Sparte Industrie

Gasversorgung: Herausforderung für Politik und Unternehmen

Lesedauer: 3 Minuten

11.03.2023

Die Versorgung mit ausreichender Energie ist für die Aufrechterhaltung von Produktion und Lebensqualität von entscheidender Bedeutung. Die Industrie hat sehr rasch nach Ausbruch der Ukraine-Krise über Notfallspläne für den Fall eines Lieferstopps bei Erdgas nachgedacht und entsprechende Strategien erarbeitet. Spät aber doch beginnt sich auch die Politik konstruktiv einzubringen.

Eine Umfrage der BSI unter mehr als 60 Unternehmen aus zehn Branchen hat ergeben, dass der überwiegende Teil der industriellen Hauptprozess kurz- und mittelfristig aus rein technischen Gründen nicht mit einem anderen Energieträger als Gas betrieben werden kann. Wer „alte“ Dual-Brenner und die dafür noch nötigen Betriebsanlagengenehmigungen hat, ist oft schon aus Kostengründen in den letzten Monaten auf Heizöl ausgewichen. Doch nur wenige Betriebe verfügen über solche Möglichkeiten. Die Mehrzahl der gasbetriebenen Anlagen stammt aus der Zeit nach 2000, Kesselkörper oder Wärmetauscher halten den Belastungen der Befeuerung mit Heizöl nicht mehr stand.

Jene Betriebe, die mit einigem Aufwand eine technische „Rückrüstung“ realisieren könnten, stehen aber auch anderen Herausforderungen gegenüber: Technisches Equipment hat sehr lange Lieferfristen, Bewilligungen werden nicht einfach, die Investitionskosten sind hoch.

Nicht energieintensive Betriebe haben oft schon – ganz unabhängig von den jüngsten Ereignissen - begonnen, im Niedertemperaturbereich auf Alternativen wie Wärmepumpen, Elektrifizierung oder Biomasse umzusteigen. Doch auch hier erhöht die Nachfrage die Lieferzeiten, punktuell hört man von Staus bei behördlichen Baubewilligungen. Alle mittel- und langfristigen Dekarbonisierungsprojekte der Industrie helfen ad hoc nicht bei allfälligen Gas-Knappheiten.

Gerade weil alternative, erneuerbare Energieträger nicht, noch nicht und/oder nicht immer ausreichend zur Verfügung stehen, wurde in den letzten Jahren stark auf die Verwendung von Erdgas gesetzt, als umweltfreundliche Brückentechnologie. Die Folge davon ist die heute gegebene Abhängigkeit vom Erdgas. Die Europäische Union hat am 18. Mai 2022 ein Paket unter dem Namen RePowerEU vorgelegt, das versucht die Realität des gegenwärtigen Energiebedarfs mit dem politischen Wunsch einer möglichst raschen Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu verbinden.

Erstes Kernstück des Paketes ist die Beschleunigung des Einsatzes erneuerbarer Energieträger. Die ohnedies ambitionierten Ziele im Rahmen des „Green Deal“ sollen noch einmal beschleunigt werden, wobei die EU hier unterstützend auch zusätzlich finanzielle Mittel einsetzen will. Wichtiger ist aber, dass die EU Projekte im Bereich der erneuerbaren Energie, der Energiespeicherung und der Energieübertragung offenbar generell mit rascheren Genehmigungsverfahren umgesetzt sehen will. Damit greift die EU eine Forderung auf, die seitens der österreichischen Industrie seit langer Zeit mit Nachdruck vorgebracht wird.

Der beschleunigte Umstieg auf alternative Energieträger ist, ebenso wie das Heben von Energiesparpotenzialen, trotz allem Einsatz zusätzlicher Mittel und bürokratischer Erleichterung für entsprechende Investitionen, letztlich doch eine längerfristige Lösung. Schon rascher wirken kann der Versuch gemeinsamer europäischer Anstrengungen um eine Diversifizierung der Bezugsquellen von Energieträgern. Dabei handelt es sich aber sowohl mengenmäßig als auch technisch um eine gewaltige Herausforderung; zudem wird der Preis der neu bezogenen Mengen höher sein.

Die kurzfristige Lösung besteht darin, noch mehr Gas dort zu kaufen, wo man nicht mehr kaufen möchte: In Russland. Dadurch sollen möglichst rasch und vollständig die Speicher in Europa aufgefüllt werden. Die EU-Länder unterstützen ein geplantes Gesetz für verpflichtende Gasreserven in der EU, um die Energieversorgung im nächsten Winter zu sichern. Das Gesetz sieht vor, dass die Gasreserven dieses Jahr bis zum 1. November zu 80 Prozent gefüllt sein sollen, und in den nächsten Jahren zum gleichen Stichtag zu 90 Prozent. Im aktuellen Textvorschlag des französischen Ratsvorsitzes wurde auch auf Kernanliegen Österreichs eingegangen: einerseits beschränkt sich im Vorschlag die kapazitätsbasierte Speicherpflicht auf jene Speicheranlagen, die sich auf eigenem Territorium befinden, direkt ans inländische Gasnetz angebunden sind und hauptsächlich für die Inlandsversorgung genutzt werden. Andererseits wurde eine Obergrenze bei 35% des durchschnittlichen Inlandsverbrauchs der letzten fünf Jahre hinzugefügt.

Österreich ist in der besonderen Lage, 100% des Erdgasjahresverbrauchs einlagern zu können; im Schnitt können andere EU-Staaten rund 25% einlagern. Eine 90-%-Einspeicherquote wäre demnach mit außerordentlich hohen Kosten verbunden und könnte zu künstlichen Preisspitzen führen, was wiederum einen Nachteil für die Gasverbraucher bedeuten würde. Auch die seitens der Kommission fixierten, monatlichen Einspeichervorgaben könnten künstliche Preisspitzen verursachen, was höhere Energiepreise für Industrie und Haushalte zur Folge hätte. Auch das Parlament hatte seine Position schon festgelegt, die Verhandlungen im Trilog sind weit fortgeschritten, damit das Gesetz rechtzeitig zum Winter in Kraft tritt.

Diese Ideen basieren gegenwärtig noch darauf, dass Russland weiterhin Gas liefert und die vorhandenen Leitungen durch die Ukraine benützbar bleiben. Sollte kurzfristig Russland beschließen, die Lieferungen auszusetzen, scheint eine Befüllung der Speicher nicht in ausreichender Menge möglich. In Österreich liegt der Speicherstand bei gegenwärtig rund 25%, was für vier bis fünf (Sommer-) Monate ausreicht.

Autoren:

DI Oliver Dworak
E-Mail: oliver.dworak@wko.at

Mag. Richard Guhsl
E-Mail: richard.guhsl@wko.at

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