WKÖ: Österreich konnte Vorteile des EU-Binnenmarktes besonders gut nützen
EU-Binnenmarkt eine der größten Errungenschaften des europäischen Integrationsprojekts - 30-jähriges Jubiläum am 1.1.2023 – Österreich trat am 1.1.1995 bei
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„Österreich konnte die Vorteile des EU-Binnenmarktes besonders gut nutzen“, resümiert Mariana Kühnel, stv. WKÖ-Generalsekretärin anlässlich dieses Jubiläums. „Die EU ist für uns Heimat und Heimmarkt. Rund 70 Prozent des österreichischen Außenhandels findet innerhalb der EU statt. Die Exporte in die 26 anderen EU-Mitgliedsstaaten haben sich seit dem Beitritt Österreichs von 33 Milliarden Euro auf 112 Milliarden Euro im Jahr 2021 mehr als verdreifacht“, so Kühnel. Faktum ist: Auch wenn Österreich EU-Nettozahler ist, übertreffen die Vorteile des Binnenmarkts bei Weitem die Kosten. „Und in einer globalisierten Welt könnten sich die Länder in Europa nur gemeinsam behaupten“, hebt Kühnel die Vorteile der EU-Mitgliedschaft hervor.
Der EU-Binnenmarkt zeichnet sich im Wesentlichen durch die vier sogenannten Grundfreiheiten aus: freier Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sowie die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs. Die jüngsten Krisen wie die Covid-19-Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine hätten aber auch gezeigt, dass Weiterentwicklungen nötig sind, um den EU-Binnenmarkt für die Zukunft zu sichern. Es gehe nun darum, bestehende Regeln zu stärken, Defizite zu beseitigen und den Anwendungsbereich auf die Erweiterungskandidaten auszuweiten. „Die EU-Kommission sollte daher den Fokus auf die einheitliche Anwendung, Umsetzung und Durchsetzung bestehender Rechtsvorschriften und die Straffung des Vertragsverletzungverfahrens legen“, so Kühnel.
So hat Österreich vom EU-Binnenmarkt profitiert
- Die österreichische Exportquote (Waren- und Dienstleistungsexporte gemessen am BIP) ist von 33,6 Prozent (1995) auf 55,9 Prozent (2021) gestiegen und liegt damit über dem EU-Durchschnitt.
- Insgesamt gibt es mittlerweile rund 63.100 österreichische Exportbetriebe. Die überwiegende Mehrheit sind Klein- und Mittelbetriebe. Fast jeder zweite Job ist in Österreich direkt oder indirekt durch den Export gesichert!
- Wie eine 2019 veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt, steigert der Binnenmarkt die Einkommen der EU-Bürger jährlich im Durchschnitt um rund 840 Euro pro Person. Österreich zählt mit einem Zuwachs von 1.583 Euro zu den Top-Profiteuren.
- Durch den Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU kam es zu einer deutlichen Kostenersparnis für Exporteure. Die Kosten der Bürokratie an der Grenze machten laut Berechnungen der Europäischen Kommission vor Vollendung des Binnenmarktes (Kontrolle der Warenbegleitpapiere, Wartezeiten etc.) 2 bis 5 Prozent des Warenwertes aus. Aufgrund des Wegfalls der Binnengrenzen in der EU ersparen sich die heimischen Unternehmen im EU-Export jährlich rund 2,2 bis 5,5 Milliarden Euro.
- Österreich ist durch den EU-Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten in das geografische und wirtschaftliche Zentrum der EU gerückt. Allein die Exporte in die fünf neuen Mitgliedstaaten Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien haben sich seit dem österreichischen EU-Beitritt verfünffacht: Sie stiegen von 4 Milliarden Euro (1995) auf 25,5 Mrd. Euro 2021. In Summe verzeichnet Österreich mit den neuen EU-Mitgliedstaaten einen permanenten Handelsbilanzüberschuss.
- Ausländische Unternehmen investierten in Österreich seit dem EU-Beitritt durchschnittlich (1995–2021) rund 7 Milliarden Euro pro Jahr. In den drei Jahren vor dem Beitritt waren es ca. 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Die Investitionen ausländischer Unternehmen in Österreich sind damit im Schnitt auf das Fünffache gestiegen. Der Bestand an Direktinvestitionen in Österreich hat sich von 16 Milliarden Euro 1995 auf rund 188 Milliarden Euro im Jahr 2021 erhöht.
- Neben den ausländischen Investitionen in Österreich stiegen auch die österreichischen Investitionen im Ausland seit dem EU-Beitritt stark an. Ihr erhöhte sich auf rund 229 Mrd. Euro 2021.
- Die österreichische Investitionstätigkeit ist auch im internationalen Vergleich außerordentlich stark auf Mittel- und Osteuropa konzentriert. Österreich kann damit von den Regional- und Strukturförderungen indirekt profitieren, die die neuen Mitgliedstaaten bzw. EU-Beitrittskandidatenländer aus Brüssel erhalten.
- Die geografische Nähe ist ein deutlicher Wettbewerbsvorteil für heimische Betriebe gegenüber Unternehmen aus anderen Ländern. Daher ist es für österreichische Firmen von größtem Interesse, dass die Regeln des Binnenmarkts auch auf diese Länder möglichst rasch ausgeweitet werden und ein Level-playing field, sprich: gleiche Spielregeln, erzielt werden kann.
Historischer Abriss
Als Österreich am 1.1.1995 gemeinsam mit Schweden und Finnland der EU beitrat, umfasste diese 15 Mitgliedsstaaten. Weitere Erweiterungen um die mittel- und osteuropäischen Staaten sowie Malta und Zypern (2004), Bulgarien und Rumänien (2007) sowie Kroatien (2013) schufen den größten Markt mit 28 Mitgliedstaaten und rund 513 Millionen Einwohnern. Ein Rückschlag war der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs mit 31.1.2020, es blieb jedoch bis Ende 2020 Teil des EU-Binnenmarkts (Nordirland ist durch ein eigenes, - insbesondere von UK umstrittenes - Protokoll bis heute de facto Teil des Binnenmarkts). Heute umfasst der EU-27-Binnenmarkt etwa 450 Millionen Einwohner.
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