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Versand- und Internethandel, Berufsgruppe

Die neue EU-Produkt­sicherheits­verordnung (GPSR): Pflichten der einzelnen Wirtschafts­akteure

Die Pflichten im Detail 

Lesedauer: 9 Minuten

Für den Fall, dass für Ihre Produkte keine Harmonisierungsvorschrift besteht, geben wir Ihnen im Folgenden einen Überblick welche Pflichten Sie, abhängig davon welcher Wirtschaftsakteur Sie sind, zu befolgen haben und welche Sicherheitsanforderungen an nicht harmonisierte Produkte gestellt werden. 

Allgemeine Sicherheitsanforderungen (Artikel 5 bis 8)

Nach dem allgemeinen Sicherheitsgebot (Art. 5) dürfen nur sichere Produkte in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden.  

Bei der Bewertung, ob es sich bei einem Produkt um ein sicheres Produkt handelt, sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: 

  • die Eigenschaften des Produkts, u.a. seine Gestaltung, seine technischen Merkmale, seine Zusammensetzung, seine Verpackung, die Anweisungen für seinen Zusammenbau sowie ggf. für seine Installation, Verwendung und Wartung.  
  • Einwirkung des Produkts auf andere Produkte mit denen es bei ordnungsgemäßem Gebrauch denklogisch in Kontakt/Verbindung kommt.  
  • Aufmachung, Etikettierung, Altersbeschränkung für Kinder, Warnhinweise und Anweisungen für den sicheren Gebrauch und die Entsorgung.
  • Unterscheidung nach Verbraucherkategorie (Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen).  
  • Erscheinungsbild des Produkts, wenn es mit anderen Produkten, insbesondere mit Lebensmitteln, verwechselt werden kann.  
  • Beurteilung nach möglichen Cybersicherheitsrisiken. 

Die Sicherheit eines Produkts wird vermutet, wenn es mit den anwendbaren europäischen Normungsstandards gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 oder in Ermangelung solcher Standards, mit nationalen Vorschriften konform ist (Art 7). 

Bei der Bewertung der Sicherheit sind darüber hinaus insbesondere folgende Elemente zu berücksichtigen (Art 8): Internationale Normen, internationale Übereinkünfte, freiwillige Zertifizierungssysteme, Empfehlungen oder Leitlinien der Kommission, nationale Normen der Mitgliedstaaten, Verhaltenskodizes etc.

Pflichten des Herstellers (Artikel 9) 

  • Herstellung sicherer Produkte: Produkte sind gemäß den allgemeinen Sicherheitsanforderungen herzustellen (Abs 1).
     
  • Risikoanalyse und Dokumentationspflichten: Durchführung einer internen Risikoanalyse, Erstellung technischer Unterlagen zum Produkt und Bewertung der sicherheitsrelevanten Eigenschaften (Abs 2).

  • Aufbewahrung technischer Unterlagen: Die technischen Unterlagen sind 10 Jahre für die Marktüberwachungsbehörden aufzubewahren (Abs 3).

  • Anbringen von Informationen am Produkt: Es ist eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer anzubringen. Zudem müssen Hersteller ihren Namen, ihren eingetragenen Handelsnamen oder ihre eingetragene Handelsmarke, ihre Postanschrift und ihre E-Mail-Adresse sowie, falls abweichend, die Postanschrift oder die E-Mail-Adresse der zentralen Anlaufstelle an, unter der sie kontaktiert werden können. Diese Informationen sind am Produkt selbst anzubringen. Sollte das Produkt dafür zu klein sein, sind die Informationen auf der Verpackung oder an einer dem Produkt beigefügten Unterlage anzubringen (Abs 5 und 6).

  • Beifügen von klaren Anweisungen und Sicherheitsinformationen: Dem Produkt sind klare Anweisungen und Sicherheitshinweise beizufügen. Diese Informationen sind in leicht verständlicher und in der vom Mitgliedstaat festgelegten Sprache bereitzustellen (Abs 7). Dies ist nicht erforderlich, wenn das Produkte auch ohne Anweisungen und Sicherheitshinweise sicher und wie vom Hersteller vorgesehen verwendet werden kann.
     
  • Ergreifen von Maßnahmen bei gefährlichen Produkten: Schaffung von Abhilfemaßnahmen, wenn der Hersteller Hinweise hat, dass sein Produkt gefährlich ist (Korrekturmaßnahmen, Produktrückrufe, Information an Verbraucher, Information an Marktüberwachungsbehörden) (Abs 8).

  • Bei Sicherheitsproblemen Lieferkette informieren: Die Hersteller informieren alle anderen Wirtschaftsakteure innerhalb der Lieferkette (Händler, Einführer, Online-Marktplatzbetreiber) über mögliche Sicherheitslücken (Abs 10).

  • Einrichten von Beschwerdekanälen: Die Hersteller haben öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle (z.B. Telefonnummern, E-Mail-Adressen oder Website-Rubriken) für Verbraucher einzurichten, über die Beschwerden eingereicht und Sicherheitsprobleme mit Produkten gemeldet werden können (Abs 11).

  • Internes Beschwerdeverzeichnis und Verzeichnis über ergriffene Korrekturmaßnahmen: Hersteller führen Verzeichnis über eingelangte Beschwerden, Produktrückrufe und vorgenommene Korrekturmaßnahmen (Abs 12).

Pflichten des Bevollmächtigten (Artikel 10)

Ein Hersteller kann durch einen schriftlichen Auftrag einen Bevollmächtigten benennen. Dieser nimmt bestimmte Aufgaben, die im Auftrag festgelegt sind, im Namen des Herstellers wahr.  Der Bevollmächtigte hat den Marktüberwachungsbehörden auf Verlangen eine Kopie des Auftrags vorzulegen.  

Der Bevollmächtigte muss mindestens die folgenden Aufgaben im Namen des Herstellers übernehmen. Diese Aufgaben müssen im Auftrag festgelegt sein.  

  • Übermittlung von Unterlagen an die Behörde: Der Bevollmächtigte hat auf begründetes Verlangen einer Marktüberwachungsbehörde alle zum Nachweis der Sicherheit des Produkts erforderlichen Informationen und Unterlagen an die Behörde in einer für diese Behörde verständlichen Amtssprache zu übermitteln.

  • Information an den Hersteller bei potenzieller Gefährlichkeit des Produkts: Der Bevollmächtigte hat, sofern er der Auffassung ist oder Grund zu der Annahme hat, dass es sich bei einem fraglichen Produkt um ein gefährliches Produkt handelt, den Hersteller davon zu unterrichten.

  • Unterrichtung der Behörden über ergriffene Korrekturmaßnahmen: Der Bevollmächtigte hat die zuständigen nationalen Behörden über alle Maßnahmen zur Beseitigung der Risiken, die mit Produkten verbunden sind, welche unter seinen Auftrag fallen, durch eine Meldung im Safety-Business-Gateway zu unterrichten, sofern die Informationen nicht bereits vom Hersteller oder auf Anweisung des Herstellers bereitgestellt wurden.

  • Zusammenarbeit mit den Behörden: Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen der zuständigen nationalen Behörden mit ihnen bei allen Maßnahmen zur Beseitigung der Risiken auf wirksame Weise zusammenzuarbeiten, die mit Produkten verbunden sind, welche unter seinen Auftrag fallen. 

Pflichten des Einführers (Artikel 11)

  • Überprüfungspflicht: Der Einführer stellt sicher, dass das allgemeine Sicherheitsgebot (Art. 5) eingehalten wurde. Der Einführer überprüft,  
    • die technischen Unterlagen, die der Hersteller erstellt hat
    • ob eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer am Produkt selbst, oder wenn dies nicht möglich ist, auf der Verpackung oder einer beigefügten Unterlage, angebracht ist
    • ob Informationen über den Hersteller (Name, eingetragener Handelsname bzw. eingetragene Handelsmarke, Anschrift und elektronische Adresse des Herstellers) am Produkt selbst, oder wenn dies nicht möglich ist, auf der Verpackung oder einer beigefügten Unterlage, angebracht sind   

  • Nicht-Inverkehrbringen bei Nichtkonformität: Wenn der Einführer nach dieser Überprüfung der Auffassung ist oder Grund zur Annahme hat, dass das Produkt nicht konform ist, darf er es nicht in Verkehr bringen, bevor die Konformität hergestellt ist.  Handelt es sich um ein gefährliches Produkt, hat der Einführer außerdem unverzüglich den Hersteller darüber zu informieren und sicherzustellen, dass die Marktüberwachungsbehörden über das Safety-Business-Gateway davon unterrichtet werden. 

  • Anbringen von Informationen über den Einführer am Produkt: Der Einführer gibt seinen Namen, seinen eingetragenen Handelsnamen oder seine eingetragene Handelsmarke, seine Postanschrift und seine E-Mail-Adresse an, unter der er kontaktiert werden kann. Diese Informationen werden auf dem Produkt selbst oder, wenn dies nicht möglich ist, auf der Verpackung oder in einer beigefügten Unterlage angebracht. Die Herstellerinformationen dürfen dabei nicht verdeckt werden.  

  • Prüfung, ob Anweisungen oder Sicherheitsinformationen beigefügt sind: Der Einführer stellt sicher, dass der Hersteller dem eingeführten Produkt klare Anweisungen und Sicherheitsinformationen in einer Sprache beigefügt hat, die für die Verbraucher leicht verständlich ist und die der Mitgliedstaat festlegt, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird. Ausnahme: Das Produkt kann ohne solche Anweisungen und Sicherheitsinformationen sicher und wie vom Hersteller vorgesehen verwendet werden.

  • Lagerungs- oder Transportbedingungen: Der Einführer muss dafür sorgen, dass die Lagerung und der Transport die Sicherheit des Produkts nicht beeinträchtigen.  

  • Bereithalten der technischen Unterlagen des Herstellers: Der Einführer hat die Kopie der technischen Unterlagen, die der Hersteller erstellt hat, für einen Zeitraum von 10 Jahren ab dem Inverkehrbringen des Produkts für die Marktüberwachungsbehörden bereitzuhalten und sicherzustellen, dass er den Behörden die Unterlagen auf Verlangen vorlegen kann.

  • Zusammenarbeit mit den Marktüberwachungsbehörden und dem Hersteller, um die Sicherheit der Produkte zu gewährleisten

  • Vorgehensweise bei gefährlichen Produkten: Wenn ein Einführer feststellt, dass es sich bei dem eingeführten Produkt um ein gefährliches Produkt handelt, unterrichtet er den Hersteller, ergreift Korrekturmaßnahmen, unterrichtet die Verbraucher und erstattet über Safety-Business Gateway eine Meldung an die Marktüberwachungsbehörden  

  • Prüfung, ob der Hersteller funktionierende Kommunikationskanäle eingerichtet hat, damit Verbraucher bei Sicherheitsproblemen mit dem Produkt Kontakt mit dem Hersteller aufnehmen können. Stehen solche Kanäle nicht zur Verfügung, dann muss der Einführer solche einrichten.  

  • Internes Beschwerdeverzeichnis und Verzeichnis über ergriffene Korrekturmaßnahmen: Die Einführer überprüfen eingelangte Beschwerden und nehmen diese Beschwerden sowie Produktrückrufe und vorgenommene Korrekturmaßnahmen in das interne Verzeichnis des Herstellers auf (gemeinsamer Zugriff) oder führen darüber ein eigenes Verzeichnis.  Die Einführer kommunizieren die Ergebnisse der Überprüfung der Beschwerden umgehend an den Hersteller, Händler, Online-Marktplatz etc.  

Beispiel: Verbraucher meldet, dass vom Produkt eine bestimmte Gefahr ausgeht. Einführer prüft diese Beschwerde und kommt zu dem Ergebnis, dass Korrekturmaßnahmen ergriffen werden müssen. Er unterrichtet den Hersteller, die Händler und Online-Marktplätze darüber und hält sie auf dem Laufenden. 

Pflichten des Händlers (Artikel 12)

  • Überprüfungspflicht:  
    • Händler prüfen, ob Hersteller und Einführer ihre Daten am Produkt selbst, auf der Verpackung oder in einer Begleitunterlage angegeben haben.
    • Händler prüfen, ob eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer am Produkt selbst, auf der Verpackung oder in einer Begleitunterlage angegeben ist.
    • Händler prüfen, ob dem Produkt Anweisungen und Sicherheitsinformationen beigefügt sind. Diese Informationen müssen in einer Sprache bereitgestellt sein, die für den Verbraucher leicht verständlich ist und die der Mitgliedsstaat, in dem das Produkt auf dem Markt bereitgestellt wird, vorgegeben hat. Ausnahme: Das Produkt kann ohne solche Anweisungen und Sicherheitsinformationen sicher und wie vom Hersteller vorgesehen verwendet werden. 

  • Nicht-Inverkehrbringen bei Nichtkonformität: Wenn der Händler nach dieser Prüfung der Auffassung ist oder Grund zur Annahme hat, dass das Produkt nicht konform ist, darf er es nicht in Verkehr bringen, bevor die Konformität hergestellt ist.  Handelt es sich um ein gefährliches Produkt, hat der Händler außerdem unverzüglich den Hersteller bzw. den Einführer darüber zu informieren und sicherzustellen, dass die erforderlichen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden und die Marktüberwachungsbehörden über das Safety-Business-Gateway davon unterrichtet werden.
     
  • Lagerungs- oder Transportbedingungen: Der Händler muss dafür sorgen, dass die Lagerung und der Transport die Sicherheit des Produkts nicht beeinträchtigen und die Informationen am Produkt bzw. die Sicherheitshinweise in der Begleitunterlage lesbar bleiben/nicht verloren gehen. 

Weitere Bestimmungen der Wirtschaftsakteure

  • Interne Verfahren zur Umsetzung der Verordnung: Die Wirtschaftsakteure müssen sicherstellen, dass sie interne Verfahren haben, um die Anforderungen dieser Verordnung zu erfüllen.  

  • Zusammenarbeit mit den Marktüberwachungsbehörden: Die Wirtschaftsakteure müssen eng mit den Marktüberwachungsbehörden bei Maßnahmen zusammenarbeiten, durch welche Risiken, die von den Produkten ausgehen, beseitigt oder gemindert werden können. Die Wirtschaftsakteure stellen den Marktüberwachungsbehörden auf deren Verlangen alle erforderlichen Informationen zur Verfügung.
    Darunter fallen:  
    • Informationen über vom Produkt ausgehende Risiken und damit in Zusammenhang stehende Beschwerden bzw. bekannte Unfälle sowie ergriffene Korrekturmaßnahmen zur Beseitigung/Minderung des Risikos (10 Jahre Aufbewahrungspflicht)
    • Informationen zur Rückverfolgbarkeit des Produkts: Lieferantendaten und Kundendaten (6 Jahre Aufbewahrungspflicht).  
  • Verantwortliche Person: Ein Produkt darf nur in Verkehr gebracht werden, wenn es eine in der EU ansässige verantwortliche Person gibt.
     
  • Die Kommission soll den Wirtschaftsakteuren umfassende Informationen für die Durchführung der Produktsicherheitsverordnung zur Verfügung stellen.

  • Rückverfolgung von Produkten, die ein Gesundheitsrisiko darstellen: Für Produkte, die ein Risiko für die Gesundheit darstellen, sieht Art. 18 besondere Rückverfolgbarkeitsanforderungen vor. 

Informationspflichten im Fernabsatz (Artikel 19)

Die Produktsicherheitsverordnung sieht neue Informationspflichten vor, wenn ein Produkt, das unter die Verordnung fällt, online oder über eine andere Form des Fernabsatzes (z.B. per E-Mail) auf dem Markt bereitgestellt wird.  

Das Produktangebot (z.B. im Onlineshop) muss künftig folgende eindeutige und gut sichtbare Angaben enthalten:  

  1. Informationen über den Hersteller: Das Produktangebot muss den Namen, den eingetragenen Handelsnamen oder die eingetragene Handelsmarke des Herstellers sowie die Postanschrift und die E-Mail-Adresse, unter denen der Hersteller kontaktiert werden kann, enthalten.
     
  2. Zusätzliche Informationen über den Verantwortlichen (falls der Hersteller keine Niederlassung in der EU hat): Falls der Hersteller nicht in der Union niedergelassen ist, muss zusätzlich der Name, die Postanschrift und die E-Mail-Adresse der verantwortlichen Person angegeben werden. Gemäß der Marktüberwachungsverordnung (2019/1020) muss es für jedes in der EU angebotene Produkt eine verantwortliche Person in der Union geben. Bei diesem Verantwortlichen kann es sich um einen Bevollmächtigten, einen EU-(Erst)Importeur von Drittlandswaren oder um einen Fulfilment-Dienstleister handeln.

  3. Informationen über das Produkt: Das Produktangebot muss Angaben enthalten, die die Identifizierung des Produkts ermöglichen. Dazu zählen jedenfalls eine Abbildung des Produkts (Produktbilder), die Art des Produkts und sonstige Produktidentifikatoren.
     
  4. Warnhinweise und Sicherheitsinformationen: Zudem sind etwaige Warnhinweise oder Sicherheitsinformationen im Produktangebot anzuführen, die nach der Produktsicherheitsverordnung selbst oder nach sonstigen EU-Vorschriften (sog. „Harmonisierungsrechtsvorschriften“) vorgeschrieben sind. Bei den Warnhinweisen bzw. Sicherheitsinformationen handelt es sich um Angaben, die der Hersteller am Produkt selbst, der Produktverpackung oder in einer Begleitunterlage anbringen muss. Diese Informationen müssen auch im Online-Angebot enthalten sein, und zwar in einer Sprache, die für Verbraucher leicht verständlich ist.

Da diese Informationen eindeutig und gut sichtbar sein müssen, sollten diese Angaben direkt im Produktangebot enthalten sein.  

Weitere Informationen

Stand: 08.08.2024