt dringlich erforderlich.

Die vorgeschlagenen Sätze sind im Hinblick der bekannten Budgetknappheit eine maßvolle Gesamtforderung: Die Schaffung eines Steuermodells plus eine Erhöhung aller Forderungen sind das dringend erforderliche Minimalprogramm, um die österreichische audiovisuelle Produktion als konkurrenzfähigen, entscheidenden und zukunftsträchtigen Faktor einer Volkswirtschaft und als Grundpfeiler kultureller Identität zu sichern.

3. Nachhaltiges Investment der öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkunternehmen und Einbindung der neuen Medienanbieter in die Filmproduktionsfinanzierung

Der österreichische Rundfunk hat sich vertraglich zu Beginn der letzten Legislaturperiode in einer Vereinbarung mit der Filmwirtschaft verpflichtet, in den Jahren 2019 bis 2021 ein Vergabevolumen von insgesamt € 305 Mio.( inkl.Film-Fernseh-Abkommen )  für die Schaffung neuen österreichischen fiktionalen und dokumentarischen Programms zu investieren.

Bedingt durch die wirtschaftliche Situation des ORF ist entgegen dieser Selbstverpflichtung für die Programmproduktion immer weniger Budget vorgesehen.

Mit immer kürzer werdenden Drehzeiten und unrealistischen Kalkulationsansätzen wird es für die Produktionswirtschaft immer schwieriger, einerseits die geforderte hohe Qualität vor allem im aufwändigen fiktionalen Bereich aufrecht zu erhalten, andererseits im Rahmen einer ordentlichen Geschäftsgebarung für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen (insbes.im Arbeits-und Sozialrecht) die Verantwortung tragen zu können. So sind zB. die Mittel des Fernsehfonds Austria bereits in der ersten Jahreshälfte verbraucht und konzentriert sich auf Grund dieser budgetären Rahmenbedingungen ( Budgetdruck im ORF, Unterfinanzierung der Förderung ) die Planungs- und Entwicklungsphase vor allem fiktionaler Fernsehproduktionen ausschließlich auf den jeweiligen Jahresbeginn des Jahres;  eine nachhaltige Planung ist damit verunmöglicht.

Der ORF wiederum verliert ohne fiktionales österreichisches Programm sein öffentlich-rechtliches Alleinstellungsmerkmal und weiter an Bedeutung. Durch kurzfristige Sparmaßnahmen leiden die Marktanteile des ORF genauso wie die Filmproduktionswirtschaft, die nach wie vor zu einem großen Teil ihres Produktionsvolumens* vom ORF Investitionsvolumen abhängig ist.

Der ORF schädigt sich durch das Fehlen eines österreichischen Exklusivangebots in der vielfältigen und diversifizierten Medienlandschaft und er wird im Übrigen seiner Selbstverpflichtung, in deren Rahmen er sich zu einem Investitionsvolumen gegenüber der Branche bekannt hat, bei weitem nicht gerecht.

Die Filmwirtschaft fordert daher eine verpflichtende, gesetzliche Vorgabe, wonach der ORF 20% der ihm zur Verfügung stehenden Gebührenentgelte über Vergabe an österreichische Filmproduktionsunternehmen für die Produktion von Spiel-, Dokumentarfilmen und TV-Serien zu investieren hat. Verpflichtende Terms of trade, wie sie in den umliegenden Ländern Standard sind, sollen die Vergabe absichern, damit Kostenwahrheit und realistische Budgets für höchstmögliche Qualität garantiert sind. Eine Anhebung der Mittel des Film-Fernseh-Abkommens auf € 12 Mio. wäre ergänzend vorzusehen.

Gleichzeitig sind auch die Privatsender und die digitalen Anbieter in die Pflicht zu nehmen. Von Seiten der Privatsender ist mangels entsprechender Verpflichtung nicht einmal bekannt, in welchem Umfang sie in österreichische Produktion investieren. Während der ORF immerhin durch das ORF-Gesetz verpflichtet ist, im Film-Fernseh-Abkommen € 8 Mio. für die Produktion von Kinofilmen im Gegenzug zu Senderechten zu investieren, gibt es kein Bekenntnis der Privatsender zu österreichischem Filmschaffen.

Für die Anbieter non-linearen Fernsehens (VOD-Dienste, Streamingplattformen) wiederum gibt es mit der Umsetzung der Audiovisuellen Mediendienstrichtlinie der EU (im Herbst 2020 zu implementieren ) die Möglichkeit für EU-Mitgliedsstaaten, auch Anbieter ohne Niederlassung in Österreich zu Investitionen in den Filmproduktionsstandort zu verpflichten. Von dieser Möglichkeit sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden.

Eine einschlägige Studie* empfiehlt, frühestmöglich die Umsätze vor allem der großen VOD-Plattformen zu erheben, damit die kalkulatorische Basis gegeben ist, um verschiedene (freiwillige oder gesetzliche) Varianten einer sinnvollen Investitionsverpflichtung der neuen Medienanbieter in die Filmfinanzierung realisieren zu können –  eventuell in Analogie zum Film-Fernseh-Abkommen.

*Quelle Filmwirtschaftsbericht 2018/S.22 74,4% des gesamten Produktionswerts entfallen auf Fernsehfilme

4. Schaffung einer Finanzierungsstruktur für digitale audiovisuelle Bildungsmedien

Die Digitalisierung der Wirtschaft ist durchgreifend, Schule 4.0 in Angriff genommen.

Bandbreiten, WLAN-Versorgung und Tablets sind wichtig; zumindest ebenso wichtig ist geprüfter, innovativer Bildungs-Content (nicht nur Schulbücher im PDF-Format oder E-books).

Bewegtes Bild ist bei der Entwicklung neuer digitaler Bildungsmedienkonzepte ein unbestrittener Bestandteil eines cross-medialen Online-Bildungsangebots. Derzeit holen sich sowohl Lehrkräfte als auch Schüler ihr Wissen vorrangig von nicht evaluierten Videos, die auf Plattformen wie Youtube, Vimeo oä kursieren.

Für die Schaffung österreichischer, inhaltlich abgesicherter und appobierter audiovisueller Medien fehlt das Instrumentarium: die Ausschließlichkeit der mit 106 Millionen Euro ausgestatteten Schulbuchaktion auf gedrucktem Papier muss im Hinblick auf die neuen Herausforderungen überdacht werden, der vor einigen Jahren geschaffene Bildungsinnovationsfonds muss endlich seine Aufgaben erfüllen , um sich mit den Anforderungen der Schul- und Ausbildung in heutigen Zeiten auseinandersetzen zu können.

Als Sofortmaßnahme und als erster Schritt sind ausreichend Mittel für die Entwicklung digitaler audiovisueller Formate nötig (etwa ein spezialisierter Slot im Rahmen der Bildungsinnovationsstiftung ).

Um das Angebot an Bildungsmedien nachhaltig und zukunftstauglich zu erneuern, soll die Österreichische Schulbuchaktion mittelfristig auf die Anforderungen eines digitalen Bildungsmodells gestellt werden. 

5.) Aufdotierung des Musikfonds - Turbo für den Musikstandort Österreich

Der österreichische Musikfonds wurde 2005, als europaweit einzigartiges Public Private Partnership Modell im Bereich der Musikförderung gegründet und ist inzwischen für die Produktion qualitätsvoller österreichischer Musik unverzichtbar.

Dass Musik aus Österreich derzeit auch international einen Höhenflug erlebt (Bilderbuch, Lemo, Julian le Play, Der Nino aus Wien usw.), hat auch mit dem strukturell wesentlichen Beitrag des Musikfonds zu tun.

Der Fonds hat derzeit im Wege der Public Private Partnership-Finanzierung durch Bund und Verbände (Verwertungsgesellschaften, Fachverband der Film- und Musikwirtschaft und ORF) ein Budget von knapp unter 1 Mio Euro.

Mit diesem Budget wird seit langem unter sparsamster Administration die Agenda - nämlich die Produktionsförderung Album, Förderung Musikvideo, Toursupport Inland und Exportförderaktivitäten – aufrecht erhalten.

Das Konzept* sieht in ihren Erweiterungsstufen eine Weiterentwicklung in Richtung Nachwuchsförderung, Künstleraufbau, verstärkte Präsenz in Auslandsmärkten, aber auch eine Verbreiterung der Förderzielgruppen vor. Damit soll ein zusätzlicher Turbo für die Kreativproduktion und deutlich erhöhte Wertschöpfungsleistung, Beschäftigungssicherung und nachhaltige Stärkung des Musikstandortes erreicht werden.

Dafür ist jedenfalls ein Gesamtbudget von jährlich € 3 Mio notwendig und könnte damit zusätzlich zur Produktionsförderung eines Albums auch die Produktion und Verwertung vor allem für die neuen Online-Medien (zB. Spotify) in den Fokus der Förderung genommen werden – einer digitalen Verwertung, die bekanntlich bereits mehr als 50 % des gesamten Musikmarktes in Österreich repräsentiert.

Mit obgenanntem  Gesamtbudget, das darüber hinaus auch durch eine Steigerung der Mitfinanzierung des privaten Sektors getragen werden soll, könnte der Musikfonds seine Rolle als wichtigste Genre-unabhängige Förderung für Entwicklung, Produktion und Vertrieb österreichischer Musik erfolgreich fortführen.

Die Umsetzung dieser seit langem vorgesehenen, über die letzten Jahre immer wieder vorgebrachten und vom Grundsatz her auch durch das Kulturressort unterstützten Forderung wäre dringend notwendig, würde das Kulturbudget im Vergleich unmaßgeblich belasten, hätte aber  einen immensen Multiplikatoreffekt im österreichischen Musiksektor.

*Das Konzept liegt im Detail sowohl in der zuständigen Abteilung des Kulturressorts sowie im Fachverband der Film- und Musikwirtschaft und beim Musikfonds auf.


Stand: 23.09.2019

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