"Corona-Krise wird keine neue Bankenkrise auslösen"
BKS-Vorstandsvorsitzende Herta Stockbauer sieht durch die Corona-Krise den heimischen Produktionsstandort als Zukunftsmodell. Im Interview spricht sie über die Abwicklung des Corona-Hilfsfonds und darüber, was Unternehmen jetzt in Angriff nehmen sollten.
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Frau Dr. Stockbauer, zu Beginn eine private Frage: Wie geht es Ihnen gerade und wie gehen Sie privat mit der COVID-19-Krise um
Herta Stockbauer: Vielen Dank, meiner Familie und mir geht es sehr gut. So wie allen anderen auch fehlt mir der persönliche Kontakt in meiner großen Familie, zu meinen Freunden, aber insbesondere zu den Mitarbeitern der BKS Bank. Die vielen Online-Meetings ersetzen das persönliche Miteinander nicht.
Die Wirtschaft trifft die Krise besonders hart. Der Corona-Hilfsfonds ist rund 15 Milliarden Euro schwer. Wie läuft die Abwicklung über die Hausbank?
Wir bearbeiten derzeit sehr viele Anträge für Überbrückungskredite und Stundungen, unsere Förderexperten sind quasi rund um die Uhr im Einsatz, um für unsere Kunden die besten Möglichkeiten zu finden. Zur möglichst raschen Abwicklung haben wir unsere internen Prozesse stark vereinfacht. Aber in vielen Fällen ist eine Abstimmung mit den Förderstellen nötig, auch gewisse Prüfprozesse sind nach wir vor durchzuführen. Ein taggleiches Auszahlen ist daher nicht möglich. In der Regel sprechen wir aber nur von wenigen Tagen, die es dauert, bis das Geld verfügbar ist.
Mit welchen Problemen klopfen Unternehmen jetzt besonders oft an Ihre Türe?
Viele Unternehmen hatten durch den Lockdown mehrere Wochen hinweg keine oder deutlich geringere Umsätze als sonst - bei weiterlaufenden Kosten. Andere - und dazu zählen auch viele Industriebetriebe - kämpfen damit, dass die Lieferketten nicht wie gewohnt funktionieren. Handelsbetriebe fürchten, dass sie die Frühjahrsware nur zu reduzierten Preisen verkaufen können, gleichzeitig ist bereits für den Herbst einzukaufen. Andere, wie Autohäuser, rechnen damit, dass Kaufentscheidungen auf nächstes Jahr verschoben werden. Es ist in manchen Branchen, wie beispielsweise dem Tourismus, auch noch nicht abschätzbar, wie sich die kommenden Monate tatsächlich entwickeln werden. Besonders hart trifft es auch die Künstler und Eventbranche, da größere Veranstaltungen wohl noch länger untersagt bleiben werden beziehungsweise mit den geltenden Abstandsregeln nicht profitabel durchgeführt werden können.
Was raten Sie Unternehmen, die aufgrund der derzeitigen Situation in Zahlungsschwierigkeiten gekommen sind?
Nutzen Sie unbedingt die gebotenen Beratungsmöglichkeiten. Wir Banken haben einen sehr guten Überblick, welche Förder- und Garantieangebote speziell für Corona geschaffen wurden. Auch Kurzarbeit kann nach wie vor ein Thema sein. Die Vielfalt der Angebote ist wirklich groß, allerdings sind diese zum Teil sehr komplex. Unser Ziel ist es, betroffene Unternehmen bestmöglich auf ihrem Weg durch die Krise zu unterstützen. Neben der Nutzung der angebotenen Hilfsprogramme ist auch ein intensiver Blick auf das Unternehmen selbst erforderlich. Wo bestehen Möglichkeiten, Kosten zu sparen? Können alternative Angebote auf den Markt gebracht werden, mit denen auch in Zeiten wie diesen Umsätze erzielt werden können? Viele Unternehmen haben hier in kurzer Zeit Beachtenswertes auf die Beine gestellt, dennoch werden viele noch erhebliche Änderungen in ihrer Geschäftspolitik vornehmen müssen.
Wenn mehr Unternehmen und Privatleute ihre Kredite nicht zurückzahlen können, was kommt auf die Banken zu?
Wir gehen in der Branche davon aus, dass die für Kreditrisiken zu treffenden Vorsorgen deutlich höher sein werden, als im Jahr 2019 und es vermutlich auch Ergebnisrückgänge geben wird. Aber: Die Banken sind heute wesentlich besser aufgestellt als vor der Finanzkrise 2008 und mit ihrer gegenwärtigen Liquiditäts- und Kapitalausstattung auch deutlich robuster gegen Krisen gewappnet. Die Corona-Krise wird daher keine neue Bankenkrise auslösen.
Die Regierung hat jetzt weitere Lockerungen beschlossen. Aber bis zum Ende der Krise ist es noch ein langer Weg. Wie wird sich die Wirtschaft Ihrer Meinung nach entwickeln?
Das ist derzeit noch sehr schwer abzuschätzen. Das WIFO hat am 23. April eine Prognose für Österreich mit zwei Szenarien veröffentlicht. Beide gehen von einer deutlichen Rezession im Jahr 2020 aus. Im Positivszenario wird aber davon ausgegangen, dass die Wirtschaft schon im zweiten Quartal wieder an Fahrt aufnehmen wird. Dadurch könnte es 2021 einen Rebound-Effekt mit einem zufriedenstellenden Wirtschaftswachstum geben. Das pessimistischere Szenario rechnet auch mittelfristig mit einer Konjunkturabschwächung. Was tatsächlich passieren wird, hängt stark davon ab, ob es eine zweite Corona- Welle noch in diesem Jahr geben wird, und wann ein Impfstoff oder wirksame Medikamente zur Behandlung der Symptome zur Verfügung stehen werden.
Was raten Sie Unternehmen derzeit?
Aus meiner Sicht ist es derzeit wichtig, sich auch mit der Zukunft zu beschäftigen und zu überlegen, ob der Weg vor der Krise wirklich dorthin führen wird, wo man vor der Krise war. Bietet mir die Digitalisierung eine Chance, die ich bisher nicht genutzt habe? Gibt es auch vor Ort Zulieferer/Abnehmer? Dies sind nur wenige von vielen Fragen, die man sich stellen kann. Jenen Unternehmen, die derzeit in ernsthaften Schwierigkeiten sind, kann ich nur raten, sich rechtzeitig mit der Bank und Beratern auszutauschen, um gemeinsam einen Weg zu finden, wie das Unternehmen weiterbestehen kann.
Welche positiven Aspekte gewinnen Sie aus der Corona-Krise?
Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, eine starke, regionale Wirtschaft zu haben. Dies gilt für Konsumenten, die sich in der Krise bemüht haben, vor Ort zu kaufen. Aber noch stärker ist die Regionalität bei der Gestaltung der Lieferketten in den Vordergrund gerückt. Es hat sich gezeigt, dass Volkswirtschaften gut beraten sein werden, kritische Produktionen nicht abwandern zu lassen. Dadurch gehe ich davon aus, dass der heimische Produktionsstandort als Zukunftsmodell für wesentliche Produktionsbereiche gewinnen wird.