
BSI-Obmann Menz: Positive Signale für den Industriestandort
Kommentar des Obmannes Mag. Sigi Menz
Lesedauer: 4 Minuten
Das Programm der neuen Bundesregierung spricht zentrale Standorthemen an, wie eine Senkung der Lohnnebenkosten und der Energiekosten, verstärkte Anstrengungen bei den Zukunftsthemen Forschung, Innovation und Bildung sowie eine Verfahrensbeschleunigung und Entbürokratisierung. In einzelnen Punkten zeigt sich aber auch, dass die Bundesregierung die aktuell ernste wirtschaftliche Lage zu wenig im Blick hat.
Inhaltsverzeichnis
Die anhaltende wirtschaftliche Rezession in Österreich macht der Industrie zu schaffen. Mittel- und langfristig noch problematischer ist aber, dass der Industriestandort Europa – und hier wiederum insbesondere der Industriestandort Österreich – in den letzten Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat. Jüngste Schritte auf europäischer Ebene und zahlreiche Punkte im Programm der neuen österreichischen Bundesregierung geben zumindest eine gewisse Hoffnung, dass von politischer Seite die Dramatik der Situation verstanden wird. Rasche und wirksame Maßnahmen müssen nun aber auch wirklich unverzüglich getroffen werden.
Der kräftige Anstieg der Lohnkosten und die Erhöhung der Energiekosten haben innerhalb kurzer Zeit die Position vieler österreichischer Industrieunternehmen im internationalen Wettbewerb erheblich verschlechtert. Die österreichische Industrie fordert daher eine rasche und spürbare Senkung der Lohnnebenkosten und Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten, insbesondere die Umsetzung der Strompreiskompensation. Hinsichtlich der Lohnnebenkosten sieht die Bundesregierung zwar die Notwendigkeit einer Senkung, verschiebt aber aus budgetären Gründen den Einstieg in entsprechende Maßnahmen auf die zweite Hälfte der Legislaturperiode. In Bezug auf die Energiekosten sollen zwar zahlreiche sinnvolle, strukturelle Maßnahmen gesetzt werden, konkrete Termine fehlen aber. Eine Regierung, die die Probleme kennt aber nicht rasch handelt, ist für die mit existenzbedrohenden Kostensteigerungen konfrontierte Industrie absolut keine Hilfe. Die österreichische Industrie wird daher weiterhin vehement darauf drängen, dass es zu einer zeitnahen Lohnnebenkostensenkung sowie einer raschen Umsetzung der Strompreiskompensation kommen wird. Die vorübergehenden budgetären Mehrkosten stehen in keinem Verhältnis zu den drohenden Verlusten an Wertschöpfung, Beschäftigung und Steueraufkommen, wenn Unternehmen aufgrund der Verschiebung der Maßnahmen ihre Produktion an andere Standorte verlagern oder überhaupt aus dem Markt ausscheiden.
Das Regierungsprogramm setzt sich kein Ziel einer Senkung der hohen Steuer- und Abgabenquote. Ein solches Ziel wäre wünschenswert gewesen, angesichts der budgetären Probleme ist der Verzicht auf eine solche Festlegung aber verständlich. Umso mehr müsste es aber auch kurzfristig möglich sein, innerhalb des derzeitigen Einnahmenvolumens des Staates Umschichtungen so durchzuführen, dass essenzielle Maßnahmen – wie eben im Bereich der Lohnnebenkosten und der Energiekosten – nicht auf die lange Bank geschoben werden.
Ein erfreulich konkretes Ziel ist die geplante Steigerung der Forschungsquote auf über vier Prozent des BIP bis zum Jahr 2030. Dazu finden sich im Regierungsprogramm auch wichtige Zusagen, etwa hinsichtlich der Sicherung der Forschungsprämie. Die Industrie, die den Großteil der Forschungsmittel in Österreich aufbringt, wird sich im Forschungsbereich finanziell und mit ihrem Know-how gerne einbringen. Ein wesentlicher Punkt ist, dass das Regierungsprogramm sich grundsätzlich zur Technologieneutralität bei der Regulatorik bekennt – dies kann auch eine Unterstützung für den F&E-Bereich darstellen. Das Regierungsprogramm behält erfreulicher Weise im Auge, dass zuletzt vielfach der Fachkräftemangel ein Engpass für zusätzliche Forschungsaktivitäten war; künftig soll eine Verbesserung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für ausländische Fachkräfte und eine bestmögliche Mobilisierung des inländischen Fachkräftepotentials helfen. Auch hier muss aber beachtet werden, dass Unternehmen einen Euro nicht mehrfach ausgeben können: Eine rasche Abhilfe bei Lohn- und Energiekosten würde den finanziellen Spielraum für Unternehmen im Bereich von Forschung, Entwicklung und Innovation entscheidend stärken.
Unabhängig von aktuellen Herausforderungen bleibt eine Forderung der Industrie seit Jahren immer aktuell: Die Verminderung der Bürokratie. Aus Sicht der Industrie ist und bleibt unverständlich, warum das Bekenntnis zu dieser Entlastung zwar regelmäßig in Regierungsprogrammen auftaucht, dann aber die Summe der bürokratischen Hürden immer weiter anwachsen. Auch diesmal ist die Deregulierung und Entbürokratisierung im Regierungsprogramm breit vertreten. Nachdem von entsprechenden Maßnahmen nicht nur Unternehmen profitieren, sondern vor allem auch die Kosten der staatlichen Verwaltung reduziert werden können, ist diesmal zu hoffen, dass das Diktat der leeren Staatskassen den Umsetzungseifer stärkt. Konkrete Überlegungen finden sich im Regierungsprogramm insbesondere hinsichtlich Verfahrensbeschleunigungen bei Genehmigungsverfahren. Ebenfalls konkret sind Überlegungen zu einer Vermeidung von Mehrfachmeldungen derselben Daten, was durch eine weitere Digitalisierung der Verwaltung erreicht werden soll. Die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Bürokratieabbau sowie die Erstellung eines jährlichen Bürokratieberichts sind sinnvolle Maßnahmen, die ein neuerliches Versanden der guten Vorsätze verhindern können.
Das Regierungsprogramm enthält zahlreiche weitere, aus Sicht der Industrie überaus sinnvolle Punkte (beispielsweise zur Wasserstoffstrategie) und übt in anderen Bereichen einen begrüßenswerten Verzicht (wie etwa bei den vermögensbezogenen Steuern). Nur punktuell sollen staatliche Mittel als aktueller Konjunkturimpuls eingesetzt werden: Anstehende (Hoch-) Bauprojekte sollen insbesondere in den Gemeinden vorgezogen werden, um so eine entsprechende Stärkung der Nachfrage zu erreichen. Dies ist aus Sicht der Industrie zu begrüßen, wobei zu hoffen ist, dass die öffentliche Verwaltung die Planung und Einleitung dieser Projekte tatsächlich beschleunigen und rasch in Umsetzung bringen kann. Eine rasche Umsetzung von Projekten – und damit eine optimale konjunkturstärkende Wirkung – wäre jedenfalls gegeben, wenn man finanzielle Anreize setzt, um die Investitionszurückhaltung der Unternehmen zu überwinden. Die standortpolitisch positiven Signale der Politik sollten unverzüglich begleitet werden durch eine deutliche Anhebung des Investitionsfreibetrags (IFB). Aufgrund vergangener Erfahrung kann man davon ausgehen, dass Investitionsprämien besonders wirksam und rasch wirken – sie fehlen im Regierungsprogramm völlig. Der Öko-IFB könnte über den konjunkturellen Impuls hinaus ein wichtiges Mittel der Transformation der Wirtschaft sein – wenn er denn sinnvoller ausgestaltet wäre (Erhöhung, Abschaffung der Deckelung, Ausdehnung der Anwendungsbereiche).
Die positiven Signale des Regierungsprogramms müssen rasch auch in der Realität ankommen. Entschlossenes Handeln der Regierung stärkt das Vertrauen in den Standort und unterstützt damit die Bereitschaft, Investitionen in Österreich durchzuführen. Die österreichische Industrie wird Bemühungen der Regierung um eine Verbesserung der Standortqualität nach Kräften unterstützen, nicht nur weil diese für die Industrie selbst entscheidend sind, sondern weil dadurch die Weichen für eine positive Entwicklung des Wohlstands in Österreich gestellt werden.

Obmann der Bundessparte Industrie