Newsletter Abteilung Rechtspolitik | Oktober 2024

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Lesedauer: 18 Minuten

22.10.2024

Inhaltsübersicht

Öffentliches Recht und Wettbewerb

Zivil-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

Gewerberecht

Verkehrsrecht

Publikationen

Veranstaltungen


Öffentliches Recht und Wettbewerb


Novellierung des E-Government-Gesetzes zur Unterstützung der digitalen Transformation der Verwaltung

Eine Änderung des E-Government-Gesetzes (GBl. I Nr. 117/2024) hat weitere Grundlagen für die fortschreitende Digitalisierung der Verwaltung geschaffen. So wird etwa eine ausdrückliche Verpflichtung für Verantwortliche des öffentlichen Bereichs geschaffen, miteinander digital zu kommunizieren. Bundesgesetzliche Verwaltungsorgane müssen demnach die entsprechenden technischen und organisatorischen Voraussetzungen bis spätestens Ende 2025 schaffen. Ab diesem Zeitpunkt darf eine papierbasierte Kommunikation nur mehr in Ausnahmefällen stattfinden (zB im Einzelfall dann, wenn eine digitale Kommunikation unzweckmäßig wäre, wie bei der Übermittlung lediglich in Papierform vorhandener Akten).

Weitere Änderungen beziehen sich auf eine Vereinfachung bei der ID-Austria Registrierung: Künftig kann auch auf ein Lichtbild des Betroffenen, das bereits im Identitätsdokumentenregister vorhanden ist, zurückgegriffen werden (zB bereits registriertes Foto des Reisepasses bzw Personalausweises oder e-card).

Zudem wurde eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Beweiskraft elektronischer Ausweise geschaffen: Es soll klargestellt werden, dass einem elektronischen Ausweis die Rechtsqualität und Verwendungsmöglichkeit eines amtlichen Lichtbildausweises gegenüber Behörden und Gerichten zukommt, deren Gesetzgebung Bundessache ist. In den Erläuterungen wird in diesem Zusammenhang auf die rund 580.000 Nutzer:innen des digitalen Führerscheins hingewiesen.

Weiters wird die - ohnehin bereits bestehende - Wahlfreiheit der Kommunikationsform von Bürger:innen mit öffentlichen Stellen ausdrücklich klargestellt. Dies soll der Festigung des Bestandes von anderen Kommunikationsarten wie physischer Antragstellung, Briefpost oder telefonischer Kommunikation dienen. Im Gegensatz dazu ist im Verhältnis zwischen Behörden und Unternehmen eine elektronische Abwicklung oftmals zwingend gesetzlich vorgesehen (zB Steuererklärungen, elektronische Zustellungen). 

Mag. Timna Redanz


Zivil-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht


LieferkettenRL (CSDDD) - Status Quo

Die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937, kurz CSDDD (in Folge „RL“) ist seit 25.7.2024 in Kraft.

Wie bereits in unserem letzten Newsletter ausführlich dargelegt, sieht die RL für große UN menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten vor sowie die Pflicht einen Klimaplan zu erstellen. Sie verpflichtet Unternehmen, tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen auf bestimmte in Anhang 1 und 2 angeführte Menschenrechte (zB Verbot von Kinderarbeit, Recht auf Leben) und Umweltgüter (zB Umweltverschmutzung) zu ermitteln und zu bekämpfen.

Diese Sorgfaltspflichten erstrecken sich auf die eigenen Tätigkeiten, die Tätigkeiten der Tochtergesellschaften und die „Aktivitätskette“ (es handelt sich hierbei um vor- und nachgelagerte Tätigkeiten der direkten als auch indirekten Geschäftspartner). Die RL sieht zudem explizit vor, dass Sorgfaltspflichten an Geschäftspartner weiterzugeben sind. Damit werden unabhängig des Geltungsbereichs auch nicht erfasste Unternehmen, wie zB KMU, entlang der globalen Lieferkette in die Verantwortung einbezogen.

Gerade für Klein- und Mittelbetriebe wird der administrative Aufwand zur Durchführung von Sorgfaltsprüfungen mit erheblichen Kosten und Belastungen verbunden sein. Denn auch sie werden in Zukunft - selbst ohne konkrete Hinweise auf Missstände - verpflichtet sein, sich einen Überblick über weiter entfernte Glieder ihrer Lieferkette zu verschaffen. 

Die RL legt in Ergänzung zu Sanktionen und Verwaltungsstrafen auch Regeln für eine zivilrechtliche Haftung bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen fest.

Stand: Die Mitgliedsstaaten haben die RL innerhalb von zwei Jahren umzusetzen, folglich bis spätestens 26.7.2026.

Abhängig von der Unternehmensgröße wird der persönliche Anwendungsbereich von 2027 bis 2029 graduell ausgeweitet. Die Europäische Kommission hat am 25.7.2024 FAQs zur LieferkettenRL veröffentlicht und auf unsere Anregung hin nun eine deutsche Fassung der FAQ bereitgestellt. Hier gelangen Sie zu den FAQ: Corporate sustainability due diligence - European Commission (europa.eu) 

Position WKÖ: Die österreichische Wirtschaft bekennt sich zu nachhaltigem, verantwortungsvollem und zukunftsfähigem Wirtschaften. Allerdings muss jegliche gesetzliche Regelung mit Augenmaß erfolgen. Die Anforderungen an Unternehmen müssen klar, überschaubar und verhältnismäßig sein.

Die Wirtschaftskammer setzt sich für eine effiziente, praxisnahe und rechtsstaatliche Umsetzung der RL ein. Diese soll gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, Rechtssicherheit für Unternehmen bieten, dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechen und die EU als wirtschaftsfreundlichen Standort auch in der Zukunft sichern. Demnach müssen die zugesagten Unterstützungsmaßnahmen rasch umgesetzt und der Mehraufwand finanziell abgefedert werden.

Wir setzen uns für eine entsprechende Verlängerung der Umsetzungsfrist für die Lieferketten-RL sowie eine frühzeitige Herausgabe der Leitlinien und Mustervertragsklauseln durch die Europäische Kommission ein.

Unser klares Motto im Zusammenhang mit der Umsetzung der Lieferkettenrichtlinie lautet jedenfalls: „Unterstützen statt Überregulieren“. 

Mag. Johanna Reinisch, LL.M.


Vorschlag einer Richtlinie über Umweltaussagen

Die Kommission hat letztes Jahr einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation, COM(2023) 166, veröffentlicht. Dieser verweist auf die Begriffe der bereits in Kraft getretenen EmpoweringRL und legt Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Umweltaussagen fest. Danach müssen Unternehmer:innen im Vorfeld eine Prüfung durchführen, welche unter anderem Folgendes umfassen soll:

  • dass sich die Umweltaussagen auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützen und einschlägige internationale Normen berücksichtigen,
  • den Nachweis, dass die Angaben über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen und
  • dass das Produkt wesentlich besser abschneidet als vergleichbare Produkte. 

Bevor Umweltaussagen verwendet werden dürfen, müssen die Nachweise dieser Prüfung durch eine akkreditierte unabhängige Konformitätsbewertungsstelle verifiziert werden, die ggf eine Konformitätsbescheinigung ausstellt. Der Vorschlag sieht Ausnahmen für bestimmte Umweltaussagen, die auf taxativ aufgelisteten anderen Rechtsakten der EU beruhen und für Kleinstunternehmer:innen vor. 

Als Sanktionen und Maßnahmen bei Verstößen sind:

  • effektive Geldbußen (Höchstbetrag mind 4 % des Jahresumsatzes in dem betreffenden MS),
  • eine Gewinnabschöpfung und
  • der vorübergehende Ausschluss für max zwölf Monate von öffentlichen Ausschreibungen und vom Zugang zu öffentlichen Mitteln (inkl Konzessionen) 

vorgesehen. 

Stand: Der Trilog wird voraussichtlich im November 2024 beginnen. 

Anders als das EP möchte der Rat sämtliche Ausnahmen für Kleinstunternehmer:innen beseitigen. Sowohl Rat wie auch EP möchten ein vereinfachtes Verfahren einführen. Danach können „bestimmte“ Umweltaussagen über ein vereinfachtes Verfahren belegt werden, dh für die Begründung dieser Umweltaussage braucht es:

  • keinen Lebenszyklusansatz und
  • keine Verifizierung

Stattdessen muss eine „spezifische technische Dokumentation“ durchgeführt werden, welche der zuständigen Behörde vor der Veröffentlichung der Umweltaussage zur Verfügung gestellt werden muss. 

Das vereinfachte Verfahren soll auch für solche Umweltaussagen angewandt werden, die sich auf Umweltlabel beziehen, die an sich schon das normale Verfahren durchlaufen müssen. 

Position WKÖ: Diese Richtlinie droht somit zu einem weiteren Bürokratiemonster auszuarten, wobei keine positiven Auswirkungen auf Markt, Verbraucher:innen oder Umwelt erkennbar sind. Punktuelle Nachbesserungsversuche wie vereinfachte Verfahren ändern diese Einschätzung nicht, abgesehen davon, dass bei solchen Verfahren etliche Fragen offen sind, wie zB für welche Umweltaussagen diese gelten sollen und wie aufwändig diese „spezifische technische Dokumentation“ tatsächlich wäre. 

Dr. Christian Handig


Verordnungsvorschläge des Patentpakets – Status Quo

Die Europäische Kommission hat am 27. April 2023 in Ergänzung des Einheitspatentsystems ein Patentpaket mit Vorschriften zu:

  • Standardessenziellen Patenten (eine Verordnung),
  • ergänzenden Schutzzertifikaten (vier Verordnungen) und
  • Zwangslizenzen (eine Verordnung)

vorgeschlagen. Für die ersten fünf Verordnungsvorschläge ist eine Position des Rates noch ausständig. Hinsichtlich der Zwangslizenzen erwartet man den Beginn des Triloges. 

Standardessenzielle Patente:

Standardessenzielle Patente (kurz SEPs) schützen Technologien, die in einer technischen Norm für wesentlich erklärt wurden (bspw. WLAN, Bluetooth oder 5G). Um ein normenkonformes Produkt herzustellen, müssen Anwender also diese „essenziellen“ Patente verwenden. Damit eine patentierte Technologie überhaupt in eine technische Norm bzw einen Standard aufgenommen werden kann, verpflichten sich SEP-Inhaber zumeist gegenüber der jeweiligen Standardisierungsorganisation dazu, ihr Patent an die Anwender zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen (FRAND-Bedingungen) zu lizenzieren. 

Der Vorschlag der Europäischen Kommission enthält im Grunde folgende Punkte:

  • Die Verordnung soll für SEPs gelten, die in einem oder mehreren Mitgliedstaaten gelten und deren Inhaber sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation dazu verpflichtet haben, zu FRAND-Bedingungen zu lizensieren.
  • Geplant ist die Einrichtung eines „Kompetenzzentrums“ beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), welches unter anderem ein elektronisches SEP-Register sowie eine Datenbank einrichten und verwalten soll. SEP-Inhaber müssen ihre Patente innerhalb von sechs Monaten ab Eröffnung der Eintragung durch das Kompetenzzentrum oder Erteilung des SEPs eintragen lassen. Zudem soll das Kompetenzzentrum Parteien bei der Bestimmung der Gesamtlizenzgebühr (Höchstbetrag der Lizenzgebühr für alle essenziellen Patente eines Standards) unterstützen.
  • Eingetragene SEPs werden Essenzialitätsprüfungen unterzogen – sowohl mittels Stichprobe als auch auf Benennung durch SEP-Anwender oder – Inhaber.
  • Zur Bestimmung der jeweiligen FRAND-Bedingungen soll ein außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismus vorgesehen werden. Gibt es erhebliche Schwierigkeiten bei der Lizenzvergabe, so ist diese FRAND-Bestimmung verpflichtend, bevor ein Patentverletzungsverfahren eingeleitet oder die Bestimmung/Bewertung von einem Gericht verlangt werden kann.
  • Weiters finden sich in der Verordnung Vorschläge zu Unterstützungsmaßnahmen für KMU

Stand: Am 28. Februar 2024 hat das Europäische Parlament eine legislative Entschließung zum Verordnungsvorschlag angenommen, die Position des Rates ist derweilen noch ausständig. 

Ergänzende Schutzzertifikate:

Ergänzende Schutzzertifikate (kurz: SPCs) sind Rechte des geistigen Eigentums, mit denen die Laufzeit eines Patents auf bis zu fünf Jahre verlängert werden kann. Dies gilt nur für Arzneimittel oder Pflanzenschutzmittel, welche von Aufsichtsbehörden zugelassen wurden. Gerade in diesen Bereichen sind aufwendige Zulassungsverfahren notwendig, welche Jahre in Anspruch nehmen können, bevor der Patentinhaber sein Patent tatsächlich wirtschaftlich nutzen kann. Diese Verzögerung soll durch SPCs ausgeglichen werden. 

Aktuell existieren zwei Verordnungen zu SPCs, eine für Arznei- und eine für Pflanzenschutzmittel. Das Patentpaket der Europäischen Kommission umfasst nun unter anderem eine Neufassung dieser beiden Verordnungen zwecks Einführung eines zentralisierten Verfahrens, um die teils unterschiedlichen Ergebnisse in verschiedenen Mitgliedstaaten in Zukunft zu unterbinden. Handelt es sich beim zugrundeliegenden Patent um ein Europäisches Patent – Einheitspatente eingeschlossen – so soll also die Anmeldung eines SPCs zentral durch das EUIPO geprüft werden. Auf Basis seiner daraus resultierenden positiven Stellungnahme erteilen dann die zuständigen Behörden der jeweils angegebenen und genehmigten Mitgliedstaaten ein nationales Schutzzertifikat nach nationalen Bestimmungen. 

Über die Neufassungen der beiden bereits bestehenden Verordnungen hinaus sind noch zwei weitere Rechtsakte vorgesehen, welche zusätzlich die Schaffung eines Einheitsschutzzertifikats („Unitary SPC“) auf europäischer Ebene zum Ziel haben. Dieses soll auf Grundlage eines Einheitspatents ebenfalls im Zuge des zentralisierten Prüfungsverfahrens vor dem EUIPO erteilt werden. Durch die einheitliche Anmeldung beim EUIPO könnte dann unmittelbar ein Einheitsschutzzertifikat erlangt werden. 

Im vorgeschlagenen zentralisierten Eintragungsverfahren bestehen gleich drei Möglichkeiten gegen ein (Einheits)Schutzzertifikat vorzugehen:

  • Die Einbringung von Bemerkungen zur Zulässigkeit des SPCs,
  • der Widerspruch nach Veröffentlichung der Anmeldung sowie
  • der Antrag auf Nichtigerklärung des SPCs nach bereits erfolgter Erteilung.

Rechtsmittel führen zur Beschwerdekammer des EUIPO und weiter an das EuG. 

Stand: Auch zu diesem Dossier hat das Europäische Parlament seine legislative Entschließung am 28. Februar 2024 angenommen, die Position des Rates ist hier ebenfalls noch ausständig. Ungarn, das zurzeit den Ratsvorsitz führt, legt innerhalb des Patentpakets auch laut Programm besonderes Augenmerk auf die Verordnungsvorschläge zu Arzneimittel-SPCs. 

Zwangslizenzen:

Der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission zu Zwangslizenzen soll in einer Krisensituation die Zwangslizenzierungen von Patenten ermöglichen, wenn freiwillige Vereinbarungen nicht verfügbar oder nicht angemessen sind.

Der Rechtsakt soll die Kriseninstrumente der Europäischen Union ergänzen, wie das Notfallinstrument für den Binnenmarkt oder die Regelungen der Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen. Ob eine Krise vorliegt, soll nach diesen EU-Kriseninstrumenten zu bestimmen sein. 

Geplant ist, dass die Europäischen Kommission, unterstützt durch – aber nicht gebunden an – ein Beratungsgremium, selbst über die Erteilung einer solcher EU‑weiten Zwangslizenz entscheiden können soll. Hiervon sollen laut Entwurf nicht nur Patente, sondern auch Patentanmeldungen sowie Gebrauchsmuster und ergänzende Schutzzertifikate betroffen sein können. 

Stand: Das Europäische Parlament hat seinen Standpunkt zur Zwangslizenzverordnung am 13. Februar 2024 angenommen, der Rat sein Verhandlungsmandat am 26. Juni 2024. Das Mandat des Rates weicht jedoch vom ursprünglichen Entwurf der Kommission in einigen wesentlichen Punkten ab, unter anderem hinsichtlich der Stellung des Rechtsinhabers, der Höhe der Vergütung oder der Rolle des Beratungsgremiums (siehe Pressemitteilung). 

Mag. Clara Baumgartner


WEG-Novelle 2024

Die WEG-Novelle 2024 (BGBl I 2024/92), die am 1. September 2024 in Kraft getreten ist, bringt Neuerungen im Bereich Klimaschutz. Es wird ein Schritt zur Erleichterung der Anbringung von Photovoltaikanlagen durch einzelne Wohnungseigentümer gesetzt. Konkret betreffen die Erleichterungen „Balkonkraftwerke”.  

Neuerungen im Überblick:

  • Privilegierte Maßnahme: Photovoltaikanlagen am Balkon oder an der Terrasse zur Versorgung des Wohnungseigentumsobjekts wurden in den Katalog der privilegierten Änderungen gem. § 16 Abs 2 Z 2 WEG aufgenommen. Damit müssen änderungswillige Wohnungseigentümer keine Nachweise über Verkehrsüblichkeit oder ein wichtiges Interesse erbringen, was die Verwirklichung dieser Vorhaben erheblich erleichtert.
  • Zustimmungsfiktion: Darüber hinaus wird der Katalog jener Änderungen, für die die Zustimmungsfiktion gem. § 16 Abs 5 WEG anwendbar ist, ergänzt; und zwar um die Anbringung einer steckerfertigen Photovoltaik-Kleinsterzeugungsanlage am Balkon oder an der Terrasse. Damit können solche Vorhaben nicht mehr allein an der Passivität der anderen Wohnungseigentümer scheitern. Die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer wird nämlich als erteilt angesehen, wenn sie über die geplante Änderung verständigt worden sind und nicht innerhalb von zwei Monaten widersprechen.  

Diese Novelle setzt einen wichtigen Impuls und ist hoffentlich Ausgangspunkt für weitere begleitende wohn- und mietrechtliche Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors. 

Dr. Agnes Balthasar-Wach 


Wertsicherung in Wohnungsmietverträgen

Einige OGH-Entscheidungen jüngerer Vergangenheit zu unzulässigen Klauseln in Wohnungsmietverträgen (B2C) sorgen anhaltend für Rechtsunsicherheit. Insbesondere zu nennen sind 2 Ob 36/23t und 8 Ob 37/23h, welche bezüglich der Wertsicherung die Themen „Anpassung während der ersten zwei Monate“; „Nachfolgeindex“ und „Wertsicherungsbasis“ betreffen.  

Da die genannten Entscheidungen in einem auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung gerichteten Verbandsverfahren ergangen waren, in welchem die „kundenfeindlichste Auslegung“ als Maßstab angesetzt wurde, ist die Frage nach den Auswirkungen auf Individualverfahren seither Gegenstand eines regen wissenschaftlichen Diskurses. Die Bandbreite reicht von der Beschreibung des Bedrohungsszenarios eines ersatzlosen Wegfalls der Wertsicherungsklausel, wenn eine der OGH-Vorgaben nicht erfüllt ist, mit der strengen Konsequenz von Rückforderungsansprüchen und eines „eingefrorenen Mietzinses“ für die restliche Laufzeit des Vertrags, bis hin zur Argumentation, dass auch im B2C-Verhältnis mangels Anwendungsbereichs der Klausel-RL eine ergänzende Vertragsauslegung möglich ist. Demgemäß würde die zwischen den Parteien ursprünglich vereinbarte subjektive Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung weitergelten (vgl. bspw. Parapatits in FS Lovrek, 567 ff; ÖJZ 2024, 603 ff; ÖJZ 2023, 716 ff). Auch mögliche Folgewirkungen dieser Rechtsprechung auf andere Branchen treten zunehmend in den Blickwinkel der Wissenschaft (vgl. bspw. Perner/Spitzer, ÖJZ, 653 zu den Unsicherheiten bei der Krankenversicherung).  

Die Hoffnung vieler, dass der Gesetzgeber wichtige Klarstellungen bezüglich zahlreicher offener Fragen trifft, hat sich zumindest für die letzte Gesetzgebungsperiode nicht bewahrheitet.  

Erfreulich im Zusammenhang mit dem Thema Wertsicherung ist eine im Sommer veröffentlichte OGH-Entscheidung (1 Ob 64/24d), in welcher bestätigt wird, dass es grundsätzlich zulässig ist, in Wohnungsmietverträgen eine Anpassung nach dem Verbraucherpreisindex (VPI) vorzunehmen. Vorgebracht wurde, dass die Anpassung nach dem VPI sachlich nicht gerechtfertigt sei und einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB darstelle. Für den OGH entspricht eine Wertsicherung nach dem VPI vor allem bei längerer Vertragslaufzeit dem legitimen Bedürfnis des Vermieters, den Mietzins an die Geldentwertung anzupassen, um damit das Äquivalenzverhältnis zu wahren. Da der VPI den Maßstab für die allgemeine Preisentwicklung (Entwicklung des inneren Geldwerts) ausdrückt, verhindert eine daran anknüpfende Wertsicherung des Mietzinses gerade eine solche Verschiebung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses. 

Dr. Agnes Balthasar-Wach 


Gewerberecht


GISA-Express und eidesstattliche Erklärung 

Mit der Gewerbeordnungsnovelle, BGBl I 130/2024, wurden die rechtlichen Grundlagen für eine automatisierte Erledigung von Gewerbeverfahren im Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) – „GISA-Express“ geschaffen (§§ 342, 343 GewO). Da die Umsetzung des GISA-Express technische Adaptionen benötigt, wurde für diese Bestimmungen eine Legisvakanz bis 1. Jänner 2026 vorgesehen. 

Aktuell liegt der Zeitpunkt der Eintragung in das GISA – rechtlich bedingt – jedenfalls hinter der Begründung des Gewerberechts. Die Eintragung der Anmeldung in das GISA hat – auf Grundlage der erfolgten Prüfung durch einen Sachbearbeiter - derzeit längstens binnen drei Monaten zu erfolgen (§ 340 GewO 1994). Dies führt dazu, dass Berechtigte bis zur Veröffentlichung im GISA das Bestehen ihres Rechts nur schwer nachweisen können und sich auch nicht sicher sein können, ob überhaupt und gegebenenfalls wann die „Freigabe“ erfolgen wird. 

Durch eine automatische elektronische Prüfung von Anbringen werden zukünftig Gewerbeberechtigungen in vielen Fällen vollständig automationsunterstützt und ohne Wartezeit ausgestellt werden können. Der Gewerbeanmelder soll durch die Validierung automatisch nach der Gewerbeanmeldung den Nachweis seiner Gewerbeberechtigung (= GISA-Auszug) erhalten. Ebenso werden eine Vielzahl von Gewerbeverfahren vollständig automatisiert durchgeführt werden. 

In § 344 GewO wird darüber hinaus die Möglichkeit einer eidesstattlichen Erklärung für den Nachweis des Nichtvorliegens von Ausschließungsgründen gem. § 13 GewO normiert. Damit in Zusammenhang stehend wird im § 13 Abs 8 iVm § 87 Abs 1 Z 7 ein neuer Gewerbeausschlussgrund normiert, nämlich falsche eidesstattliche Angaben bei der Gewerbeanmeldung. Dieser Ausschlussgrund liegt auch dann vor, wenn es nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung im Sinne von §§ 288, 289 StGB kommt oder die dreimonats-Grenze (bzw 180 Tagsätze) nicht überschritten wird. Anders als bei allen anderen Ausschlussgründen bewirkt dieser Ausschlussgrund jedoch eine absolute fünfjährige Sperre ohne Nachsichtsmöglichkeit (§ 13 Abs 8 letzter Satz). 

Dr. Kerstin Verdorfer-Tobisch


Eintragungsfähige Meistertitel auch für handwerksähnliche Gewerbe

Mit der Adaptierung des § 22 GewO durch BGBl I 130/2024 kann nun auch für Befähigungsprüfungen mit Niveau NQR 6 bei sog „handwerksähnlichen“ Gewerben der eintragungsfähige Meistertitel erlangt werden (§ 22 Abs 4 GewO). Personen, die die Befähigungsprüfung in diesen Gewerben erfolgreich abgelegt haben, sind berechtigt, die Bezeichnung „Meisterin“ bzw „Meister“ vor ihrem Namen in Kurzform („Mst.” bzw „Mst.in“ oder „Mst.in“) oder in vollem Wortlaut zu führen und deren Eintragung gleich einem akademischen Grad in amtlichen Urkunden zu verlangen. 

Dies betrifft folgende Gewerbe:

  • Bestattung
  • Elektrotechnik
  • Fußpflege
  • Gas- und Sanitärtechnik
  • Kontaktlinsenoptik
  • Kosmetik (Schönheitspflege) oder die Befähigungsprüfung für das Piercen und Tätowieren
  • Massage
  • Sprengungsunternehmen
  • Vulkaniseur,
  • Waffengewerbe (Büchsenmacher). 

Darüber hinaus bekommen die Baugewerbe, da sie NQR-7 sind, folgende Titel (§ 22 Abs 5 GewO):

  • Baumeister: „Baumeisterin“ oder „Baumeister“
  • Brunnenmeister: „Brunnenmeisterin“ oder „Brunnenmeister“
  • Steinmetzmeister einschließlich Kunststeinerzeugung und Terrazzomacher: „Steinmetzmeisterin“ oder „Steinmetzmeister“
  • Holzbau-Meister: „Holzbau-Meisterin“ oder „Holzbau-Meister“ 

Dr. Kerstin Verdorfer-Tobisch


Verkehrsrecht 


EuGH erklärt EU-Vorschrift zur regelmäßigen Rückkehr von LKW für nichtig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) kippte einen wesentlichen Bestandteil des umstrittenen EU-Gesetzespakets für den Straßengüterverkehr, des sogenannten „Mobilitätspakets I“. Die Richter erklärten am 4. Oktober die Verpflichtung für nichtig, wonach LKW mindestens alle acht Wochen zur Betriebsstätte des Transportunternehmens in dem Land zurückkehren müssen, wo sie registriert sind (Pressemitteilung). 

Bulgarien, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Ungarn und Zypern hatten beim Gerichtshof Nichtigkeitsklagen gegen das im Jahr 2020 erlassene Mobilitätspaket erhoben. Dieses Paket besteht aus der Verordnung (EU) 2020/1055, der Verordnung (EU) 2020/1054 sowie der Richtlinie (EU) 2020/1057. Die wesentlichen Eckpunkte betreffen Änderungen im Bereich Markt- und Berufszugang zum gewerblichen Güterkraftverkehr, Neuerungen bei den Lenk- und Ruhezeiten sowie spezielle Entsenderegeln für den Straßenverkehrssektor. 

Die sieben oben angeführten Mitgliedstaaten wendeten sich insbesondere gegen:

  1. das Verbot für Fahrer, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zu verbringen;
  2. die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, die Arbeit ihrer Fahrer so zu planen, dass diese in der Lage sind, während der Arbeitszeit alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte des Unternehmens oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, um dort mindestens ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen;
  3. die Vorverlegung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Verpflichtung zum Einbau intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation sowie allgemein die Festlegung des Zeitpunkts des Inkrafttretens des oben genannten Verbots und der oben genannten Verpflichtung;
  4. die Verpflichtung, wonach Fahrzeuge, die in der grenzüberschreitenden Beförderung eingesetzt werden, alle acht Wochen zu einer der Betriebsstätten im Niederlassungsmitgliedstaat des betreffenden Verkehrsunternehmens zurückkehren müssen;
  5. die Wartezeit von vier Tagen, in der Kraftverkehrsunternehmen nach einem
  6. Kabotage-Zyklus in einem Aufnahmemitgliedstaat nicht berechtigt sind, Kabotage-Beförderungen mit demselben Fahrzeug im selben Mitgliedstaat durchzuführen;
  7. die Einstufung der Kraftfahrer als „entsandte Arbeitnehmer“, wenn sie bestimmte Beförderungen in Kabotage oder im kombinierten Verkehr durchführen, sodass ihnen die im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, zugutekommen. 

Der Gerichtshof bestätigte mit seinem Urteil vom 4. Oktober 2024 weitgehend die Gültigkeit des Mobilitätspakets. Er erklärte jedoch die Verpflichtung für nichtig, wonach die Fahrzeuge alle acht Wochen zur Betriebsstätte des Verkehrsunternehmens zurückkehren müssen, da der Unionsgesetzgeber nicht dargetan hat, dass er über ausreichende Informationen verfügte, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu beurteilen. 

Die Einführung der Rückkehrverpflichtung wurde von uns im Rahmen des EU-Gesetzgebungsverfahrens laufend kritisiert, da sie zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen sowie CO2-Emmissionen verursacht. Wir begrüßen dieses Urteil daher. 

Mag. Victoria Oeser


Publikationen


  • Artur Schuschnigg, Kollektive Rechtsverfolgung • Kollektiver Rechtsschutz, Jan Sramek Verlag
  • Christian Handig, Kommentierung von § 7 f sowie 38 ff UWG, in Wiebe/Kodek [Hrsg], Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, 4. Ausgabe
  • Christian Handig, Grün und lauter – Lauterkeitsrecht im (Klima-)Wandel, ÖBl 2024/46, 160
  • Christian Handig, Produkthaftung rundum erneuert – Die Änderungen durch die neuen ProdukthaftungsRL, ÖJZ 2024/136, 789
  • Christian Handig, Anmerkung zu EuGH 11. 4. 2024, C-723/22, Citadines, ecolex 2024/348 611
  • Christian Handig, Anmerkung zu EuGH 20. 6. 2024, C-135/23, GEMA, ecolex 2024/450
  • Christian Handig, Anmerkung zu EuGH 13. 7. 2022, C-260/22, Seven.One Entertain Group, ecolex 2024/147, 253
  • Christian Handig, Anmerkung zu EuGH 21. 3. 2024, C-10/22, LEA, ÖBl 2024/56, 195
  • Agnes Balthasar-Wach, Zur Bedeutung der Gründe für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts, ZfRV 2024, 153 (zusammen mit Verena Wodniansky-Wildenfeld) 

Veranstaltungen


Vorschau

Cybersecurity in der Lieferkette
4. November 2024, 9:00 - 13:00 Uhr, 
WKÖ, Rudolf Sallinger-Saal, 
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
Anmeldung

XXI. Wettbewerbssymposium – Entwicklungen 2024 – Ausblick 2025
26. November 2024, 09:00 – 13:30 Uhr, 
WKÖ, Rudolf Sallinger Saal
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien 
Anmeldung

Das Labyrinth der Bürokratie - Kann sich unser Wirtschaftsstandort das noch leisten?
9. Dezember 2024, 9:00 – 12:30 Uhr,
WKÖ, Rudolf Sallinger-Saal 
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
Anmeldung

Kooperationsveranstaltung 25 Years Austrian Takeover Act and 20 Years EU Takeover Directive

7. und 8. November 2024, 9:00 - 19:00 Uhr
Bundesministerium für Justiz, Palais Trautson
Museumstraße 7,1070 Wien
Anmeldung

Nachschau

Die EU-Lieferkettenrichtlinie - Bisherige Aktivitäten der WKO und Ausblick 
LieferkettenRL: Gemeinsam mit der Außenwirtschaft und der BSI haben wir am 26.9.2024 ein Webinar zum Thema „Die EU-Lieferkettenrichtlinie - Bisherige Aktivitäten der WKO und Ausblick“ gehalten. Dieses Webinar ist bereits auf der WKO-Nachhaltigkeits-Homepage verfügbar und kann gerne an Mitglieder weitergeleitet werden: Video vom Webinar am 26.9.: Die EU Lieferketten Richtlinie | Rückblick: Supply Chain Summit 2024 vom 20. Juni

Webinar Prävention von Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung
Gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt, dem Bundesministerium für Finanzen und der Bezirkshauptmannschaft Perg haben wir im Vorfeld der anstehenden FATF (Financial Action Task Force)-Prüfung am 2.9.2024 ein Webinar zum Thema Geldwäscheprävention für den Gewerbesektor (Nicht-Finanzsektor) gehalten. Dieses Webinar ist bereits auf der WKO-Abteilung für Rechtspolitik – Homepage verfügbar und kann gerne an die Mitglieder weitergeleitet werden: Video vom Webinar