Sparte Industrie

Clean Industrial Deal: Schritt in die richtige Richtung

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 5 Minuten

17.03.2025

Die Europäische Kommission hat jüngst den „Clean Industrial Deal“ vorgelegt. Dieser Plan soll die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie stärken und gleichzeitig das Tempo der Dekarbonisierung in der EU erhöhen. Die grundsätzliche Zielrichtung ist zu begrüßen, entscheidend sind nun die Art und die Konsequenz der Umsetzung.

Inhaltsverzeichnis

Der von der Europäischen Kommission beauftragte Draghi-Bericht hat im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft dringend erforderlich sind. Die neue EU-Kommission hat infolge dieses Berichts angekündigt, innerhalb der ersten 100 Tage ihrer Amtszeit entsprechende Initiativen vorzulegen. Erste Schritte sind nun erfolgt, indem einerseits Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen von Bürokratie vorgelegt wurden (Details dazu: Nachhaltigkeitsberichterstattung: Das Omnibus Paket) und andererseits grundsätzliche Ideen und erste konkrete Vorschläge zu einer industrieverträglichen Umsetzung der Dekarbonisierungsziele der Europäischen Union.

Der Clean Industrial Deal ist eine Art von Rahmenplan, der von 2025 bis 2027 insgesamt 40 legislative und (überwiegend) nicht-legislative Vorschläge der EU-Kommission vorsieht. Als erste Teile des Gesamtplans wurde ein Plan für leistbare Energie („Affordable Energy Action Plan“) ebenso vorgelegt wie ein Vorschlag zur Vereinfachung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus („Carbon Border Adjustment Mechanism“ / CBAM).

Senkung der Energiekosten

Gegenwärtig haben europäische Unternehmen international klare Wettbewerbsnachteile, da sie gegenüber Mitbewerbern in anderen Regionen höhere Energiekosten haben. Als Gegenstrategie sieht die EU-Kommission einerseits eine Stärkung des Energiebinnenmarktes und andererseits eine beschleunigte Steigerung des Anteils elektrischer Energie am gesamten Energieeinsatz. Genannt wird hier ein Ziel von 32 % Elektrifizierungsrate im Jahr 2030, also ein Anstieg um rund zehn Prozentpunkte. Bei der elektrischen Energie wiederum sieht die EU-Kommission massive Ansatzpunkte von Kostensenkungen sowohl bei den Energiekosten im engeren Sinn als auch bei den Netzentgelten sowie den Steuern und Abgaben.

Gleichzeitig sollen Investitionen in saubere Energie angeregt und insbesondere durch eine radikale Verkürzung der Genehmigungszeiten für Projekte für erneuerbare Energien und Energieinfrastruktur beschleunigt werden. Nicht zuletzt durch diese Investitionen soll nicht nur das Angebot an sauberer Energie erhöht, sondern auch die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Ein erhöhtes Energieangebot und eine verbesserte Versorgungssicherheit sollen Preisschwankungen reduzieren.

Diese Vorschläge sind grundsätzlich sinnvoll und begrüßenswert. Sie sind aber keineswegs neu, und auf Papier leichter herbeizuschreiben als in der Realität zu verwirklichen. Die EU-Kommission rechnet mit einem Potenzial für Kostenreduktionen bei einer vollständigen Verwirklichung des Energiebinnenmarkes von 40 Mrd. Euro pro Jahr (möglich ab 2030) und ein laufend ansteigendes Potenzial für Kostenreduktionen durch Produktion sauberer Energie von anfänglich 45 Mrd. Euro pro Jahr, steigend auf bis zu 260 Mrd. Euro pro Jahr im Jahr 2040.

Zur Erreichung dieser Ziele sind massive Investitionen notwendig. Zwar kündigt die EU-Kommission eine Erhöhung der Mittel zur Unterstützung der Transformation an, aber ein beträchtlicher Teil der Förderungen wird aus nationalen Fördertöpfen kommen müssen (deren Einsatz von der EU liberalisiert werden soll). Ebenso müssen die nationalen Haushalte die finanziellen Ausfälle verkraften, wenn dem Vorschlag reduzierter Steuern und Abgaben auf elektrische Energie gefolgt wird. Vor allem angesichts der bereits heute angespannten Budgetlage in vielen Ländern sind folglich viele Finanzierungsfragen offen. Bedauerlicherweise schreckt die EU-Kommission davor zurück, Mittel aus dem Kohäsions- und Strukturfonds massiv in Richtung der Förderung sauberer Energieerzeugung umzuleiten: Mit diesem Schritt könnte die finanzielle Kraft des Wandels wesentlich gestärkt werden – und es wäre ein Zeichen, dass Kommission und Mitgliedstaaten mit ungeteilter Aufmerksamkeit hinter dem Programm stehen.

Für die Industrie ergibt sich aus einem forcierten Programm zum Ausbau der (sauberen) Energieerzeugung und der Netzinfrastruktur naturgemäß ein entsprechendes Geschäftspotenzial. Wenn gleichzeitig Genehmigungsverfahren verkürzt und vereinfacht werden, kann hier ein spürbarer Impuls für die europäische Industrie entstehen. Bewusst ist hier von der „europäischen Industrie“ die Rede, denn das Programm enthält auch ein klares Bekenntnis zur Bevorzugung europäischer Produkte: Eine der wenigen Kennzahlen, die genannt werden, ist ein erwünschter Anteil europäischer Produkte von 40 % an „clean tech“ Produkten am EU-Markt.

Europa und die Welt

Eine große Herausforderung besteht darin, den Handel zwischen Europa und dem „Rest der Welt“ in einer fairen Weise aufrecht zu erhalten: Zwischen (europäischen) Unternehmen, die strikten Klimaschutzkriterien unterliegen, und Unternehmen, die diesbezüglich keine oder deutlich geringere Auflagen erfüllen müssen. Zu diesem Zweck wurde der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) geschaffen, dessen Administrierung aber aufwendig ist. Die EU-Kommission hat daher wesentliche Änderungen vorgeschlagen, die kleinere Importeure (mit einem CBAM-Schwellenwert von unter 50 Tonnen) aus der Regelung ganz ausnehmen und für alle Unternehmen administrative Vereinfachungen vorsehen. Gleichzeitig wird seitens der EU-Kommission angestrebt, den Mechanismus treffsicherer zu machen und Umgehungen zu verhindern. Aus Sicht der Industrie ist eine CBAM-Überarbeitung tatsächlich sinnvoll und notwendig.

Die EU-Kommission setzt sich zum Ziel, zusätzlich zu bestehenden und neuen Handelsabkommen auch sogenannte „Clean Trade and Investment Partnerships“ (CTI) ins Leben zu rufen. Bei diesen Abkommen geht es auch um Zugang zu Drittmärkten für europäische Unternehmen, im Mittelpunkt soll aber der Zugang zu wichtigen Rohstoffen und zu sauberer Technologie und Energie stehen. Außerdem soll in solchen Verträgen die Zusammenarbeit bei der Entwicklung sauberer Technologien geregelt werden. Grundsätzlich sieht die Industrie solche Handelsabkommen als positiv, allerdings sind praktische Fragen, etwa hinsichtlich des Zugangs von Unternehmen außerhalb des „green-tech“ Bereichs, ungeklärt. Generell wichtig wäre, dass die EU auch das Recht erhält, sogenannte „EU-only“ Handelsabkommen abzuschließen, bei denen die EU als eigenständiger und ausschließlicher Vertragspartner auftritt, sodass eine Ratifizierung durch alle Mitgliedsländer entfällt.

Kritische Rohmaterialien, die – nicht nur, aber in verstärktem Maße – für grüne Technologien notwendig sind, sollen künftig noch stärker im Rahmen der Kreislaufwirtschaft recycelt werden, um die Abhängigkeit von Drittstaaten zu reduzieren. Aus diesem Grund findet sich unter den wenigen angegebenen Zielwerten eine Verdoppelung der Kreislaufmaterialnutzungsquote auf 24% bis zum Jahr 2030. Dieses Anliegen, das unter dem Gesichtspunkt der strategischen Absicherung sicherlich sinnvoll ist, wird nicht ohne zusätzliche Kostenbelastung umsetzbar sein.

Insgesamt weist der Clean Industrial Deal in eine sinnvolle Richtung, geht aber diese Richtung nur in sehr kleinen Schritten. Während das Bemühen um regulatorische Vereinfachungen und Entbürokratisierung zumindest teilweise greifbar wird, ist insbesondere die in wenigen Jahren avisierte Steigerung der Produktion an sauberer Energie mit großen finanziellen, technischen und organisatorischen Fragezeichen versehen. Die Vornahmen sind überaus ambitioniert und gerade die nur so sparsam konkretisierten Ziele lassen Zweifel an der Realisierung weiter steigen. Die Investition in und Produktion von sauberer Energie zu günstigen Preisen wäre letztlich der entscheidende Schritt, um tatsächlich die beiden Ziele – industrielle Wettbewerbsfähigkeit und weitgehende Dekarbonisierung – zu erreichen. Gelingt dies nicht, ist zumindest eines der Ziele unerreichbar. Auf jeden Fall wird der Versuch ein Extramaß an Anstrengung auf europäischer und nationaler Ebene erfordern, nicht nur in den ersten 100 Tagen der Amtszeit.

Autor:

Mag. Andreas Mörk
E-Mail: andreas.moerk@wko.at

 

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