"Die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet!"
Eine Expedition in die „Arbeitswelten heute und morgen“ – so auch der Titel – unternahm am Dienstagabend die Volkswirtschaftliche Gesellschaft Kärnten mit WK-Präsident Jürgen Mandl, IV-Präsident Timo Springer, ÖGB-Chef LAbg. René Willegger und Siegfried Huber, Präsident der Landwirtschaftskammer Kärnten.
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32-Stunden-Arbeitswoche, Work-Life-Balance, zehntausende offene Stellen: Die Arbeitswelt ist im Wandel. Wo Eltern und Großeltern noch gewohnt waren, Persönliches oft hintanzustellen und beruflichen Verpflichtungen den Vorrang einzuräumen, dominiert heute das Prinzip yolo: „you only live once“. Und dieses Leben soll zwar schon auf einem signifikant hohen Wohlstandslevel stattfinden, aber möglichst wenig mit stupider Erwerbsarbeit zu tun haben. Wenn überhaupt, soll Arbeit der Selbstverwirklichung dienen wertschätzend, sauber, nicht anstrengend und top bezahlt sein, aber höchstenfalls vier Tage pro Woche in Anspruch nehmen.
Eine Vorstellung, die Jürgen Mandl, Unternehmer und Präsident der Wirtschaftskammer Kärnten, definitiv nicht teilt. Die Bruttoinvestitionen seien seit zwei Jahren im Sinkflug, die Exporte würden dahindümpeln, aufgrund hoher Energiepreise und Lohnabschlüsse würden die Lohnstückkosten in Österreich am unteren Ende der EU liegen. Mandls Bestandsaufnahme ist bitter: „Kärnten hat eine hohe Verschuldung und kann sich daher nicht die Freiheit erlauben, notwendige Investitionen in den Arbeitsmarkt oder in die Infrastruktur im selben Ausmaß zu tätigen wie andere Bundesländer oder Staaten.“
Der Standortcheck zeige, dass Österreich – und damit auch Kärnten - bei wichtigen Schlüsselindikatoren (Inflation, BIP-Wachstum, Investitionen, F&E-Quote, Inlandsnachfrage, Staatsschulden etc.) in allen Bereichen in den vergangenen Jahren zurückgefallen sei, bei vielen sogar im letzten Drittel der EU liege. Mandls Appell: „Diese Ausgangssituation müssen wir dramatisch verändern. Die Wettbewerbsfähigkeit entscheidet: Wenn wir sie verlieren – und heute wird sie den Kindern schon im Sport aberzogen, um Frustrationserlebnisse zu vermeiden - und nicht wieder zu einer Leistungsgesellschaft werden, dann werden wir uns den heutigen Standard in Zukunft einfach nicht mehr leisten können.“ Als eine der größten Gefahren bezeichnete Mandl den demografischen Wandel: „In einer guten konjunkturellen Phase haben wir in Kärnten 6000 offene Stellen gehabt, die Vollerwerbstätigkeit ist in den vergangenen Jahren um zehn Prozent zurückgegangen. Und Kärnten ist das einzige Bundesland, dessen Bevölkerung langfristig schrumpft.“
Eine Bedrohung, die auch der Industrie bewusst ist. „Uns gehen die Arbeitskräfte aus“, mahnte IV-Präsident Timo Springer. Das Erwerbspotential sinke bis 2040 um 50.000 15- bis 64-Jährige, man kämpfe mit einem gesellschaftlichen Wertewandel, der Digitalisierung und der Energiewende. Während die Industrie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suche, die „hochkompetent in einem flexiblen Umfeld“ einsetzbar seien, beginne das Problem schon in der Pflichtschule, die 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit gravierenden Problemen in Deutsch, Englisch und Mathematik verlassen würden. Springers Fazit: „Weniger arbeiten, mehr verdienen, mehr Freizeit – diese Quadratur des Kreises wird nicht funktionieren!“
Sehr lebens- und praxisnah beurteilte der ehemalige Schlosser, Betriebsrat und nunmehrige Kärntner ÖGB-Vorsitzende und Landtagsabgeordneter René Willegger die Lage: „Wir überschlagen uns darin, die Arbeit jeden Tag schlecht darzustellen, und wundern uns dann, warum niemand mehr in der Produktion, in der Bildung, in der Pflege arbeiten will. Wir müssen positive Aussichten geben, sonst werden die Menschen nicht mitgehen!“ Von den massiven Veränderungen der Arbeitswelt in der Landwirtschaft sprach LWK-Präsident Siegfried Huber: „Wo früher zehn Leute waren, bist du heute allein am Hof.“ Er warnte ausdrücklich davor, die Auswirkungen der Umweltveränderungen und Unwetter vor allem im Oberkärntner Raum zu unterschätzen: „Die Hänge kommen!“
Eine facettenreiche Diskussion unter der Leitung von Krone-Redakteur Felix Justich schloss den Abend im ehrwürdigen Festsaal der Wirtschaftskammer Kärntenunter der eloquenten Moderation von Herwig Draxler, Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung der WK und Geschäftsführer der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Kärnten, ab.