BSI-Obmann Menz: Das Gerücht vom Ende des Industriestandortes…
Kommentar des Obmannes Mag. Sigi Menz
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In den letzten dreißig Jahren war die Industrie die treibende Kraft der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs, vor allem auch ein Stabilitätsanker in Konjunkturschwankungen. Angesichts der gegenwärtigen Krise tauchen leider wieder die Untergangspropheten des Industriezeitalters auf. Statt dieses hohlen Geschwätzes braucht Österreich die rasche Umsetzung kurz-, mittel- und lang-fristiger Maßnahmen zur Absicherung der industriellen Tätigkeit.
Die europäische Industrie hat in den letzten Jahren einerseits einen wichtigen komparativen Vorteil verloren, nämlich die stabile, kostengünstige und relativ umweltfreundliche Versorgung mit Erdgas, und sieht sich andererseits der Herausforderung der größten technologischen Transformation der Geschichte gegenüber, wobei am Weg zur Klimaneutralität leider die Verbote und Kostenbelastungen viel rascher umgesetzt werden als die (ebenfalls versprochenen) Anreize und Unterstützungen. Als Volkswirtschaft mit einer - erfreulich - hohen Industriequote ist Österreich von diesen beiden Herausforderungen naturgemäß überdurchschnittlich betroffen, so wie Österreich von dieser hohen Industriequote über viele Krisenzyklen hinweg profitiert hat.
Während Menschen dank der Industrie umgeben sind von Konsum- und Investitionsgütern, die es vielfach vor zehn oder zwanzig Jahren noch gar nicht gegeben hat, philosophieren sie vom Ende des Industriezeitalters oder zumindest der industriellen Tätigkeit in Europa. Wenn man nur auf das eigene Mobiltelefon blickt, ins neue Auto einsteigt oder moderne Fertigungsmaschinen ansieht, erkennt man sofort die Substanzlosigkeit dieser Aussagen. Was aber sehr wohl passieren kann ist, dass bestimmte Industriestandorte durch standortpolitische Fehler an Bedeutung verlieren. Genau dieser Bedeutungsverlust soll – und kann – durch politische Maßnahmen verhindert werden.
Österreich steckt in der längsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Der entscheidende Impuls, aus dieser Rezession heraus zu finden, wäre ein Anspringen der Industrieinvestitionen. Investitionen werden aber nur getätigt, wenn langfristig Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes besteht. Der erste und wichtigste Beitrag der neuen EU-Kommission und der neuen österreichischen Bundesregierung wäre daher ein deutliches Signal, dass man die standortpolitischen Sorgen ernst nimmt. Mehr über Entlastung (vor allem bürokratische Entlastung!) als über zusätzliche Belastungen zu sprechen wäre einmal ein guter Anfang. Gerade angesichts der verfestigten Investitionszurückhaltung wäre als begleitende Maßnahme eine deutliche Anhebung des Investitionsfreibetrags (IFB) dringend geboten. Gerade der Öko-IFB könnte über den konjunkturellen Impuls hinaus ein wichtiges Mittel der Transformation der Wirtschaft sein – wenn er denn sinnvoller ausgestaltet wäre (Erhöhung, Abschaffung der Deckelung, Ausdehnung der Anwendungsbereiche).
Neben dieser kurzfristig wirksamen Maßnahme müsste in Österreich eine rasche Senkung der Lohnnebenkosten erfolgen, als Ausgleich für die zuletzt massive Verschlechterung der Lohnstückkosten der österreichischen Industrie im Vergleich zu europäischen Mitbewerbern. Hier trägt die österreichische Industrie die Lasten für die überdurchschnittlichen Inflationsraten, und kann darauf nur mit Entlassungen und Verlagerungen reagieren. Um mittelfristig wieder in eine vernünftige, tragfähige Kostenposition im Vergleich mit den Mitbewerbern zu kommen, wären substanzielle Einschnitte bei den Lohnnebenkosten dringend erforderlich. Österreich liegt hinsichtlich der Belastung der Arbeit mit Steuern und Abgaben unter 38 OECD-Ländern an trauriger vierter Stelle: Eine künftige Bundesregierung muss energisch gegensteuern, etwa durch deutliche Absenkung des FLAF-Beitrages und Übernahme der Finanzierung der Familienleistungen aus dem Budget.
Hier wird natürlich der Einwand ansetzen, dass die Lage der Staatsfinanzen in Österreich keine derartigen Schritte erlaube. Dieser Einwand ist dreifach falsch: Erstens ist die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Unternehmen von gesamtwirtschaftlich überragender Bedeutung, da ohne die Wertschöpfung, Beschäftigungswirkung und Steuerleistung der Unternehmen weder eine Budgetsanierung noch eine Energiewende, noch sonst irgend ein politisches Ziel verwirklicht werden kann. Zweitens zeigen Studien von WIFO und EcoAustria ein hohes Maß an Selbstfinanzierung von Senkungen der Lohnnebenkosten. Drittens muss ein zentrales Ziel einer künftigen Bundesregierung darin bestehen, die Abgabenlast insgesamt zu reduzieren – und da wäre die Senkung der Lohnnebenkosten ein wichtiger Bestandteil. Hinsichtlich der Budgetsanierung vertritt die Industrie seit langer Zeit den Standpunkt, dass zuallererst eine Durchforstung der Staatsaufgaben notwendig ist: Noch vor der Steigerung der Effizienz der Verwaltung muss hinterfragt werden, ob bestimmte Verwaltungsakte überhaupt noch zeitgemäß sind; daraus könnte eine bürokratische und finanzielle Entlastung des Staats resultieren, vielfach parallel dazu auch der Unternehmen.
Langfristig entscheidend für die Erhaltung des Industriestandortes Österreich ist selbstverständlich die Innovationskraft. Österreich hat hinsichtlich der Forschungsförderung zur Spitzengruppe der EU-Länder aufgeschlossen, ein großer Erfolg. Aus Sicht der Industrie bleibt hier aber die Schwachstelle, dass das Ausbildungssystem in Österreich zu wenig Anreize für technische Ausbildungen setzt, auf unterschiedlichsten Qualifikationsniveaus. Gerade auch angesichts knapperer öffentlicher Mittel sollten hier von der Politik Prioritäten gesetzt werden, um an österreichischen Ausbildungsstätten jene Fachkräfte hervorzubringen, die mit ihren innovativen Ideen die Leistungsfähigkeit der österreichischen Industrie in den nächsten Jahrzehnten ausbauen können.
Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie