Das EU-Erweiterungspaket 2024
Europäische Kommission beschließt Erweiterungspaket 2024
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Die EU-Kommission hat ihr jährliches Erweiterungspaket vorgestellt. Der Bericht nimmt Fortschritte im Erweiterungsprozess von insgesamt zehn Staaten - Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Türkei sowie Ukraine, Republik Moldau und Georgien – genauer unter die Lupe.
Das Erweiterungspaket steht laut EK im Zeichen der angespannten geopolitischen Lage. Eine Wiedervereinigung Europas sei daher zwingender als je zuvor und biete wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Vorteile. Die EU-Erweiterung bleibe daher oberste Priorität der Kommission. Der Erweiterungsprozess sei nach wie vor leistungsorientiert und hänge von der Umsetzung grundlegender Reformen in den Kandidatenländern ab. Insgesamt gewann der Erweiterungsprozess auch 2024 an Dynamik, viele Beitrittskandidaten konnten wesentliche Fortschritte erzielen.
Westbalkanländer: ein gemischtes Bild
Albanien und Montenegro werden in den aktuellen Bewertungen besonders positiv hervorgehoben, denn sie konnten wichtige Verhandlungskapitel öffnen (Albanien) und schließen (Montenegro). Auch in Bosnien und Herzegowina sind deutliche Fortschritte zu verzeichnen und so gab der Europäische Rat grünes Licht zur Eröffnung von Verhandlungen. In Nordmazedonien sind jedoch weitere Anstrengungen erforderlich, um wichtige Reformen voranzutreiben. Serbien wird ebenfalls aufgefordert, das Reformtempo zu erhöhen. Der Kosovo hat auf dem Weg in die EU bereits beachtliche Erfolge erzielt, muss aber seine Bemühungen weiter intensivieren.
Fortschritte in der Ukraine und Moldau, Rückschläge in Georgien
Die Ukraine und Moldau haben in kurzer Zeit besonders signifikante Fortschritte bei der Umsetzung von Reformen gemacht. Dies beschleunigt ihren Annäherungsprozess an die EU deutlich. Die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau wurden auf den Regierungskonferenzen im Juni 2024 eröffnet. Im Gegensatz dazu stagniert der Beitrittsprozess in Georgien, da die georgische Regierung Rückschritte in ihrem EU-Kurs verzeichnet. Die Parlamentswahlen Ende Oktober wiesen erhebliche Mängel auf.
Türkei
Weiter Stillstand bei Beitrittsverhandlungen
Besonders Rückschritte in wichtigen Bereichen wie der Rechtsstaatlichkeit werden von der EU im Bericht kritisiert. Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Türkei ein wichtiger strategischer Partner, insbesondere in Fragen der Migration und regionalen Sicherheit.
Die Länder im Detail
Albanien: klare Fortschritte auf dem Weg in die EU
Neuerlich überwiegend positiver Bericht zu Albanien, klare Fortschritte v.a. im Bereich „Fundamentals“, weswegen im Oktober das 1. Cluster mit Albanien eröffnet werden konnte („fundamentals“, demokratische Institutionen, Verwaltungsreform, Rechtstaatlichkeit, öffentl. Vertragsvergabe, Statistik, Finanzkontrolle). Das Reformtempo auf dem Weg in die EU muss aber weiter erhöht werden, insbesonders bei Rechtsstaatlichkeit, Strafverfolgung, Korruptionsbekämpfung und organisierter Kriminalität sowie bei der Förderung von Grundrechten (Medienfreiheit, Eigentumsrechte und Minderheitenrechte).
2009: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
2014: zum Kandidatenland ernannt
2022: Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
• Länderbericht Albanien
• Wirtschaftsbericht Albanien
Bosnien und Herzegowina: greifbare Ergebnisse
Bosnien und Herzegowina hat deutliche Fortschritte erzielt, insbesondere in der Migrationssteuerung und der Angleichung an die EU-Sicherheitsstandards. Zudem wurden Gesetze zur Integrität der Justiz sowie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Interessenkonflikten verabschiedet. Im März 2024 gab der Europäische Rat bekannt, dass Beitrittsverhandlungen mit dem Land beginnen sollen. Die Kommission arbeitet an einem Verhandlungsrahmen, der dem Rat vorgelegt wird, sobald alle empfohlenen Schritte aus Oktober 2022 umgesetzt sind.
2016: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
2022: zum Kandidatenland ernannt
• Länderbericht Bosnien und Herzegowina
• Wirtschaftsbericht Bosnien und Herzegowina
Kosovo: Fortschritte, aber noch Anstrengungen notwendig
Insgesamt positiver Bericht mit Fortschritten in vielen Bereichen. So ist Reformwille bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität erkennbar. Auch die Rahmenbedingungen für Unternehmen haben sich verbessert. Die Visaliberalisierung für das Kosovo trat am 1. Januar 2024 in Kraft. Dennoch muss das Land seine Bemühungen um Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Meinungsfreiheit intensivieren.
2022: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
• Länderbericht Kosovo
• Wirtschaftsbericht Kosovo
Montenegro: wichtige Meilensteine wurden absolviert
Montenegro schloss die wesentlichen Verhandlungskapitel 23 und 24 zur Rechtsstaatlichkeit erfolgreich ab und ist auf dem Weg weitere Verhandlungskapitel vorläufig zu schließen, sofern die Bedingungen dafür erfüllt sind. Im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und des Justizwesens sind weitere Fortschritte erforderlich.
2008: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
2010: zum Kandidatenland ernannt
2012: Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
• Länderbericht Montenegro
• Wirtschaftsbericht Montenegro
Nordmazedonien: Weitere Reformen gefordert
Nordmazedonien muss die EU-relevanten Reformen weiter vorantreiben. Besonders im Justizwesen sind Fortschritte notwendig. Der Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität steht im Fokus. Das Vertrauen in das Justizsystem muss erhöht werden. Im Dezember 2023 wurden die Screening-Sitzungen zu allen sechs Clustern des EU-acquis communautaire abgeschlossen.
2005: zum Kandidatenland ernannt
2022: Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
• Länderbericht Nordmazedonien
• Wirtschaftsbericht Nordmazedonien
Serbien: mehr Reformtempo wird erwartet
Für Serbien stellt die EK in Aussicht, dass aufgrund von Reformen das Kapitel Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum geöffnet werden kann. Nach einer Verlangsamung im Reformtempo in den vergangenen Jahren, erwartet sich die EU Kommission von Serbien, dass das Land kommendes Jahr die Reformen, insgesonders im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Medien, wieder beschleunigt. Serbien muss weitere Anstrengungen unternehmen um gegen Desinformation und ausländische Informationsmanipulation vorzugehen.
2008: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
2010: zum Kandidatenland ernannt
2012: Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
• Länderbericht Serbien
• Wirtschaftsbericht Serbien
Georgien: Stillstand im Beitrittsprozess
Im Dezember 2023 erhielt Georgien den Kandidatenstatus. Doch seither ist der EU-Beitrittsprozess faktisch zum Stillstand gekommen. Am 26. Oktober 2024 fanden in einem angespannten Umfeld Parlamentswahlen statt. Die vorläufigen Ergebnisse der internationalen Wahlbeobachtungsmission zeigten mehrere Mängel auf. Zudem gab es Berichte über Einschüchterung und Druck auf Wähler. All dies hat das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wahlprozess beeinträchtigt. Die vorläufigen Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit einer umfassenden Wahlreform, die bereits in früheren Empfehlungen der EK hervorgehoben wurde.
2022: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
2023: zum Kandidatenland ernannt
• Länderbericht Georgien
• Wirtschaftsbericht Georgien
Republik Moldau: Wichtige Reformen trotz Herausforderungen
Wie die Ukraine erhielt auch die Republik Moldau im Bericht Anerkennung für ihre Reformanstrengungen auf dem Weg in die EU. Trotz der ständigen russischen Einmischung und der Folgen des Angriffs auf die Ukraine bleibt das Land entschlossen. Nach der ersten Regierungskonferenz im Juni 2024 verläuft die analytische Prüfung des acquis communautaire ebenfalls reibungslos. Unter der Voraussetzung, dass die Republik Moldau alle Bedingungen erfüllt, hofft die Kommission, dass die Verhandlungen über die Cluster im Bereich „Fundamentals“ im Jahr 2025 aufgenommen werden können.
2022: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
2022: zum Kandidatenland ernannt
2024: Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
• Länderbericht Moldau
• Wirtschaftsbericht Moldau
Ukraine: wichtige Erfolge und positive Aussichten
Die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine ist eine wichtige Anerkennung für das Land und stärkt die EU-Beitritttsambitionen und den Reformwillen weiter. Die Ukraine zeigt Entschlossenheit, die erforderlichen Reformen für den EU-Beitritt umzusetzen. Nach der ersten Regierungskonferenz im Juni 2024 läuft die Prüfung des acquis communautaire, das sogenannte Screening, reibungslos. Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, plant die EK 2025 Verhandlungen zum Cluster „Fundamentals“ zu beginnen.
2022: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
2022: zum Kandidatenland ernannt
2024: Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
• Länderbericht Ukraine
• Aussenwirtschaft Ukraine
Türkei: Verhandlungen weiter auf Eis
Erneut kritischer Bericht. Die Türkei ist Kandidatenland und wichtiger Partner der EU. Dennoch stocken die Beitrittsverhandlungen seit 2018. Die EK stellt schwerwiegende Mängel in den Bereichen Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit, insbesondere bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz, fest. Der Dialog über Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte bleibt ein zentraler Bestandteil der EU-Türkei-Beziehungen. Nach den strategischen Leitlinien des Europäischen Rates vom April 2024 wurden die Beziehungen zur Türkei schrittweise wiederbelebt. Es wurden konkrete Schritte unternommen, um einen konstruktiven Austausch über gemeinsame Interessen zu fördern.
1987: Antrag auf EU-Mitgliedschaft
1999: zum Kandidatenland ernannt
2005: Aufnahme von Beitrittsverhandlungen
2016: Einfrieren der Beitrittsgespräche
Die WKÖ unterstützt die schrittweise Integration der Westbalkanstaaten in den EU-Binnenmarkt
Die Integration bietet der heimischen Wirtschaft bedeutende Chancen, da die bereits engen Wirtschaftsbeziehungen weiter gestärkt werden können. Österreichische Unternehmen zählen zu den größten Investoren und würden bei einer vertieften Integration in hohem Maße von stabilen Rahmenbedingungen sowie einer Angleichung von Normen und Standards profitieren. Gleichzeitig ist jedoch ein umsichtiges Vorgehen erforderlich: „Qualität vor Schnelligkeit“ sollte zentrales Prinzip bleiben. Viele Länder haben noch erheblichen Reformbedarf im Erweiterungsprozess. Nur unter Voraussetzung stabiler Rahmenbedingungen kann eine erfolgreiche Integration in den EU-Binnenmarkt gewährleistet werden.