WKO Analyse: Stagnierende ausländische Direktinvestitionen in Österreich

Österreich rutscht in Rankings ab, die Investitionen schaffen aber mehr Jobs

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Aktualisiert am 13.03.2023

In Kürze

  • Seit dem EU-Beitritt hat sich Österreich sowohl zu einem wichtigen Investor als auch zu einem attraktiven Investitionsstandort entwickelt.
  • Zuletzt stagnierten allerdings die ausländischen Direktinvestitionen in Österreich, teils sind die ausländischen Kapitalbestände sogar gesunken.
  • Ausschlaggebend bei der Auswahl eines geeigneten Investitionsstandorts sind regulatorische und ökonomische Rahmenbedingungen.
  • Dass sich Österreich in diesen Dimensionen relativ verschlechtert hat, zeigt eine aktuelle Umfrage: Im Foreign Direct Investment Confidence Index von A.T. Kearney liegt Österreich nur auf Platz 24 von den 30 wichtigsten Investitionsstandorten.
  • Da Direktinvestitionen zu Wachstum und Beschäftigung beitragen, müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden.

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Kontinuierlicher Anstieg der Direktinvestitionen

Seit dem EU-Beitritt 1995 sind die Bestände an ausländischen (passiven) und inländischen (aktiven) Direktinvestitionen (DI) gestiegen: 2016 betragen die aktiven Bestände 189 Mrd. Euro, die passiven 148 Mrd. Euro.

Die Transaktionen hingegen unterliegen typischerweise großer Volatilität, oftmals sind wenige Transaktionen ausschlaggebend für den Saldo. Bedenklich ist jedoch, dass der Kapitalwert des Bestandes ausländischer DI in Österreich 2008, 2011 und aktuell auch 2016 gesunken ist. Seit der Krise ist ein Abwärtstrend in den jährlichen Veränderungen der Flüsse zu erkennen.

Aktive und passive Direktinvestitionen in Österreich
Bestände (linke Achse) und Transaktionen (rechte Achse), in Mio Euro


Die Bestände ausländischer DI entwickelten sich von 2006 bis 2010 mit einem jährlichen durchschnittlichen Wachstum von rund 11 % gut, ab 2011 trat eine deutliche Verlangsamung ein mit Zuwachsraten von nur noch 3,6 % im Schnitt pro Jahr. Somit wuchsen die passiven DI-Bestände in Österreich etwas langsamer als die globalen Bestände, die im gleichen Zeitraum um 13 % bzw. 5 % jährlich anstiegen.


Passive DI-Bestände entwickelten sich in Österreich etwas langsamer als die globalen Bestände.

Die größten Transaktionen von österreichischen Investoren im Ausland im Jahr 2016 betrafen die Niederlande und das Vereinigte Königreich. Im Gegensatz dazu wurden Beteiligungen besonders stark in der Türkei reduziert, in Zusammenhang mit Banken-Umstrukturierungen aber auch in Bulgarien, Kroatien und Rumänien. Der größte Anstieg an passiven DI kam aus Brasilien und Russland, während mit Italien aufgrund der Reorganisation im Bankenbereich ein Minus von 6,8 Mrd. Euro entstand. Auch die DI aus den USA sanken um rund 2,3 Mrd. Euro. Der Saldo für aktive DI von Österreich 2016 beträgt somit -5,5 Mrd. Euro und -1,9 Mrd. Euro für passive DI nach Österreich.

Regulierungen und Steuern bremsen ausländische Direktinvestitionen trotz soliden wirtschaftlichen Umfelds

Die Qualität der Ausbildung und die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, aber auch Rechtssicherheit sind bedeutende Standortfaktoren für ausländische Direktinvestitionen (Sieber, 2008). Österreich schneidet bei diesen Kriterien sehr gut ab. Die verhältnismäßig strengen Regulierungen für ausländische DI, die Bürokratie bei Unternehmensgründungen sowie hohe Steuern und Lohnstückkosten hemmen hingegen potenzielle Investoren (Europäische Kommission, 2012).  


Letzter Platz der europäischen OECD-Länder im Index für regulatorische Einschränkungen von Direktinvestitionen der OECD.

Österreich verliert durch Regulierungen an Attraktivität

Die Strenge der Regulierungen liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt und wird rund 5 Mal so hoch bewertet als in Deutschland, obwohl zwischen 2007 und 2010 der Grad der Regulierungen in Österreich um rund 30 % reduziert wurde. Nach wie vor vollständig reguliert sind die Bereiche der Stromerzeugung und Stromverteilung, besonders stark reguliert sind ausländische DI im Bereich der Unternehmensdienstleistungen sowie der Transport und die Land- und Forstwirtschaft. 

OECD Index zur Strenge der Regulierungen 2016
Gesamtindex zur Strenge der Regulierungen ausländischer Direktinvestitionen

Dies spiegelt sich auch in den Einschätzungen potenzieller Investoren wider. Laut der Umfrage von A.T. Kearney (2017) sind unter den Top-5 Einflussfaktoren für Investitionsentscheidung die Effizienz der rechtlichen und regulativen Prozesse, die Transparenz von staatlichen Regulierungen sowie die Steuerbelastung und die Komplexität des Steuersystems allgemein. Weitere wichtigen Faktoren sind 2017 die allgemeine Sicherheitslage, die technologischen und innovativen Kapazitäten sowie die Marktgröße des Ziellandes. 


24. Platz für Österreich beim Forein Direct Investment Confidence


Entsprechend diesen Kriterien führen die EU-Länder den A.T. Kearney Foreign Direct Investment Confidence Index an: Im Jahr 2017 sind 10 EU-Mitgliedstaaten unter den Top-25 jener 30 Länder, die 90 % der weltweiten Direktinvestitionen anziehen. Wie 2016 hält Österreich hier nur den 24. Rang in dieser weltweiten Befragung von rund 1.000 Vorständen und Top-Managern der weltweit größten Unternehmen zur Einschätzung der Attraktivität von Ländern für ausländische Direktinvestitionen. Neben den strengen Regulierungen reduziert die vergleichsweise hohe Steuerbelastung, besonders die Lohnnebenkosten, die Attraktivität Österreichs für passive Direktinvestitionen. 

Genau hinsehen bei den Rankings

Im IMD World Competitiveness Report (Juni 2017) nimmt Österreich bei den Subindikatoren zu „Internationale Investitionen“ die Plätze 61 und 62 ein, da es 2016 unter den untersuchten Ländern den geringsten Zufluss an ausländischem Kapital aufwies. 


IMD Einmaleffekte verursachen Rückgang


Dieses Ergebnis ist mitunter darin begründet, dass IMD ausschließlich die Kapitalflüsse von Holdinggesellschaften (Special Purpose Entities, SPE) berücksichtig anstelle von tatsächlichen Unternehmensbeteiligungen. Diese Transaktionen über Holdinggesellschaften betrugen 2016 rund -29 Mrd. Euro für Aktiva und -24 Mrd. Euro für Passiva. Gemäß den 2014 in Kraft getretenen neuen internationalen Vorschriften (BPM6) berücksichtigen weder die OeNB noch internationale Organisationen wie der IWF oder die OECD sowie Eurostat diese Posten in ihren DI-Statistiken (bzw. weisen sie separat aus).

Ungeachtet der Systematik, die von IMD für alle Länder gleich angewendet wurde, unterstreicht die Platzierung Österreichs die tendenzielle Verschlechterung in der Attraktivität gegenüber anderen Standorten. 

Standortfaktoren sind entscheidend: Besteuerung, Regulierungen,
Bürokratie, Innovationsfähigkeit und Arbeitsmarkteffizienz 

Ein Vergleich mit europäischen Ländern, die im Ranking besser abschneiden (z.B. Deutschland, Schweden, Niederlande) zeigt, dass Österreich vor allem bei Markt- und Betriebsbestimmungen Handlungsbedarf hat. Regulatorische Einschränkungen und relativ langwierige Unternehmensgründungsprozesse können potenzielle Investoren abschrecken, das komplexe Steuersystem und die hohe effektive Steuerbelastung (Lohnnebenkosten, Unternehmensbesteuerung) wirken zusätzlich hemmend. Zudem schneidet Österreich bei Hochschul- und Berufsbildung teilweise schlechter ab als Vergleichsländer und weist eine geringere Innovationsdynamik auf. Die Effizienz des Arbeitsmarktes ist unterdurchschnittlich, der Kapitalmarkt teils schlechter entwickelt. 

Empfehlungen für Österreich 

Österreich muss in Zukunft wieder attraktiver für ausländische Direktinvestitionen werden, da sie den Kapitalstock erhöhen, Beschäftigung schaffen und Wissens- und Technologietransfers begünstigen. Multinationale Unternehmen sind im Schnitt größer, produktiver und bezahlen höhere Löhne. Somit kann der Wachstumsbeitrag einer ausländischen Investition jenen einer gleich hohen inländischen Investition sogar übersteigen (Europäische Kommission, 2012).

Um Auslandsinvestitionen wieder verstärkt anzuziehen, müssen in Österreich folgende Bereiche forciert werden:  

  • Steuer- und Abgabenreduktion (Lohnnebenkosten, Körperschaftssteuer)
  • Bürokratieabbau, weitere Vereinfachungen bei Unternehmensgründungen,
    Visumsvergabe
  • Effizienter Arbeitsmarkt: flexible Arbeitszeiten, modernes Arbeitsrecht
  • Innovationscluster und Netzwerke von Universitäten und Forschungseinrichtungen unterstützen
  • Qualität der Ausbildung und Qualifikation von Arbeitskräften weiter verbessern

Fazit

Direktinvestitionen können besonders in Zeiten stagnierender inländischer Investitionen einen wichtigen Beitrag zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung leisten. Um das Potenzial auszuschöpfen, muss Österreich bei Steuern, Regulierungen, Innovationsfähigkeit und Arbeitsmarkteffizienz aufholen.