Industriestandort Österreich verliert an Konkurrenzfähigkeit
Informationen der Bundessparte Industrie
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Die österreichische Industrie ist zwar auch mit einem schwachen Konjunkturumfeld konfrontiert, die weit größeren und gefährlicheren Herausforderungen liegen aber im strukturellen Bereich: hohe steuerliche und bürokratische Lasten, ein dauerhaft gestiegenes Niveau der Energiekosten und ein gewaltiger Anstieg der Lohnstückkosten beeinträchtigen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie.
Infolge extremer Inflationsraten in Österreich mussten in den vergangenen Jahren hohe Kollektivvertragsabschlüsse eingegangen werden. Nach dem deutlichen Rückgang der Inflation im Jahr 2024 zeigt sich nun, dass Österreich in den letzten Jahren das höchste reale Wachstum der Kollektivvertragslöhne aller OECD-Länder aufzuweisen hat, mit einem doppelt so hohen Zuwachs wie Deutschland. Damit hat sich Österreich hinsichtlich der Arbeitskosten (in der Herstellung von Waren) noch näher an die absolute europäische Spitze herangeschoben.
Die für den Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit besonders relevanten Lohnstückkosten sind in Österreich in den letzten Jahren exorbitant angestiegen und weisen, laut einer Untersuchung des WIFO, die ungünstigste Entwicklung aller vergleichbaren Volkswirtschaften auf. Besonders kritisch ist die deutliche Verschlechterung gegenüber dem gewichteten Durchschnitt aller österreichischen Handelspartner.
Diese Verschlechterung ist deswegen dramatisch, weil Österreich als kleine, offene Volkswirtschaft in einem hohen Maße von seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit abhängig ist. Exporte sind vor allem für die Industrie von existenzieller Bedeutung: Österreichische Industrieunternehmen erzielen im Durchschnitt rund zwei Drittel ihrer Umsätze im Ausland. Eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit auf Auslandsmärkten hat daher unmittelbare und gravierende Auswirkungen auf Wertschöpfung, Einkommen und Beschäftigung in Österreich.
In der medialen Berichterstattung haben zuletzt einzelne Großinsolvenzen im Industriebereich starke Beachtung gefunden. Gesamtwirtschaftlich aussagekräftiger sind aber die aggregierten Zahlen aus der Konjunkturstatistik und die Arbeitsmarktdaten. Hier zeigt sich die Breite der Probleme: Die neuesten Schätzungen für das Jahr 2024 gehen von einem Schrumpfen der Industrie um 4,5 % aus, nachdem schon im Jahr zuvor ein Rückgang zu verzeichnen war; auch 2025 soll es (laut letzter WIFO-Prognose) zu keinem Wachstum kommen. Nachdem die Unternehmen lange versucht haben ihren Mitarbeiterstand zu halten, setzte im Laufe des vergangenen Jahres ein mehr und mehr zunehmender Abbau von Beschäftigten in einer Vielzahl von Industrieunternehmen ein – mit dem Ergebnis, dass per Jahresende die Arbeitslosenzahl (laut AMS) im Industriebereich um 15, 1 % über dem Wert des Vergleichszeitpunkts des vorangegangenen Jahres lag; somit übertrifft der Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Industrie alle anderen Wirtschaftsbereiche.
Obgleich die eigenen Zahlen für einen breiten Zugang zur Kurzarbeit in der Industrie sprechen, wird deren Genehmigung vom AMS mit faktisch unerfüllbaren Zugangsvoraussetzung verhindert. Daher sind gegenwärtig in Österreich nur rund 30 Personen in Kurzarbeit (vor allem aufgrund des Hochwassers im Herbst). Die letztverfügbaren Zahlen für Deutschland (September 2024) weisen hingegen eine Zahl an Kurzarbeitenden von etwa 268.000 aus. Die Industrie wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass auch in Österreich (wieder) ein funktionierendes Kurzarbeitsmodell mit einheitlichen, transparenten und realistischen Zugangsvoraussetzungen implementiert wird.
Kurzarbeit kann und soll aber immer nur ein Kriseninstrument sein. Das grundsätzliche Ziel muss darin bestehen, die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich, und damit die Grundlage für die internationale Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Industriebetriebe, dauerhaft zu sichern. Aufgrund der dramatischen Situation der Entwicklung der Lohnstückkosten müssen in diesem Bereich rasche und wirksame Maßnahmen erfolgen. Eine solch schlagartige Verschlechterung kann durch laufende Maßnahmen zur Verbesserung der Produktivität seitens der Unternehmen nicht – oder jedenfalls nicht kurz- oder mittelfristig – kompensiert werden.
Die Bundessparte Industrie vertritt daher die Ansicht, dass hier ein Eingreifen der Politik erforderlich ist: Politische Entscheidungen haben die massiven Preisschübe der letzten Jahre und die überdurchschnittliche Inflationsentwicklung in Österreich begünstigt. Die zwangsläufig folgenden Erhöhungen bei den Arbeitskosten sind folglich politisch induzierte Kostenschübe, und sollten daher auch durch politische Maßnahmen wieder kompensiert werden. Ein wesentlicher, schnell umsetzbarer, nachhaltig wirksamer und im europäischen Ländervergleich längst überfälliger Schritt wäre eine wesentliche Reduktion der Lohnnebenkosten. Seitens der Industrie liegen entsprechende Vorschläge auf dem Tisch, die einerseits kleinere Anpassungen bei mehreren Positionen vorsehen, andererseits aber vor allem auch eine vollständige Änderung der Finanzierungsgrundlage bei völlig sachfremden (und weltweit einzigartigen) Lohnnebenkostenbestandteilen (wie dem Familienlastenausgleichsfonds).
Die Industrie wird diese Forderung gegenüber der Politik mit Nachdruck, auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Koalitionsverhandlungen, vertreten. Der vorhandene Konsolidierungsbedarf des Bundesbudgets kann dabei nicht als Argument dienen, die notwendigen Anpassungsschritte im Bereich der Lohnnebenkosten zu unterlassen: Gerade die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Industrie auf internationalen Märkten ist nämlich nicht nur Garant für Wertschöpfung, Einkommen und Beschäftigung, sondern auch für einen wesentlichen Teil der Steuerleistung in Österreich.
Autor:
Mag. Andreas Mörk
E-Mail: andreas.moerk@wko.at