Newsletter Abteilung Rechtspolitik | Dezember 2023
Alle Beiträge
Lesedauer: 27 Minuten
Inhaltsübersicht
Öffentliches Recht und Wettbewerb
- Informationsfreiheit – Abschaffung der Amtsverschwiegenheit
- Digital Markets Act (DMA) – ein Zwischenbericht
- Überarbeitung der EU-Bauprodukteverordnung in der Zielgeraden
Zivil-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
- Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023
- Wiener Zeitung
- Video-Verhandlungen
- Video-Gesellschafterversammlungen
- Strafrechtlicher Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
- Flexible Kapitalgesellschaft
- Neue Verbraucherkredit-Richtlinie im Amtsblatt veröffentlicht
- Neue Verordnung über den Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse im Amtsblatt veröffentlicht
- Vorschlag einer Richtlinie über Umweltaussagen
Gewerberecht
Verkehrsrecht
Öffentliches Recht und Wettbewerb
Informationsfreiheit – Abschaffung der Amtsverschwiegenheit
Die Regierungsvorlage für ein „Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird“ ist am 6.10.2023 im Nationalrat eingelangt (Bundes-Verfassungsgesetz, Änderung; Informationsfreiheitsgesetz (2238 d.B.) | Parlament Österreich).
Ein erster Entwurf war bis 19.4.2021 in Begutachtung. Seither wurde verhandelt.
Entsprechend dem Regierungsprogramm soll die Amtsverschwiegenheit abgeschafft und durch ein einklagbares Recht auf Zugang zu Information ersetzt werden. Auch Unternehmen, die der Rechnungshofkontrolle unterliegen, müssen diesen Zugang zu Informationen gewähren. Zudem müssen künftig Informationen von allgemeinem Interesse von staatlichen Organen proaktiv, über das zentrale Informationsregister als Metadatenregister, veröffentlicht werden.
Die im Entwurf enthaltene Ausweitung der Rechnungshofkontrolle ab einer staatlichen Beteiligung an Unternehmen von 25% wurde in der Regierungsvorlage gestrichen.
Die Regierungsvorlage sieht Folgendes vor:
1. Verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Zugang zu Informationen:
Jedermann soll künftig gegenüber den Organen der Verwaltung samt den mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung und der Landesverwaltung betrauten Organen das Recht auf Zugang zu Informationen haben.
Dies gilt nicht, soweit deren Geheimhaltung aus zwingenden integrations- oder außenpolitischen Gründen, im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Vorbereitung einer Entscheidung, zur Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen erforderlich und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist. Die sonstigen Selbstverwaltungskörper sind in Bezug auf Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nur gegenüber ihren Mitgliedern informationspflichtig.
Das Recht auf Zugang zu Informationen soll auch gegenüber den der Kontrolle des Rechnungshofes oder eines Landesrechnungshofes unterliegenden Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen bestehen. Neben der sinngemäßen Anwendung der oben genannten Ausnahmegründe gilt für Unternehmen auch eine Ausnahme soweit dies zur Abwehr einer Beeinträchtigung von deren Wettbewerbsfähigkeit erforderlich ist. Gänzlich ausgenommen sind börsennotierte Gesellschaften bzw. Unternehmen, die unter dem beherrschenden Einfluss börsennotierter Gesellschaften stehen.
Anders als bei Anfragen an staatliche Stellen sind bei Unternehmungen, Stiftungen Fonds und Anstalten gewisse Formerfordernisse für Informationsbegehren einzuhalten (Schriftlichkeit, Glaubhaftmachung der Identität).
Die Information ist binnen vier Wochen zu erteilen (in Ausnahmefällen kann diese Frist um weitere vier Wochen verlängert werden). Wird die Information nicht erteilt, kann sich der Informationswerber an das zuständige Verwaltungsgericht und letztlich an den Verfassungsgerichtshof wenden.
2. Proaktive Veröffentlichungspflicht:
Der Nationalrat und der Bundesrat, die Organe der Verwaltung samt den mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung und der Landesverwaltung betrauten Organen, die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Rechnungshof, die Verwaltungsgerichte, der Verwaltungsgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof und die Volksanwaltschaft haben Informationen von allgemeinem Interesse in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise zu veröffentlichen, soweit und solange diese nicht aus den oben unter 1. genannten Gründen geheim zu halten sind. Gemeinden und Gemeindeverbände mit weniger als 5 000 Einwohnern sind nicht zur Veröffentlichung verpflichtet; sie können solche Informationen aber freiwillig veröffentlichen.
Für Stiftungen, Fonds, Anstalten und Unternehmungen ist keine proaktive Veröffentlichungspflicht vorgesehen.
Informationen von allgemeinem Interesse sind Informationen, die einen allgemeinen Personenkreis betreffen oder für einen solchen relevant sind. Die Regierungsvorlage nennt beispielsweise Geschäftseinteilungen, Geschäftsordnungen, Tätigkeitsberichte, Amtsblätter, amtliche Statistiken, von informationspflichtigen Stellen erstellte oder in Auftrag gegebene Studien, Gutachten, Umfragen, Stellungnahmen und Verträge (wobei Verträge über einen Wert von mindestens 100 000 Euro als jedenfalls von allgemeinem Interesse bezeichnet werden).
3. Nächste Schritte:
Die Regierungsvorlage wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen. Für die parlamentarische Beschlussfassung ist eine Zweidrittelmehrheit des Nationalrats und eine qualifizierte Zustimmung des Bundesrats erforderlich. Am 20.12.2023 wurde eine Einigung mit der SPÖ bekanntgegeben. Die Beschlussfassung im Nationalrat wird für Jänner 2024 angestrebt.
Dr. Claudia Rosenmayr-Klemenz
Digital Markets Act (DMA) – ein Zwischenbericht
Das Gesetz über digitale Märkte ist eine Verordnung der Europäischen Union ist Teil eines umfassenden Regelungspakets für die Digitalwirtschaft. Es soll sicherstellen, dass digitale Märkte, auf denen sogenannte „Gatekeeper“ – das sind behördlich festgestellte Unternehmen, die aufgrund ihrer Marktmacht und Netzwerkeffekten den Marktzugang für andere kontrollieren - tätig sind, weiterhin funktionsfähig bleiben und faire Wettbewerbsbedingungen für Akteure auf den digitalen Märkten in der EU gewährleistet werden.
Darüber wacht eine Sondereinheit der Europäischen Kommission als Regulierungsbehörde, welche in einem speziellen Verfahren (Designierung) jene Unternehmen bestimmt, für die das neue Regulierungsrecht gilt und dann die Verhaltenskontrolle ausübt. Nationale Behörden – zumeist die Wettbewerbsbehörden – leisten Amtshilfe und können, bei entsprechender staatlicher Ermächtigung, eigene Verfahren durchführen.
Der DMA (Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828) geht in ihren Anwendungs- und Regelungsbereich über die in Geltung befindliche Plattform-to-Business Verordnung (P2B-VO) hinaus, deren Regelungsgehalt angesichts der Marktmacht großer Gatekeeper für nicht ausreichend befunden wurde.
Bereits am 6. Juli 2022 wurde der DMA vom EU-Parlament verabschiedet und am 12. Oktober 2022 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. In der ersten Jahreshälfte 2023 wurden die Durchführungsrechtsakte erlassen und im März wurde eine „Highlevel Group“ eingesetzt, welche die EK berät, um sicherzustellen, dass das DMA und andere sektorale Vorschriften, die für die Gatekeeper gelten, in kohärenter Weise umgesetzt werden. Österreich ist gegenwärtig durch die Generaldirektorin der BWB - Natalie Harsdorf-Borsch - in diesem Gremium vertreten.
Am 6. September 2023 wurden jene Unternehmen von der EK bekannt gegeben, denen der Gatekeeper Status zuerkannt worden ist (20 Dienste der GAFAMs einschließlich Tiktok). Meta und Tiktok haben dieser Einstufung widersprochen und im November 2023 Rechtsmittel erhoben. Ab dem 6. März 2024 werden die wesentlichen Verhaltensauflagen des DMA durch die Kommission effektiv angewendet.
Die wesentlichen Information über den DMA finden sich hier: https://digital-markets-act.ec.europa.eu
Dr. Theodor Taurer
Überarbeitung der EU-Bauprodukteverordnung in der Zielgeraden
Wie schon im letzten Newsletter dargestellt, zielt der Vorschlag für eine überarbeitete EU-Bauprodukteverordnung (CPR) darauf ab, sowohl die Vorgaben des “Green Deals” an Bauprodukte zu integrieren und zu spezifizieren, den Normungsorganisationen die Ausarbeitung einheitlicher europäischer Normen zu erleichtern als auch die Digitalisierung im Bauproduktebereich stärker zu verankern und voranzubringen.
Die auf EU-Ebene zuständige Ratsarbeitsgruppe „Technische Harmonisierung (Bauprodukte)“, hat eine Kompromissposition für die EU-Mitgliedstaaten erarbeitet, die am 30. Juni 2023 vom Ausschuss der Ständigen Vertreter (COREPER) verabschiedet wurde. Diese Kompromissposition dient als Mandat der Ratsdelegation für den Trilog.
Das Europäische Parlament hat am 11.7.2023 seine Verhandlungsposition zur Überarbeitung der CPR angenommen. Nach insgesamt drei Trilogverhandlungen haben die Vertreter von Rat, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission am 13.Dezember 2023 eine vorläufige Einigung erzielt. Nach Abschluss der Arbeiten auf technischer Ebene muss die überarbeitete CPR noch formell vom Rat und vom Europäischen Parlament beschlossen werden.
Hauptbestandteile der vorläufigen Einigung zur CPR (laut Presseaussendung des Rats)
Die vorläufige Einigung passt den Anwendungsbereich der Verordnung an und klärt folgende Punkte:
Behebung der Probleme des Standardisierungssystems
Was das Standardisierungsverfahren betrifft, einigte man sich darauf, die Durchführungsrechtsakte beizubehalten. Die neuen Standards werden gesetzlich verbindlich. Um den anhaltenden Verzögerungen im Normungsprozess entgegenzuwirken und die Handlungsmöglichkeiten der Kommission bei Problemen zu erhöhen, einigten sich Rat und Parlament auf eine Fallback-Lösung, bei der die Kommission unter bestimmten Bedingungen harmonisierte technische Spezifikationen für ihren Standardisierungsprozess erlassen kann eigene, durch Durchführungsrechtsakte.
Digitaler Pass für Bauprodukte
Die vorläufige Einigung sieht die Schaffung eines digitalen Passsystems für Bauprodukte vor, ähnlich dem in der Ökodesign-Verordnung vorgeschlagenen System. Die Kommission wird ermächtigt, die Funktionalitäten und Anforderungen dieses Produktpasssystems mittels delegierter Rechtsakte festzulegen.
Grüne öffentliche Beschaffung
Gemäß dem Kompromisstext wird die Kommission ermächtigt, durch delegierte Rechtsakte verbindliche Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit für die öffentliche Beschaffung von Bauprodukten festzulegen, um Anreize für das Angebot und die Nachfrage nach ökologisch nachhaltigen Produkten zu schaffen. Diese Regeln können für jeden Vertrag gelten, der Bauprodukte enthält, einschließlich Verträgen über Bauarbeiten, bei denen die Mitgliedstaaten Umweltanforderungen für diese Produkte einführen wollen.
Das vorläufige Abkommen gibt den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit, von den Umweltanforderungen abzuweichen, wenn ihre Anwendung zu einem geringen Marktangebot für das erforderliche Bauprodukt führen würde, wenn es keine geeigneten Ausschreibungen gäbe und wenn sie unverhältnismäßige Kosten verursachen würden. Der Mitgliedstaat muss im Vergleich zu dem Szenario, in dem keine Anforderungen gelten würden, mehr als 10 % ausgeben.
Aufhebung der bestehenden Regelung
Die vorläufige Vereinbarung sieht einen Übergangszeitraum vom alten zum neuen Rechtsrahmen vor, der 15 Jahre ab dem Datum des Inkrafttretens der neuen Verordnung (bis 2039) dauern wird. Dadurch wird sichergestellt, dass genügend Zeit für einen geordneten Übergang und die ordnungsgemäße Migration harmonisierter technischer Spezifikationen vom alten Rechtsrahmen zum Neuen bleibt und das Risiko einer Deharmonisierung einer Produktgruppe oder -familie minimiert wird.
Inkrafttreten
Die Artikel der Verordnung über die Entwicklung von Normen gelten ab dem Datum des Inkrafttretens. Für alle anderen Artikel, mit Ausnahme von Artikel 90 über Sanktionen, gelten sie 12 Monate nach ihrem Inkrafttreten. Die Anwendung von Artikel 90 erfolgt 24 Monate nach Inkrafttreten.
Mag. Erhard Pollauf
Zivil-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht
Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023
Bereits im letzten Newsletter wurde über den Ministerialentwurf berichtet. Nunmehr wurde das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023 beschlossen und trat mit 1.9. in Kraft.
Mit dem Gesetz soll die Strafbarkeit der Bestechlichkeit und der Bestechung auf Personen im Fall einer künftigen Amtsträgereigenschaft erweitert werden – zweifellos politische Folge des sog. „Ibiza-Skandals“. Erreicht werden soll, dass nicht nur die aufrechte Amtsträgerschaft, sondern bereits eine Person, die in Zukunft ein solches Amt bekleiden wird, eine Verantwortlichkeit im korruptionsstrafrechtlichen Kontext auslöst. Anknüpfungspunkt dafür ist die Definition des „Kandidaten für ein Amt“. Die im Ministerialentwurf enthaltene Formulierung wurde – wohl nicht ganz zu Unrecht – in den diversen Stellungnahmen als undeutlich und unscharf kritisiert.
Nachgebessert wurde, sodass Kandidat für ein Amt nunmehr jeder ist, der sich in einem Wahlkampf, einem Bewerbungs- oder Auswahlverfahren zu einer Funktion als Amtsträger oder in einer vergleichbaren Position zur Erlangung einer von ihm angestrebten Funktion als oberstes Vollzugsorgan des Bundes oder eines Bundeslandes oder als Organ zur Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung befindet, sofern die Erlangung der Funktion nicht gänzlich unwahrscheinlich ist.
Weiterhin unklar ist, was eine zu einem Amtsträger vergleichbare Position sein soll. Nach den Materialien sind damit Bundesminister, Staatssekretäre, Mitglieder der Landesregierungen, sowie die Präsidenten der Rechnungshöfe gemeint, die allesamt schon bisher und unverändert Amtsträger im Sinne des Strafgesetzbuchs sind.
Neu ist u.a.,
- dass, wer als Kandidat für ein Amt für den Fall, dass er künftig Amtsträger sein würde, einen Vorteil für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts für sich oder einen Dritten fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, zu bestrafen ist. Der Täter, der einen Vorteil fordert oder sich einen solchen versprechen lässt (nicht jedoch: annimmt!), ist nach diesem Absatz nur dann zu bestrafen, wenn er die Stellung als Amtsträger tatsächlich erlangt hat.
- dass eine Person, die einem Kandidaten für ein Amt für den Fall, dass dieser Amtsträger würde, für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für ihn oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, zu bestrafen ist. Der Täter, der einen Vorteil anbietet oder verspricht (nicht jedoch: gewährt!), ist nur dann zu bestrafen, wenn der Kandidat für ein Amt die Stellung als Amtsträger tatsächlich erlangt hat.
Unverändert – und daher unverändert zu kritisieren – ist der Umstand, dass unter die Definition eines Amtsträgers weiterhin jede Person fällt, die für ein Unternehmen tätig ist, das einer Kontrolle durch irgend einen Rechnungshof unterliegt. Allein der österreichische Rechnungshof darf viele tausende im Wettbewerb stehende Unternehmen kontrollieren, weil diese direkt oder indirekt zu einem erheblichen Teil den Gebietskörperschaften gehören.
Etwas versteckt wurde mit diesem Gesetz auch das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz dahingehend geändert, dass die Tagessätze von 10.000 auf 30.000 Euro bzw. von 500 auf 1.500 Euro (für Verbände, mit gemeinnützigen, humanitären oder kirchlichen Zwecken) erhöht wurden, sodass die maximal mögliche Geldbuße hier künftig 5,4 Mio. Euro (180 Tagessätze à 30.000 Euro) beträgt.
Dr. Artur Schuschnigg
Wiener Zeitung
Es ist geschafft! Die kostenpflichtigen Veröffentlichungen für Unternehmen im Amtsblatt zur Wiener Zeitung wurden endlich gestrichen. Dies führt zu einer Kostenersparnis von mehr als 20 Mio. Euro pro Jahr. Die Veröffentlichungen haben nunmehr auf der elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes zu erfolgen – kostenfrei! Nähere Informationen unter: www.evi.gv.at.
Dr. Artur Schuschnigg
Video-Verhandlungen
Wenn die COVID-19-Pandemie etwas Positives verursacht hat, dann etwa den maßgeblichen Schub der Möglichkeiten, miteinander durch Videoschaltungen zu kommunizieren. Diese Chancen sollen nunmehr, weil sie sich in der Pandemie bewährt haben, auch im Prozessrecht ergriffen und dort in das „Dauerrecht“ implementiert werden.
Die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung soll für Parteien oder Parteienvertreter im Wege der Videozuschaltung grundsätzlich ermöglicht werden. Die Parteien können ein Vorgehen nach dieser Bestimmung lediglich anregen; ein diesbezügliches Antragsrecht ist nicht vorgesehen. Das Gericht hat den Parteien anzukündigen, ob es die bevorstehende Tagsatzung in Form einer „Videoverhandlung“ durchzuführen beabsichtigt. Dabei hat es darzulegen, ob es alle Parteien und deren Vertreter oder bloß einzelne von diesen mittels Videozuschaltung am Verfahren beteiligen möchte. Außerdem hat das Gericht eine Information über die technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an einer „Videoverhandlung“ anzuschließen.
Das Gesetz ermöglicht die Durchführung einer „Videoverhandlung“ jedoch nur, soweit die Parteien mit diesem Vorgehen des Gerichts einverstanden sind. Aus diesem Grund wird jeder Partei ein gegen die vom Gericht geplante Vorgangsweise gerichtetes Widerspruchsrecht eingeräumt, das innerhalb einer vom Gericht – entweder in der Ladung oder mit gesondertem Beschluss – festzusetzenden, angemessenen Frist ausgeübt werden kann. Der Widerspruch einer Partei bedarf keiner Begründung und bewirkt, dass der vom Gericht auf Basis dieser Bestimmung geplante Einsatz der Videotechnologie ausscheidet. Daneben bietet der Entwurf die Möglichkeit, dass das Gericht die ausdrückliche Zustimmung der Parteien zum geplanten Einsatz der Videotechnologie betreffend die bevorstehende Tagsatzung einholt.
Die jeweiligen Gesetze (Zivilprozessordnung, AußerstreitG, Insolvenzordnung, Exekutionsordnung, Bundesverwaltungsgerichtsgesetz …) können auch abweichende Bestimmungen enthalten. So ist die persönliche Anwesenheit des Schuldners im Insolvenzverfahren jedenfalls erforderlich, wenn ein Sanierungs- oder Zahlungsplan zur Abstimmung kommen soll. In Fortführung der Wertungen des § 145 Abs. 3 IO wird die persönliche Anwesenheit des Schuldners auch etwa bei Prüfungs- und Berichtstagsatzungen bzw. bei Sanierungs- und Zahlungsplantagsatzungen weiterhin erforderlich sein, in denen der Schuldner um eine Zustimmung für seinen Sanierungs- oder Zahlungsplan wirbt und ein persönlicher Eindruck notwendig ist, um seine Leistungsfähigkeit und ‑bereitschaft sowie die Ernsthaftigkeit beurteilen zu können.
Dr. Artur Schuschnigg
Video-Gesellschafterversammlungen
Auch die Durchführung von Gesellschafterversammlungen unter Einsatz technischer Kommunikationsmittel, insbesondere über eine Videokonferenz, hat sich in der Praxis bewährt, weshalb nun eine dauerhafte gesetzliche Grundlage für virtuelle sowie hybride Versammlungen geschaffen werden soll. Im Unterschied zur Pandemiesituation sollen solche Gesellschaftersammlungen jedoch nur zulässig sein, wenn dies in Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.
Umfasst sind die Hauptversammlung einer AG oder SE, die Generalversammlung einer GmbH, Genossenschaft oder SCE, die Mitgliederversammlung eines Vereins, eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (Mitgliedervertretung) oder eines kleinen Versicherungsvereins und die Vereinsversammlung einer Sparkasse, damit diese auch „virtuell“, also ohne die physische Anwesenheit der Teilnehmer, durchgeführt werden können. Mitumfasst sind Versammlungen von Repräsentationsorganen der Gesellschafter, wie etwa die Delegiertenversammlung einer Genossenschaft oder eines Vereins oder die Mitgliedervertretung als oberstes Organ eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit oder eines kleinen Versicherungsvereins.
Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit einer virtuellen Versammlung ist, dass diese Art der Durchführung im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Damit wird die Entscheidung, in welcher Form die Willensbildung der Gesellschafter erfolgen soll, diesen selbst in ihrer satzungsgebenden Mehrheit überantwortet. Diesbezüglich kann der Gesellschaftsvertrag entweder bestimmen, dass Gesellschafterversammlungen stets virtuell durchzuführen sind oder diese Entscheidung dem einberufenden Organ übertragen.
Die Entscheidung über die Art der Durchführung ist dann von der Geschäftsführung bzw. vom Vorstand, im Fall der Einberufung durch andere Personen von diesen, zu treffen. In jedem Fall bleibt aber die Möglichkeit gewahrt, im Einzelfall eine Vollversammlung aller Gesellschafter in Präsenzform durchzuführen.
Als Variante kann der Gesellschaftsvertrag auch die Durchführung „hybrider Versammlungen“ vorsehen, bei denen den Teilnehmern die Wahl eröffnet wird, ob sie physisch oder in virtueller Form teilnehmen wollen. Damit haben die Teilnehmer das Recht zur physischen Teilnahme an einer dann nur teilweise virtuellen Versammlung, für die daher stets auch ein konkreter Versammlungsort festzulegen ist. Der Gesellschafter hat aber auch die Möglichkeit, Rechte in Form der elektronischen Kommunikation auszuüben, ohne am Versammlungsort zu sein.
Sonderbestimmungen bestehen für Gesellschaften, deren Aktien börsenotiert sind.
Dr. Artur Schuschnigg
Strafrechtlicher Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Im Bereich des strafrechtlichen Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kommt es aus Sicht der potentiell betroffenen Unternehmen zu wesentlichen Verbesserungen. Neben der Anhebung der Strafdrohungen werden die einschlägigen Delikte als Ermächtigungsdelikte ausgestaltet. Bislang waren sie Privatanklagedelikte, was zur Folge hatte, dass die Unternehmen keinerlei Möglichkeiten hatten, die nach StPO an sich zur Verfügung stehenden Ermittlungsschritte zu setzen.
Zudem hatten sie das volle Kostenrisiko des Verfahrens zu tragen. Als Ermächtigungsdelikt liegt es nach wie vor in der Hand des Unternehmens, zu entscheiden, ob ein Verfahren eingeleitet wird. Das Verfahren selbst ist allerdings sodann von der Staatsanwaltschaft zu führen.
Die Erhöhung der Strafdrohungen führt zu einer Verschiebung der Zuständigkeit für das Hauptverfahren vom Bezirksgericht zum Einzelrichter des Landesgerichts, was auch einen gewissen Bündelungseffekt mit sich bringen soll. Mit der Erhöhung der Strafdrohungen geht schließlich auch eine Erweiterung des Spektrums an Ermittlungsmaßnahmen einher.
Dr. Artur Schuschnigg
Flexible Kapitalgesellschaft
Im Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 wird die Schaffung einer neuen Kapitalgesellschaftsform angekündigt, die auf internationalen Beispielen aufbauen und besonders für innovative Startups und Gründerinnen in der Frühphase eine international wettbewerbsfähige Option bieten soll.
Die Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKapG) ist eine neue Kapitalgesellschaftsform, die vor allem die besonderen Bedürfnisse von Startups und anderen innovativen Unternehmen berücksichtigt. Allerdings sind die für Gesellschaften mit beschränkter Haftung geltenden Regelungen insoweit anzuwenden, als im FlexKapGG keine abweichenden Bestimmungen vorgesehen sind. Der Entwurf ermöglicht eine flexible Gestaltung von Kapitalstrukturen und Beteiligungsverhältnissen, was Startups erleichtert, Kapital aufzunehmen und Investoren anzuziehen.
Als ein wesentliches Flexibilisierungsmoment ist die Möglichkeit einer schriftlichen Abstimmung zu begrüßen. Im Gesellschaftsvertrag der FlexKapG kann vorgesehen werden, dass für eine Abstimmung im schriftlichen Weg das Einverständnis aller Gesellschafter und Gesellschafterinnen nicht erforderlich ist. Die nach GmbHG notwendige Entkoppelung (es sei denn, alle Gesellschafter und Gesellschafterinnen sind sich einig) des Beschlussverfahrens vom Beschlussinhalt weicht einer erleichterten inhaltlichen Beschlussfassung, was Umlaufbeschlüsse bei entsprechender gesellschaftsvertraglicher Grundlage wesentlich erleichtert.
Ein markantes Novum für eine österreichische Kapitalgesellschaftsform soll die durch das FlexKapGG eingeführte Möglichkeit sein, Unternehmenswert-Anteile auszugeben. Auch dies wird von der Startup-Szene vehement gefordert und von uns ausdrücklich begrüßt. Sie stellt eine gesellschaftsrechtliche Lösung für die Beteiligung von Mitarbeitern dar, durch die diese in erster Linie im Fall des gewinnbringenden Verkaufs des Unternehmens am Erfolg desselben partizipieren können. Die im Arbeits- und Angestelltenrecht verankerten Rechte der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden durch diese Möglichkeit in keiner Weise tangiert. Für den Erfolg jedes Unternehmens spielen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine Schlüsselrolle - bei Startups um ein Vielfaches mehr.
Um Talente anzulocken, ist es international üblich, dass Startups Mitarbeiterbeteiligungen anbieten. Hochqualifizierte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verlangen im innereuropäischen Wettbewerb zusätzlich zur überkollektivvertraglichen Entlohnung entsprechende Vergütungen, die Startups und junge KMU oftmals mangels Liquidität nicht leisten können. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die am Unternehmen beteiligt werden, zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie eine höhere Produktivität erwirtschaften, kundenorientierter agieren, sich stärker mit dem Unternehmen verbunden fühlen und im Regelfall mehr Freude an ihrer Arbeit haben.
Um den Vorgaben des Regierungsprogramms zu entsprechen, soll für Anteilsübertragungen sowie für Übernahmeerklärungen bei der FlexKapG eine Alternative zur Formpflicht des Notariatsakts vorgesehen werden. Der Entwurf sieht vor, dass die Übertragung von Geschäftsanteilen auch in der Form erfolgen kann, dass ein Notar oder Rechtsanwalt eine (Privat-)Urkunde darüber errichtet. Dieser Ansatz wird von den Notaren ohne für uns nachvollziehbare sachliche Begründung vehement bekämpft, von uns und anderen Stakeholdern jedoch vehement begrüßt.
Die Ermöglichung des Erwerbs eigener Geschäftsanteile, die Bestimmungen über die Veräußerung und Einziehung, über deren Inpfandnahme und des Erwerbs derselben durch Dritte werden ausdrücklich begrüßt.
Im Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2023 ist auch die Senkung des GmbH‑Mindeststammkapitals von 35.000 auf 10.000 Euro vorgesehen. Dies entspricht einer langjährigen Forderung der Wirtschaftskammerorganisation.
Zweifellos ist es wichtig, für das jeweilige Unternehmenskonzept die jeweilige optimale Unternehmensform zu wählen. Vielfach wurde die GmbH-Form allerdings wegen des auch rechtsvergleichend hohen Mindeststammkapitals nicht gewählt, obwohl der Unternehmer bzw. die Unternehmerin ein solches für das zu betreibende Unternehmen keineswegs gebraucht hätte. Mit einem Mindeststammkapital von 10.000 Euro besteht weiterhin eine akzeptable Seriositätsschwelle, die jedoch nicht davon befreit, ein Stammkapital aufbringen zu müssen, dass dem jeweiligen Unternehmenszweck entspricht.
Es kann beispielsweise die notwendige Höhe des Stammkapitals unterschiedlich zu beurteilen sein, ob etwa ein kleiner Handwerksbetrieb oder eine Bauunternehmung in der Rechtsform einer GmbH geplant ist. Eine qualifizierte Unterkapitalisierung kann zu gravierenden Rechtsfolgen führen.
Die Senkung des Mindeststammkapitals führt zudem zu einer Senkung der Mindestkörperschaftsteuer, was ebenfalls zu begrüßen ist – auch wenn wir nach wie vor der Ansicht sind, dass die MindestKöSt überhaupt abgeschafft werden sollte.
Das Gesetz tritt am 1. Jänner 2024 in Kraft.
Dr. Artur Schuschnigg
Neue Verbraucherkredit-Richtlinie im Amtsblatt veröffentlicht
Nachdem das Rechtsetzungsverfahren durch formelle Annahme im Europäischen Parlament und in Folge durch den Ministerrat abgeschlossen wurde, ist die neue Verbraucherkredit-Richtlinie Ende Oktober auch im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden (Richtlinie (EU) 2023/2225). Die Richtlinie wird die geltende Verbraucherkredit-Richtlinie aus 2008 ersetzen, die im Verbraucherkreditgesetz umgesetzt wurde.
Der Anwendungsbereich ist im Vergleich zur geltenden Richtlinie erweitert, ua insbesondere durch Streichung von derzeit bestehenden Ausnahmen für Kleinstkredite und zinsenfreie Kredite. Die aufgezeigte Problematik, dass bei der schon im Kommissionsvorschlag vorgeschlagenen vollständigen Einbeziehung von zinsenlosen Krediten auch keine Zahlungsaufschübe bzw. übliche Zahlungsfristen möglich wären, ohne zum „Kreditgeber“ zu werden, wurde letztlich auch von anderen gesehen.
Allerdings dürften in einigen Mitgliedstaaten, Geschäftspraktiken in Form von „buy now pay later“, die durch die derzeitige Ausnahme für zinsenlose Kredite möglich sind, unerwünschte Ausmaße erreicht und Probleme bereitet haben, sodass man grundsätzlich auch derartige, unentgeltliche Kreditierung erfassen wollte. Geeinigt haben sich die Rechtsetzungsorgane auf einen Kompromiss dahingehend, „gewöhnliche“ Zahlungsaufschübe – bzw. -fristen bis 50 Tage nach Lieferung, bei denen auch kein Dritter den Kredit anbietet – grundsätzlich – auszunehmen (Art 2 Abs 2 lit h UA i bis iii).
Davon wird aber eine Gegenausnahme insofern gemacht, als für Unternehmen, die nicht unter die KMU-Definition iSd der Empfehlung 2003/361/EG fallen und die - kurz gesagt – online verkaufen, eine abweichende Regelung vorgesehen wird, als insbesondere die Zahlungsfrist nicht 50, sondern 14 Tage ab Lieferung beträgt.
Ein Ausbau haben auch der Umfang und die Qualität von Informationspflichten in den verschiedensten Stufen des Absatzes erfahren: Ein besonderes Anliegen des EP war es etwa, einen verpflichtenden Warnhinweis für die Werbung zu schaffen, dies sogar unter Vorgabe auch der Formulierung („Achtung: Kreditaufnahme kostet Geld“, Art 8). In Anlehnung an ein ähnliches Konzept der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie sind Verbrauchern künftig auch allgemeine Informationen über Kreditverträge bereitzustellen (Art 9).
Ausgebaut und fein ziseliert werden insbesondere auch die Vorgaben für die Erteilung vorvertraglicher Informationen (Art 10). So hat zB künftig eine Differenzierung zwischen besonders wesentlichen und anderen Informationen zu erfolgen und bestimmte Informationen im 1. Teil des – ebenfalls veränderten – Standardinformationsformulars grundsätzlich auf einer Seite „in auffallender Art und Weise“ gegeben werden.
- Ausdrücklich festgeschrieben (Art 18) wird ua, dass für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit keine besonderen Kategorien von Daten gem. Art 9 Abs 1 DSGVO herangezogen werden sollen, sowie auch nicht solche aus sozialen Netzwerken. Die Kreditgewährung darf nur bei positiver Kreditwürdigkeitsprüfung erfolgen.
- Nach dem Vorbild der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie, die ähnliche Bestimmungen bereits enthält, sind nun auch für Verbraucherkredite ua Vorgaben betr. die Fähigkeiten der Mitarbeiter und aufsichtsrechtliche Regelungen EU-rechtlich geregelt (Art 32f, Art 37, Art 41). Neu sind zB auch Bestimmungen über allfällige Nachsichtsmaßnahmen im Falle von Zahlungsrückständen (Art 35).
Die Mitgliedstaaten haben bis 20. November 2025 die nationalen Umsetzungsbestimmungen zu schaffen, die dann ein Jahr später ab dem 20. November 2026 zur Anwendung kommen werden.
Mag. Huberta Maitz-Straßnig
Neue Verordnung über den Schutz geografischer Angaben für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse im Amtsblatt veröffentlicht
Die neue Verordnung EUR-Lex - 32023R2411 - EN - EUR-Lex (europa.eu) wurde am 27. Oktober 2023 kundgemacht und ist formell am 16. November 2023 in Kraft getreten.
Der Schutz geografischer Angaben (gA) für Weine, Spirituosen sowie für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel ist seit vielen Jahren auf Unionsebene verankert. Daher lag es nahe, einen unionsweiten Schutz gA auch für Erzeugnisse außerhalb dieses Anwendungsbereichs einzuführen. Dabei soll eine Reihe handwerklicher und industrieller Erzeugnisse erfasst werden, wie z.B. Natursteine, Schmuck, Textilien, Spitzen, Schneidwaren und Besteck, Glas und Porzellan, aber auch Felle und Häute.
Zweck
Wie bei Lebensmitteln und landwirtschaftlichen Produkten soll das System der gA einerseits Konsumenten befähigen, durch entsprechende Kennzeichnung und Werbung informiertere Kaufentscheidungen zu treffen um entsprechende Qualitätsprodukte auf dem Markt zu finden. GA als geistige Eigentumsrechte wiederum sollen Unternehmern helfen, ihre immateriellen Vermögenswerte zu bestimmen. Um unfairen Wettbewerb zu vermeiden und den Binnenmarkt zu stärken, soll jeder Erzeuger, einschließlich aus Drittländern, EU-weit und im Internethandel die registrierte Bezeichnung verwenden und Erzeugnisse vermarkten dürfen, die mit einer gA bezeichnet sind, vorausgesetzt, das betreffende Produkt erfüllt die Anforderungen der relevanten Spezifikation und der Erzeuger unterliegt einem Kontrollsystem.
Unionsregister
Um Transparenz und eine einheitliche Herangehensweise in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, wird ein elektronisches Unionsregister für gA für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse eingerichtet, das öffentlich zugänglich ist. Das Unionsregister wird vom Europäischen Amt für geistiges Eigentum (EUIPO) entwickelt und geführt.
Verfahren
Das Standardverfahren für die Eintragung einer gA beinhaltet zwei Phasen: Die Mitgliedstaaten sind in der 1. Phase (“nationale Phase”) verantwortlich für die Prüfung des Antrags auf nationaler Ebene und nach positivem Abschluss zur Weiterleitung an das EUIPO. In der 2. Phase (“Unionsphase”) prüft das Europäische Amt den Antrag. Anträge zur Registrierung gA sollen in erster Linie von Erzeugergemeinschaften eingebracht werden, aber auch Einzelanträge sind möglich.
Gattungsbezeichnungen dürfen nicht als gA eingetragen werden; die Eintragung von Marken auch als gA ist möglich, wenn das Produkt die Voraussetzungen der Verordnung erfüllt.
Unionszeichen
Das für „geschützte geografische Angaben“ nach der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 664/2014 eingeführte Unionszeichen gilt dann auch für gA für handwerkliche und industrielle Erzeugnisse.
Weitere Vorgangsweise
Der Mehrwert gA basiert auf dem Vertrauen der Verbraucher. Dieses Vertrauen kann nur fundiert sein, wenn mit der Eintragung gA wirksame und effiziente Überprüfungen und Kontrollmechanismen einhergehen. Die Verbraucher sollen davon ausgehen können, dass jede gA durch solide Prüf- und Kontrollsysteme gestützt wird, unabhängig davon, ob das jeweilige Erzeugnis aus der Union oder einem Drittland stammt.
Zum Aufbau und zur Einrichtung der entsprechenden Infrastruktur haben die Mitgliedstaaten nun zwei Jahre Zeit. Die neue Verordnung gilt ab dem 1. Dezember 2025.
Mag. Gabriele Benedikter
Vorschlag einer Richtlinie über Umweltaussagen
Die Kommission hat einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation, COM(2023) 166, veröffentlicht. Dieser verweist auf die Begriffe der EmpoweringRL und legt Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Umweltaussagen fest. Danach müssen Unternehmer:innen im Vorfeld eine Prüfung durchführen, welche unter anderem Folgendes umfassen soll:
- sie stützt sich auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und berücksichtigt einschlägige internationale Normen,
- sie enthält den Nachweis, dass die Angaben über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen und
- das Produkt schneidet wesentlich besser als vergleichbare Produkte ab.
Bevor die Umweltaussage verwendet werden darf, müssen die Nachweise dieser Prüfung (Lebenszyklusanalyse oder Umweltzeichen) anschließend durch eine akkreditierte unabhängige Konformitätsbewertungsstelle überprüft werden, die ggf eine Konformitätsbescheinigung ausstellt. Ausnahmen bestehen nur für Kleinstunternehmer:innen und für bestimmte Umweltaussagen, die auf taxativ aufgelisteten anderen Rechtsakten der EU beruhen.
Das Zertifikat soll durch die Behörde, die für die Vollziehung dieser RL zuständig ist, anerkannt werden; dies bindet jedoch andere Behörden nicht. Die Behörde soll regelmäßige Kontrollen durchführen, die Prüfberichte online stellen und ein Beschwerdesystem einrichten. Als Sanktionen und Maßnahmen bei Verstößen sind
- effektive Geldbußen (Höchstbetrag mind 4 % des Jahresumsatzes in dem betreffenden MS),
- Gewinnabschöpfung und
- vorübergehender Ausschluss für max zwölf Monate von öffentlichen Ausschreibungen und vom Zugang zu öffentlichen Mitteln (inkl Konzessionen)
vorgesehen. Zusätzlich werden Normen für zB vergleichende Werbung, Umweltzeichen und die Kommunikation von ausdrücklichen Umweltaussagen und ihrer Nachweise vorgeschlagen.
Das Gesetzgebungsprojekt wird von der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik betreut, sie wird dabei von der Abteilung für Rechtspolitik unterstützt. Zurzeit finden die Verhandlungen mit Europäischen Parlament und Rat statt.
Dr. Christian Handig
Gewerberecht
EU-Geldwäschebekämpfungs-Paket
In Umsetzung europarechtlicher Vorschriften und internationaler Vorgaben verpflichtet die Gewerbeordnung 1994 bereits jetzt schon bestimmte Gewerbetreibende, Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu ergreifen. Damit soll verhindert werden, dass diese Gewerbetreibende in Gefahr kommen, für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung missbraucht zu werden (im Detail siehe §§ 365m bis 365z Gewerbeordnung 1994).
Im Juli 2021 wurde von der Kommission ein EU-AML (Anti Money Laundering)-Paket veröffentlicht, welches vier Legislativvorschläge enthält:
- eine Verordnung zur Einrichtung einer neuen EU-AML-Behörde,
- eine Verordnung zur Bekämpfung von Geldwäsche/ Terrorismusfinanzierung mit direkt anwendbaren Regelungen z.B. im Bereich Sorgfaltspflichten,
- eine Richtlinie zur Bekämpfung von Geldwäsche/ Terrorismusfinanzierung, die die bestehendes 5. Geldwäscherichtlinie ersetzt und
- eine Überarbeitung der Verordnung von 2015 über Geldtransfer zur Rückverfolgung von Transfers von Krypto-Vermögenswerten.
Die Trilog Verhandlungen zwischen Rat, EU-Parlament und Kommission haben am 11. Mai 2023 begonnen. Ein Abschluss der Verhandlungen ist bis zum ersten Quartal 2024 geplant. Das vollständige Paket, einschließlich der technischen Standards, soll bis Ende 2025 umgesetzt werden und ist voraussichtlich ab 1. Jänner 2026 anzuwenden.
Für den Sitz der EU- Geldwäschebekämpfungsbehörde AMLA haben sich neben Wien auch andere EU-Städte wie z.B. Paris und Frankfurt beworben; die finale Entscheidung dafür wird erst mit Ende der Trilog Verhandlungen fallen. Die AMLA wird frühestens am 1.1.2025 ihre Tätigkeit aufnehmen.
Ing. Mag. Sandra Genner
Verkehrsrecht
Mauttarife: CO2-Bemautung und Entfall der Inflationsanpassung der Infrastrukturkostenmaut für das Jahr 2024
Am 16. November 2023 ist eine umfassende Novelle des Bundesstraßen-Mautgesetzes (BStMG) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Die Novelle setzt in erster Linie verpflichtende Vorgaben der sogenannten „EU-Wegekosten-Richtlinie“ (Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, in der Fassung der Richtlinie (EU) 2022/362 und der Berichtigung ABl. Nr. L 227 vom 1.9.2022) um.
Nachfolgend werden zwei Neuerungen mit besonderer Tarifrelevanz auszugsweise angeführt:
Berücksichtigung der Kosten der verkehrsbedingten CO2-Emissionen bei der Festsetzung der fahrleistungsabhängigen Mauttarife
Die EU-Wegekosten-Richtlinie sieht ab 2024 eine verpflichtende Berücksichtigung von CO2-Emissionen im Rahmen der fahrleistungsabhängigen Mauttarife für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen technisch zulässiger Gesamtmasse vor.
Die aktuelle BStMG-Novelle legt nun für die Jahre 2024 bis 2026 die Tarife zur Anlastung der verkehrsbedingt durch CO2-Emissionen entstehenden Kosten fest. Diese sind in die jeweils in den Jahren 2023 bis 2025 zu erlassenden Mauttarifverordnungen zu übernehmen. Dabei erfolgt - aus Sicht der Wirtschaft erfreulicherweise - lediglich eine Teilanlastung der im Auftrag des Bundesministeriums für Klima, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) ermittelten Kosten je Fahrzeugkilometer. So soll im Jahr 2024 eine Teilanlastung dieser CO2-Kostenkomponente in der Höhe von 30 % erfolgen, im Jahr 2025 dann in der Höhe von 50 % und im Jahr 2026 in der Höhe von 70 %.
Für Omnibusse wird unter Berücksichtigung der dafür noch erforderlichen technischen Anpassungen im Mautsystem bei den CO2-Kosten ab dem 1. Jänner 2025 eine Ermäßigung in der Höhe von 25 % vorgesehen.
Die nur teilweise Anlastung der externen Kosten für CO2 sowie die stufenweise und planbare Anpassung kommen unseren Forderungen entgegen, ebenso der geplante reduzierte CO2-Tarif für Busse. Natürlich treten wir weiterhin für eine Senkung der unserer Ansicht nach noch immer zu hoch angesetzten CO2-Tarife ein. Der Zeitpunkt des Markthochlaufs für E-Lkw bzw. Wasserstofffahrzeuge im mautrelevanten klassischen Fernverkehr ist ungewiss. Auch fehlt es leider noch immer an einer flächendeckenden Tank- und Ladeinfrastruktur; diese ist aber Voraussetzung, um den Einsatz emissionsfreier Fahrzeuge kalkulierbar zu ermöglichen.
Entfall der Valorisierung der Tarife zur Anlastung der Infrastrukturkosten und somit Weitergeltung der im Jahr 2023 geltenden Tarife zur Anlastung dieser Kosten im Jahr 2024
Durch den Entfall der Valorisierung entfällt die Inflationsanpassung der Infrastrukturkostenmaut in der Höhe von + 8,6 % im Jahr 2024. Dies stellt eine Kostenentlastung für unsere Mitglieder dar und schwächt die Tariferhöhung aufgrund der neuen CO2-Bemautung wesentlich ab.
Um im Jahr 2025 eine signifikante Kostensteigerung durch Inflationsanpassung und Erhöhung der CO2-Tarife zu verhindern, sollte auch in den Folgejahren von der Valorisierung abgesehen werden. Wir fordern bereits seit vielen Jahren die generelle Streichung der Verpflichtung zur jährlichen Inflationsanpassung der Tarife.
Dr. Daniela Domenig
Publikationen
- Agnes Balthasar-Wach, Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 (2023); Kommentierung von § 94-100 (mit Ausnahme von § 99d), Internationales Urheberrecht und Internationales Urheberverfahrensrecht
- Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, EuG-Update (T-628/22 Repassi/Kommission): Taxonomie, Wirtschaftstätigkeiten in den Sektoren fossiles Gas und Kernenergie, ecolex 2023/560
- Agnes Balthasar-Wach/Cornelia Lanser, EuGH-Update (C-155/22, Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld): Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Kraftverkehrsunternehmens, ecolex 2023/447
- Agnes Balthasar-Wach/Matthias Keuschnigg, Zur Anerkennung von Vereinbarungen über Bestandzinsminderungen iZm COVID-19-Zuschüssen, SWK 2023, 746
- Christian Handig, Mitherausgabe und Kommentierung von § 16a, § 16b, § 33, § 34, § 37 b und § 37d inkl eines Beitrags zur Rechtsgeschichte in Handig/Hofmarcher/Kucsko, urheber.recht3 (2023)
- Christian Handig, Anmerkung zu EuGH 25. 5. 2023, C-290/21, AKM, ecolex 2023/436, 690
- Christian Handig, Dark Patterns im Fokus – Neue Normen der EU für manipulative Gestaltungsformen digitaler Nutzerschnittstellen, ÖBl 2023/60, 199
- Christian Handig, EU-Rechtsentwicklung, gemeinsam mit Astrid Ablasser, Rainer Beetz, Birgit Hirsch, Dominik Hofmarcher und Christian Schumacher, ÖBl 2023/3, 10; ÖBl 2023/18, 61; ÖBl 2023/46, 158; ÖBl 2023/61, 205
- Christian Handig, Rechtsentwicklung, National, EU, International, gemeinsam mit Christian Schumacher, ÖBl 2023/47, 161
- Christian Handig, Lauter (und) Grün! RdW 2023/268, 381
- Christian Handig, Produkthaftung refurbished, ecolex 2023/107, 196
- Carmen Simon-Klimbacher, Kommentierung zu § 114 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung
- Carmen Simon-Klimbacher, Kommentierung zu § 129 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung
- Carmen Simon-Klimbacher, Kommentierung zu § 134 GewO in Gerscha/Steurer, Praxiswissen Gewerbeordnung
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