Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie), Fachverband

Lebensmittelsicherheit - General Food Law (EG-BasisVO)

General Food Law (EG-BasisVO) - Das europäische Lebensmittelrecht

Lesedauer: 6 Minuten

 

 

 

 

  • Entwicklung 
    Als Reaktion auf die in den letzten 15 Jahren erlebten Krisen im Lebensmittelsektor hat die Europäische Kommission 2002 eine Verordnung für die Schaffung eines neuen europäischen Rechtsregimes für Lebensmittel veröffentlicht (EG-BasisVO zum allgemeinen Lebensmittelrecht; siehe unten). Es ist die Antwort auf den europaweiten Ruf nach einer Neuausrichtung des Lebensmittelrechts:

    Am Beginn des Umbauprozesses stand das Grünbuch zu den "Allgemeinen Grundsätzen des Lebensmittelrechts in der EU". Ihm folgte das Weißbuch zur "Lebensmittelsicherheit". Im Mittelpunkt des Weißbuchs steht die Schaffung eines umfassenden Sicherheitssystems für Lebensmittel, das die gesamte Lebensmittelkette – vom Feld bis auf den Teller – umfassen soll.

    Zur Umsetzung dieses Vorhabens sieht das Weißbuch einen "Fahrplan" mit 84 Einzelmaßnahmen vor. Dazu zählt vor allem die Erlassung der EG-Verordnung "zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit" (Nr. 178/2002) - das General Food Law (EG-BasisVO).

 

  • Prinzipien

    • Lebensmittelkette 
      Mit dem General Food Law (GFL) soll ein umfassendes Sicherheitskonzept für Lebensmittel verwirklicht werden, das die gesamte Lebensmittelkette umfasst: "From the Stable to the Table". In den Regelungsbereich des GFL fallen neben Lebensmitteln auch Futtermittel.
    • Lebensmittelsicherheit 
      Im Vordergrund des neuen Rechtsregimes steht die Lebensmittelsicherheit. Das GFL postuliert als zentrale Anforderung an die Lebens- und Futtermittelsicherheit: Lebens- und Futtermittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden. Als nicht sicher gelten Lebensmittel, wenn sie gesundheitsschädlich oder für den Verzehr durch den Menschen untauglich sind. Futtermittel gelten als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie sich schädlich auf die Gesundheit von Mensch oder Tier auswirken oder bewirken, dass das Lebensmittel, das mit Hilfe des für die Nahrungserzeugung dienenden Tieres gewonnen wird, als nicht sicher für den menschlichen Verzehr anzusehen ist.
    • Verantwortung der Unternehmen
      Die Verantwortung für die Einhaltung der Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit tragen die Lebens- und Futtermittel-Unternehmer. Sie haben unverzüglich Verfahren in Gang zu setzen, um unsichere Lebens- oder Futtermittel vom Markt zu holen, müssen die Behörden und gegebenenfalls den Verbraucher über risikobehaftete Produkte informieren und bei der Risikoabwehr und -vermeidung mit den Behörden zusammenarbeiten.
       
    • Wissenschaftlicher Ansatz
      Zielsetzungen und Entscheidungen im Bereich der Lebensmittelsicherheit sollen künftig auf den wissenschaftlichen Ergebnissen der Risikoanalyse basieren.

 

  • Regelungsschwerpunkte

    • Definitionen 
      Im GFL sind entscheidende Begriffe einheitlich definiert: u.a. Lebensmittel, Futtermittel, Lebensmittelrecht, Lebens- und Futtermittelunternehmen und deren Unternehmer, Endverbraucher.

      Als Lebensmittel werden alle Stoffe oder Erzeugnisse bezeichnet, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen zu werden. Dazu zählen auch Getränke, Kaugummi, alle Stoffe, die dem Lebensmittel absichtlich zugesetzt werden sowie Wasser. Ausgenommen sind Futtermittel, lebende Tiere, Pflanzen vor dem Ernten, Arzneimittel, kosmetische Mittel, Tabak und Tabakerzeugnisse, Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe sowie Rückstände und Kontaminanten (Artikel 2 GFL).

    • Risikoanalyse 
      Zielsetzungen und Entscheidungen im Bereich der Lebensmittelsicherheit sollen künftig auf den Ergebnissen der Risikoanalyse basieren. Die Risikoanalyse ist ein Prozess, der aus drei Einzelschritten besteht:

      - der Risikobewertung,
      - dem Risikomanagement und
      - der Risikokommunikation.

      Die Risikobewertung ist die Identifizierung und Einschätzung eines Risikos. Sie besteht aus vier Teilschritten: der Gefahrenidentifizierung, der Gefahrencharakterisierung, der Expositionsabschätzung und der Risikocharakterisierung. Die Risikobewertung ist die Aufgabe der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit bzw. in Österreich die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

      Das Risikomanagement obliegt den dazu berufenen Entscheidungsträgern. Kommission, Parlament und Rat, aber auch Risikomanager auf mitgliedstaatlicher Ebene, sollen auf der Grundlage des Ergebnisses der Risikobewertung Maßnahmen zur Risikovermeidung oder -beseitigung treffen.

      Die Risikokommunikation ist der Austausch von Informationen und Meinungen zwischen den Risikomanagern und -bewertern sowie mit den Verbrauchern, Herstellern oder anderen Betroffenen. Die Risikokommunikation soll von der Kommission, den Mitgliedstaaten und der Europäischen Lebensmittelbehörde wahrgenommen werden.

    • Vorsorgeprinzip 
      Für den Fall, dass ein Risiko festgestellt wird, wissenschaftliche Daten jedoch nicht ausreichend vorhanden sind, können zur Sicherung des Gesundheitsschutzes - auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips - vorläufige Risikomaßnahmen getroffen werden. Diese müssen verhältnismäßig sein und innerhalb einer angemessenen Frist überprüft werden.

      Die Wahl der vorläufigen Maßnahme richtet sich nach der Art und Schwere des Risikos und kann von der bloßen Verbraucherinformation bis zur Verhängung eines Ausfuhrverbotes (EuGH C-167/96 und C-180/96 - BSE-Urteil) reichen (vgl. Mitteilung der Kommission zur Anwendung des Vorsorgeprinzips, KOM (2000) 1 endg. vom 2.2.2000).

    • Rückverfolgbarkeit 
      Ein zentraler Ansatz im Lebensmittelrecht ist die Rückverfolgbarkeit (Traceability). Damit wird es ermöglicht, im Anlassfall mangelhafte Produkte zuverlässig identifizieren und gezielt vom Markt zu nehmen.

      Rückverfolgbarkeit bedeutet, dass

      - ein Lebens- oder Futtermittel,
      - ein der Nahrungsgewinnung dienendes Tier oder
      - einen Inhaltsstoff

      durch alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen verfolgt werden kann. Man unterscheidet zwischen der produktstromaufwärts (hin zum Ursprung) und der produktstromabwärts (hin zum Endverbraucher) gerichteten Rückverfolgbarkeit.

      Die Lebens- und Futtermittelunternehmer sind verpflichtet, Systeme und Verfahren einzurichten, mit deren Hilfe jede Person, von der sie z.B. ein Lebensmittel erhalten bzw. an die sie ein solches geliefert haben, festgestellt werden kann. Nach den Erläuterungen zum GFL müssen die Unternehmer zumindest ihren unmittelbaren Lieferanten und ihren unmittelbaren Abnehmer für die Rückverfolgbarkeit dokumentieren. Welche Stoffe in welchem Ausmaß über die Mindestanforderungen hinaus rückverfolgt werden sollen, liegt in der Entscheidung des Unternehmers.

      Voraussetzungen für eine effiziente Rückverfolgbarkeit:
      - Festlegung, welcher Stoff in welchem Ausmaß verfolgt werden soll,
      - Identifizierung der zweckdienlichen Datenquellen,
      - Verknüpfung der Daten mit der zur verfolgenden Einheit mittels Codierung (Loskennzeichnung, betriebliche
        Codes, Bar oder Strichcodes),
      - Durchgängigkeit der Datenkette,
      - Kompatibilität der von allen Beteiligten bezogenen und weitergegeben Daten.

      Als Datenquellen für die Rückverfolgbarkeit können etwa folgende Informationen herangezogen werden:
      - Loskennzeichnung 
      - Lebensmittelkennzeichnung 
      - Palettennummer (Strichcodes z.B. EAN-Codes)
      - Gebindekennzeichnung
      - Spezifikationen
      - Lieferschein, Warenbegleitpapiere
      - Buchungsbelege
      - Produktionsaufzeichnungen
      - QS-Aufzeichnungen
      - Auditberichte

      Einzelne Waren lassen sich nicht in allen Fällen vollständig rückverfolgen. Grenzen ergeben sich aus:

      • den angewandten Produktionsmethoden (Wird etwa Getreide in einem Silo gelagert, können die einzelnen Teillieferungen im Gesamtgetreidebestand nicht mehr identifiziert werden.)
      • dem Vorverarbeitungsgrad der Zutaten (Je höher der  Verarbeitungsgrad der Zutaten, desto schwieriger ist deren Rückverfolgbarkeit.)
      • dem Beschaffungsmarkt (z.B. Börsen, Versteigerungen, weltweiter Handel, Bezug aus Drittländern ohne ausreichende technische und personelle Infrastruktur zur Datenerfassung.)


        Nähere Informationen finden Sie auch in den Leitlinien des österreichischen Gesundheitsministeriums.

       

    • Rückverfolgbarkeit von Materialien und Gegenständen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen
      Mit der Rahmenverordnung (EG) Nr. 1935/2004 wurden Bestimmungen zur Rückverfolgbarkeit von Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, festgelegt. Diese sind seit 27. Oktober 2006 anzuwenden. Nach Artikel 17 der Verordnung müssen Unternehmer Systeme und Verfahren einrichten, mit denen ermittelt werden kann, von welchem Unternehmen und an welches Unternehmen die Materialien oder Gegenstände sowie die für deren Herstellung verwendeten Stoffe oder Erzeugnisse bezogen bzw. geliefert wurden.

    • Einfuhr aus Drittstaaten
      In die Gemeinschaft eingeführte Lebens- und Futtermittel müssen

      - den im GFL festgelegten Sicherheitsanforderungen oder
      - den von der Gemeinschaft als gleichwertig anerkannten Bedingungen oder
      - den in zwischenstaatlichen Abkommen enthaltenen Anforderungen entsprechen.

       

    • Ausfuhr in Drittstaaten
      Aus der Gemeinschaft in Drittstaaten ausgeführte Lebens- und Futtermittel müssen den: 
      - im GFL festgelegten Sicherheitsanforderungen oder
      - den in bilateralen Abkommen festgelegten Bedingungen entsprechen,

      sofern die Behörden des Einfuhrlandes nichts anderes verlangen oder die rechtlichen Bestimmungen nicht anderes festlegen. Entsprechen sie nicht den Anforderungen, so können sie nur bei ausdrücklicher Zustimmung der zuständigen Behörden des Einfuhrlandes ausgeführt werden. Gesundheitsschädliche Lebensmittel oder nicht sichere Futtermittel dürfen aber auch bei ausdrücklicher Zustimmung nicht ausgeführt werden.

 

 

  • Auswirkungen des GFL auf das österreichische Lebensmittelrecht 

Die im GFL genannten Prinzipien werden im österreichischen Lebensmittelrecht im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) abgebildet. Der Schwerpunkt liegt verstärkt auf der Eigenkontrolle durch den Unternehmer. Bestehende Kontroll- und Rückverfolgbarkeitssysteme werden - soweit erforderlich - erweitert bzw. reorganisiert.

 

 

Ansprechpartner

 

Stand: 07.01.2022

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