"Kärnten muss seine Attraktivität steigern"
Spartenobmann Michael Velmeden über Wettbewerbsfähigkeit, Energiekrisen und die Zukunft der heimischen Wirtschaft. Er sagt: "Wir überfordern uns mit Regelungen und Berichtspflichten."
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Im nächsten Jahr stehen die Wirtschaftskammerwahlen an. Werden Sie sich erneut als Vertreter zur Verfügung stellen?
Michael Velmeden: Ich wurde gefragt und habe signalisiert, dass ich zur Verfügung stehe. Allerdings treffen die Gremien letztlich die Entscheidung. Es könnte auch sein, dass jemand anderes nominiert wird. Entscheidend ist für mich, dass die Kammer gut vertreten wird. In den vergangenen Jahren habe ich mich für die Anliegen der Industrie eingesetzt und würde das gerne für weitere fünf Jahre fortführen.
Rückblickend auf die letzten fünf Jahre – hätten Sie jemals gedacht, dass sie so turbulent sein würden? Stichworte Corona und die verschiedenen Krisen?
Das konnte sich wohl niemand vorstellen. Was mir bewusst war, ist die geopolitische Herausforderung Europas – der Druck von außen, der auf uns zukommen würde. Überraschend war allerdings, wie sehr wir durch interne Entscheidungen unsere eigene Position geschwächt haben. Aus der Perspektive der Wirtschaft wurden viele Themen suboptimal behandelt.
Die österreichische Industrie steht vor Herausforderungen wie schwacher Nachfrage, hohem Kostendruck und eingeschränkter Wettbewerbsfähigkeit. Welche Entwicklungen erwarten Sie für Kärnten im nächsten Jahr?
Positiv hervorzuheben sind die Bemühungen Kärntens, sich in innovativen Branchen zu positionieren, beispielsweise durch Projekte wie den Lakeside Science & Technology Park oder den Technologiepark in Villach. Besonders bemerkenswert finde ich die Arbeit der Silicon Alps Labs. Jedoch sind hohe Energiepreise und Lohnkosten eine ernste Herausforderung. Wir müssen dringend Wege finden, diese Belastungen zu reduzieren, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wie wichtig ist Technologieoffenheit, zum Beispiel bei der Windkraft, für die Kärntner Industrie?
Energie ist ein zentraler Faktor – nicht nur für die Industrie, sondern für die gesamte Gesellschaft. Prognosen gehen davon aus, dass sich der Energiebedarf bis 2035 verdoppeln wird. Wenn wir auf fossile Brennstoffe verzichten wollen, brauchen wir Alternativen. Windkraft ist eine komplementäre Energieform zur Photovoltaik, insbesondere in Regionen wie dem Klagenfurter Becken, wo im Winter wenig Sonnenlicht verfügbar ist. Es ist notwendig, alle Optionen zu prüfen und sachlich zu diskutieren, wie Technologien eingesetzt werden können, ohne die Natur übermäßig zu belasten.
Die künstliche Intelligenz (KI) gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wie wird sie die Industrie beeinflussen?
KI wird bereits seit Jahren in Bereichen wie der Bildverarbeitung genutzt. Der nächste Schritt ist die Entwicklung von KI, die komplexere Entscheidungen treffen kann. Die Industrie profitiert besonders bei der Analyse großer Datenmengen und der Prozessoptimierung. Wir stehen noch am Anfang, aber das Potenzial ist enorm.
Könnte KI auch helfen, die hohen Lohnstückkosten auszugleichen?
Möglicherweise, besonders im Zusammenhang mit Digitalisierung und Automatisierung. Ähnlich wie die Automatisierung in den 1970er-Jahren Prozesse revolutionierte, könnte KI in den kommenden Jahren eine ähnliche Rolle spielen. Allerdings hängt dies von der Weiterentwicklung der Infrastruktur und Technologien in den Betrieben ab.
Angesichts des steigenden Wettbewerbsdrucks aus China und den USA - was muss Europa tun, um international konkurrenzfähig zu bleiben?
Europa muss gezielt analysieren, in welchen Branchen es wettbewerbsfähig ist, und entsprechende Maßnahmen setzen. Für exportorientierte Unternehmen ist die Lage besonders schwierig. Zudem hat Europa ein Imageproblem: Es wird als teuer wahrgenommen. Dieses Image müssen wir aktiv verbessern. Ein zentraler Ansatzpunkt sind die Energiekosten, die gesenkt werden müssen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Der Fachkräftemangel ist ein anhaltendes Thema. Was kann Kärnten tun, um dem entgegenzuwirken?
Neben der Qualifizierung von Arbeitskräften ist der Zuzug von Fachkräften entscheidend. Kärnten sollte seine Attraktivität steigern, um sowohl internationale Studierende als auch Fachkräfte aus dem Ausland langfristig zu binden. Kooperationen mit den Nachbarländern Italien und Slowenien könnten hier hilfreich sein. Gleichzeitig müssen wir unsere Systeme überdenken, etwa was die Dauer des Arbeitslebens und flexible Modelle betrifft.
Viele internationale Studierende verlassen Kärnten nach ihrem Abschluss. Wie könnten sie gehalten werden?
Wir stehen im Wettbewerb mit anderen europäischen Regionen. Um Studierende in Kärnten zu halten, müssen wir vor allem in unserem direkten Umfeld, etwa in Italien und Slowenien, attraktive Angebote schaffen. Dabei spielen auch Infrastruktur und Austauschprogramme eine Rolle. Projekte wie die Koralmbahn könnten hier ebenfalls wichtige Impulse setzen.
Welche Erwartungen haben Sie an die Politik, um die Rahmenbedingungen für die Industrie zu verbessern?
Die Politik muss langfristige Investitionen fördern und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Dies betrifft insbesondere die Senkung von Energiekosten und Bürokratie. Derzeit überfordern wir uns oft selbst mit Regelungen und Berichtspflichten, die Innovationen behindern. Stattdessen sollten wir uns auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen konzentrieren.
Die Energiekosten steigen weiter, insbesondere wenn Netzkosten erhöht werden und Preisbremsen auslaufen. Wie kann die Industrie darauf reagieren?
Energieintensive Industrien werden weiterhin in Effizienz und eigene Energieerzeugung investieren müssen. Gleichzeitig müssen die Netzkosten überdacht werden, etwa durch längere Abschreibungszeiträume für Investitionen. Besonders bei Hochtemperaturprozessen sind Alternativen wie Wasserstoff vielversprechend, doch deren Infrastruktur muss schneller ausgebaut werden.
Welche Botschaft möchten Sie den Kärntner Industriebetrieben mit auf den Weg geben?
Die Unternehmer müssen weiterhin ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sie nicht zusätzlich belastet werden und sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können – dem Unternehmen. Die Interessenvertretung wird sie dabei aktiv unterstützen.
Gibt es abschließend etwas, das Sie noch ansprechen möchten?
Wir müssen uns bewusst machen, dass Europa vor einem tiefgreifenden Strukturwandel steht. Die USA dominieren digitale Prozesse und KI, während China in der Produktion zunehmend aufholt. Europa muss sich klar positionieren, um langfristig bestehen zu können. Angst ist dabei kein guter Ratgeber – wir müssen handeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben.