Auf blauem Hintergrund sieht man einen Einkaufswagen, in den vier Kartons mit der Aufschrift Online-Shopping und dem Symbol eines Einkaufswagens abgebildet sind. Daneben liegt eine Lupe.
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E-Commerce Rechtsfrage #11: Irrtümliche falsche Preisauszeichnung im Onlineshop: Dürfen Unternehmer Bestellungen aufgrund der irrtümlichen Auszeichnung eines zu niedrigen Preises stornieren?

Lesedauer: 7 Minuten

16.12.2024

Es kommt immer wieder vor, dass Produkte im Internet zu außergewöhnlich niedrigen Preisen angeboten werden. Im Regelfall möchte der Onlineshop-Betreiber das Produkt tatsächlich zum Schnäppchenpreis verkaufen. Allerdings kann es auch vorkommen, dass ein Online-Shop versehentlich einen falschen Preis angibt oder ein technischer Fehler bei der Preisdarstellung auftritt. 

Der Kunde freut sich über das Schnäppchen, der Online-Händler macht ein Verlustgeschäft:

Bestellt ein Kunde eine Ware, deren Preis irrtümlich zu niedrig ausgezeichnet wurde, so stellt sich die Frage, ob der Onlineshop-Betreiber zu diesem Preis liefern muss oder ob er die Bestellung aufgrund des Irrtums in der Preisauszeichnung stornieren kann. In diesem Beitrag erläutern wir, unter welchen Umständen sich ein Händler von Bestellungen, welchen ein Preisfehler des Händlers zugrunde liegt, lösen kann.

Wie kommt es zu einer falschen Preisauszeichnung im Onlineshop?

Preisfehler können verschiedene Ursachen haben, beispielsweise durch Tippfehler bei der Preisangabe, das Verrutschen einer Kommastelle oder durch technische Störungen im Onlineshop.

Ein solcher Preisfehler kann für Unternehmen zu erheblichen finanziellen Verlusten führen. Daher stellt sich die entscheidende Frage, ob ein verbindlicher Vertrag zu dem irrtümlich angegebenen Preis zustande kommt.

Wann kommt es im Onlineshop zum Vertragsabschluss?

Wesentlich für die Frage, ob der Unternehmer die Bestellung stornieren kann, ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

Grundsätzlich kommt ein Vertrag durch Angebot und Annahme zustande. Für Vertragsabschlüsse über einen Onlineshop gibt es allerdings eine Besonderheit zu beachten: Die im Shop angebotenen Produkte stellen eine sogenannte „invitatio ad offerendum“ dar, also eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots.

Erst die Bestellung des Kunden stellt das Angebot im Rechtssinne dar. Der Kunde erklärt dabei, die Ware zum angegebenen Preis kaufen zu wollen. Der Kaufvertrag kommt erst zustande, wenn der Händler dieses Angebot annimmt. Mit anderen Worten: Durch die Bestellung des Kunden alleine kommt noch kein verbindlicher Vertrag zustande. Erst die Annahme der Bestellung durch den Onlinehändler führt zum Vertragsabschluss.

Wie kann die Bestellung durch den Online-Händler angenommen werden?

Die Annahme der Bestellung kann auf verschiedene Weise erfolgen. Im Regelfall wird in den AGB des Onlineshops geregelt, wie die Annahme der Bestellung erfolgt.

Der Webshop-Betreiber kann die Bestellung einerseits durch eine Erklärung (z.B. Vertragsbestätigung bzw. Auftragsbestätigung) annehmen.

Ob der Vertrag bereits durch die Empfangsbestätigung, mit der der Onlineshop-Betreiber den bloßen Eingang der Bestellung zwingend bestätigen muss, zustande kommt, hängt maßgeblich vom Inhalt der Empfangsbestätigung ab und kann somit nicht pauschal beantwortet werden.

Formulierungen wie „Wir nehmen Ihre Bestellung dankend an und werden Ihren Auftrag unverzüglich ausführen“ sollten in der Empfangsbestätigung vermieden werden, da sie als Annahmeerklärung gewertet werden können.

Soll die Empfangsbestätigung nicht automatisch zur Annahme der Bestellung führen, empfiehlt sich folgende Formulierung: „Ihre Bestellung ist bei uns eingegangen und wird schnellstmöglich bearbeitet. Der Vertrag kommt erst nach Annahme unsererseits durch [Art der Annahme] zustande.“ Eine Empfangsbestätigung mit diesem Wortlaut stellt keine Annahme der Bestellung dar, sodass noch kein Vertrag zustande gekommen ist.

Andererseits kann die Bestellung auch durch eine Handlung angenommen werden. Oftmals wird in den AGB geregelt, dass die Annahme der Bestellung durch faktisches Versenden der Ware (konkludente Annahme) erfolgt.

In beiden Fällen – Annahme durch Versenden einer Auftragsbestätigung oder durch faktisches Versenden der Ware – behält sich der Onlineshop-Betreiber eine angemessene Frist vor, innerhalb derer er das Angebot des Verbrauchers annehmen kann.

Anderes gilt, wenn der Kunde eine Sofortbezahlmethode wählt und der Webshop-Betreiber den Kunden sofort nach Abschluss der Bestellung zum Zahlungsanbieter weiterleitet bzw. zur Vorabüberweisung auffordert (z.B. Vorkasse, Sofortüberweisung, Abbuchung vom PayPal-Konto).  Nach der deutschen Rechtsprechung ist die Zahlungsaufforderung an den Kunden als stillschweigende Annahmeerklärung zu verstehen, sodass im Zeitpunkt der Weiterleitung des Kunden zur Eingabe der Zahlungsdaten der Vertrag gültig zustande kommt. Die bloße Reservierung – nicht Abbuchung - des Kaufpreises (z.B. auf einer Kreditkarte) stellt noch keine Annahme der Bestellung dar.

Wurde noch keine Auftragsbestätigung oder die Ware versendet und hat der Kunde auch keine Sofortbezahlmethode ausgewählt, so ist mangels Annahme der Bestellung durch den Onlineshop-Betreiber noch kein Vertrag zustande gekommen. Erkennt der Online-Händler noch vor der Annahme der Bestellung, dass ihm ein Fehler in der Preisauszeichnung unterlaufen ist, so kann er die Bestellung problemlos ablehnen, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Welche Möglichkeiten haben Online-Händler, wenn die Bestellung des Kunden, der ein Preisfehler zugrunde liegt, angenommen wurde?

Wird die falsche Preisauszeichnung erst nach der Vertragsannahme festgestellt, könnte der Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen wegen Irrtums gem. § 871 ABGB angefochten werden.

Dabei ist zunächst zu klären, ob es sich um einen beachtlichen Erklärungsirrtum oder einen unbeachtlichen Motivirrtum handelt.

Ein unbeachtlicher Motivirrtum liegt beispielsweise vor, wenn der Kaufpreis falsch berechnet wurde (Kalkulationsirrtum) oder eine veraltete Preisliste im Onlineshop verwendet wurde. Ein Motivirrtum ist unbeachtlich und berechtigt nicht zur Auflösung bzw. Anpassung des Vertrages.

Ein beachtlicher Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Onlinehändler unbewusst etwas anderes erklärt, als er eigentlich erklären wollte. Ein solcher Erklärungsirrtum kann daher vorliegen, wenn der Preis versehentlich falsch eingegeben wurde, technische Fehler bei der Anzeige aufgetreten sind oder ein fehlerhafter Datentransfer durch die Software stattgefunden hat. Nur ein beachtlicher Erklärungsirrtum kann – bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen – zur Auflösung des Vertrages führen.

Beispiel: A verkauft über ihren eigenen Onlineshop Elektrogeräte. Anlässlich des Black Friday möchte sie das neue Modell eines Smartphones von 1.100€ auf 900€ reduzieren. Dabei vergisst sie eine Null, sodass das Handy im Onlineshop zu einem Preis von 90€ ausgezeichnet ist. A wollte 900€ erklären, hat aber versehentlich 90€ erklärt.

Liegt ein beachtlicher Erklärungsirrtum vor, so berechtigt dieser alleine noch nicht zur Anfechtung bzw. Anpassung des Vertrages. Es muss zusätzlich mindestens eine der folgenden Voraussetzungen (Alternativvoraussetzungen) vorliegen, damit der Vertrag wegen Irrtums aufgelöst bzw. angepasst werden kann: 

  1. Offenbar-Auffallen-Müssen: Der Irrtum des Online-Händlers hätte dem Kunden bei verkehrsüblicher Sorgfalt auffallen müssen bzw. er hätte davon Verdacht schöpfen müssen. Wenn z.B. ein Laptop, der am Markt üblicherweise zum Preis von 1.000€ verkauft wird, für 10€ angeboten wird, so muss einem durchschnittlichen Kunden bei verkehrsüblicher Sorgfalt auffallen, dass es sich dabei nur um einen Fehler in der Preisauszeichnung handeln kann. Der Kunde darf sich somit nicht darauf verlassen, dass der Vertrag tatsächlich zu diesem Preis zustande kommt. Der Verkäufer kann sich zusätzlich auf den Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 914 ABGB berufen. 

  2. Rechtzeitige Aufklärung: Informiert der Händler den Kunden über den Preisfehler, bevor dieser im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages rechtliche oder wirtschaftliche Dispositionen getroffen hat, so hat der Händler den Irrtum rechtzeitig aufgeklärt und ist somit berechtigt, den Vertrag aufzulösen bzw. anzupassen. Wurde vom Kunden z.B. bereits Zubehör für den Laptop bestellt, war die Aufklärung nicht mehr rechtzeitig. Ganz geringfügige Ausgaben bleiben dabei jedoch außer Betracht (RIS-Justiz RS0016221).

Eine wirksame Irrtumsanfechtung hat zur Folge, dass der Vertrag rückwirkend aufgehoben wird. Bereits geleistete Zahlungen des Kunden müssen gem. § 877 ABGB rückerstattet werden. 

Eine andere Möglichkeit ist die Vertragsanpassung.

Ist der Irrtum (über den Preis) für beide Vertragsteile unwesentlich und wäre der Vertrag auch mit anderem Inhalt - im konkreten Fall zu einem anderen Preis - abgeschlossen worden, ist auch eine Vertragsanpassung möglich. Ob ein Irrtum wesentlich oder unwesentlich ist, ist danach zu beurteilen, ob der Vertrag bei Wegdenken des Irrtums gar nicht (Anfechtung und anschließende Rückabwicklung des Vertrages) oder nur mit anderem Inhalt (entsprechende Anpassung des Vertrages) abgeschlossen worden wäre. 

Beispiel: A (Verkäufer) hätte den Laptop auch um 800€ verkauft und B (Käufer) hätte den Laptop auch um 800€ gekauft. Der Irrtum ist unwesentlich und der Kaufpreis wird auf 800€ angepasst. 

Wäre der Vertrag bei Kenntnis der wahren Umstände - des richtig ausgezeichneten Kaufpreises – gar nicht abgeschlossen worden oder kann im Zuge der Vertragsanpassung kein Konsens erzielt werden, ist eine Vertragsanpassung ausgeschlossen und nur eine Aufhebung nach §871 ABGB möglich. Keinem Vertragsteil darf ein Vertrag aufgezwungen werden, den er nie abgeschlossen hätte.

Beispiel: A (Verkäufer) hätte den Laptop zwar nicht um 90€, aber sehr wohl um 500€ verkauft. B (Käufer) ist zwar bereit, einen höheren Kaufpreis zu bezahlen, er möchte aber maximal 400€ ausgeben. Es kann kein Konsens erzielt werden, sodass der Vertrag nur angefochten und rückabgewickelt werden kann (Irrtumsanfechtung). 

Tipps 

  • Regelungen zum Vertragsabschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aufnehmen: Stellen Sie sicher, dass in Ihren AGB klar definiert ist, auf welche Weise die Bestellung angenommen wird und wie der Vertrag zustande kommt.
  • Korrekte Formulierung der Empfangsbestätigung: Vermeiden Sie Formulierungen in Ihrer Empfangsbestätigung, die als Vertragsannahme gewertet werden können, wie z.B. „Wir nehmen Ihre Bestellung dankend an und werden Ihren Auftrag unverzüglich ausführen“. Eine Formulierung der Empfangsbestätigung, die nicht automatisch zur Annahme der Bestellung führt, wäre: „Ihre Bestellung ist bei uns eingegangen und wird schnellstmöglich bearbeitet. Der Vertrag kommt erst durch den Versand der Ware zustande.“
  • Rechtzeitige Kommunikation mit dem Kunden: Sollte es trotz aller Vorsicht zu einem Vertragsabschluss gekommen sein, informieren Sie den Kunden schnellstmöglich über den Preisfehler.
  • Dokumentation aller Schritte: Dokumentieren Sie alle Schritte, die Sie unternehmen, insb. die Kommunikation mit dem Kunden. Dies hilft, falls es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommt.

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