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FAQs zum Ingenieurgesetz (IngG) 2017

Ingenieur-Zertifizierungsverfahren für technische und gewerbliche Fachrichtungen

Lesedauer: 11 Minuten

04.10.2024

Fragen und Antworten zum Zertifizierungsverfahren

Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden in den FAQs personenbezogene Bezeichnungen nur in der männlichen Form angeführt. Sie beziehen sich aber gleichermaßen auf Frauen und Männer.

Formale Voraussetzungen

Nachzuweisen sind eine positive Reife- und Diplomprüfungen sowie eine nachfolgende, mindestens dreijährige fachbezogene Praxis, die zu einer Vertiefung bzw. Erweiterung der mit einem HTL-Abschluss verbundenen Kenntnisse und Fertigkeiten geführt hat.

Ja. Voraussetzung ist ein Schulabschluss, der in Inhalt und Niveau mit einer Reife- und Diplomprüfung einer österreichischen HTL vergleichbar ist, gegebenenfalls Externistenprüfungen bei vierjährigen technischen Schulen sowie eine nachfolgende, mindestens dreijährige fachbezogene Praxis. Die Beurteilung der Vergleichbarkeit erfolgt aufgrund einer Bewertung des Bildungsministeriums (www.asbb.at

Ja. Es muss sich allerdings um technische Abschlüsse handeln, die einer HTL-Fachrichtung (gemäß Ingenieurgesetz-Fachrichtungsverordnung) zuordenbar sind. Zusätzlich muss auch der Nachweis einer höheren Allgemeinbildung (z.B. Berufsreifeprüfung, sonstige Matura) erbracht werden. Im Anschluss an den Erwerb des technischen Bildungsabschlusses ist eine sechsjährige Fachpraxis zu absolvieren.

Mit einem technischen Lehr- und Fachschulabschluss, der grundsätzlich einer HTL-Fachrichtung (gemäß Ingenieurgesetz-Fachrichtungsverordnung) zuordenbar ist, qualifiziert man sich ebenfalls für die Ingenieur-Zertifizierung. Zusätzlich müssen jedoch zwei Externistenprüfungen (Absolvierung von zwei Gegenständen im Rahmen der Matura an einer HTL) sowie die höhere Allgemeinbildung (z.B. Berufsreifeprüfung, sonstige Matura) erworben und mindestens sechs Jahre Berufspraxis nachgewiesen werden.

Ja, wenn das Studium einer HTL-Fachrichtung (gemäß Ingenieurgesetz-Fachrichtungsverordnung) zuordenbar ist. Im Anschluss an den Erwerb des Studienabschlusses ist eine dreijährige Fachpraxis zu absolvieren.

Die Praxis muss in der Art (Fachbezug zur Ausbildung), in der Dauer (mind. drei bzw. sechs Jahre), im Ausmaß (durchschnittlich mindestens 20 Wochenstunden) und im Zeitpunkt (nach der Ausbildung erworben) entsprechen, damit sie für die Ingenieur-Zertifizierung anerkannt wird.

Ja. Das IngG 2017 verlangt, dass das in der Ausbildung Gelernte in der Praxis „angewandt, vertieft und erweitert“ wird. Daher kann auch nur die Praxis nach dem erworbenen technischen Abschluss angerechnet werden.

Die Dauer sowie das Wochenstundenausmaß der Praxis sind bei unselbstständiger Tätigkeit durch Dienst(zwischen)zeugnisse oder einem Sozialversicherungsauszug zu belegen. Bei selbstständiger Tätigkeit ist ein GISA-Auszug erforderlich.

Nein. Dieses Niveau muss im Laufe der Praxis erreicht und am Ende, d.h. im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens, nachgewiesen werden.

Antrag

Der Antrag ist bei einer vom Wirtschaftsministerium bestellten Zertifizierungsstelle einzureichen. Die Wirtschaftskammern Österreichs haben in jedem Bundesland eine Zertifizierungsstelle eingerichtet. Der Antrag muss grundsätzlich bei der Zertifizierungsstelle im Wohnsitz-Bundesland gestellt werden. Wenn kein Wohnsitz in Österreich besteht, kann der Antrag bei jeder Zertifizierungsstelle im Bundesgebiet eingereicht werden.

Bei den Ingenieur-Zertifizierungsstellen der WKO ist der Antrag online einzureichen. Für den Zugang zum Online-Formular ist keine Registrierung erforderlich.

Mit dem Antrag sind die formalen Voraussetzungen für den Erwerb der Ingenieur-Qualifikation nachzuweisen. Daher sind dem Antrag Nachweise zum Bildungsabschluss (z.B. Reife und Diplomprüfungszeugnis der HTL) sowie zur Praxis (z.B. Dienstzeugnis, Sozialversicherungsauszug) beizulegen. Zum Nachweis der Praxis ist mit dem Antrag auch die Tätigkeitsbeschreibung einzureichen.

Bei der Einreichung genügen im Normalfall eingescannte Unterlagen, die Zertifizierungsstelle kann bei Unklarheiten aber Originale einfordern. Bei fremdsprachigen Dokumenten muss eine öffentlich beglaubigte Übersetzung beigelegt werden.

Mit dem Online-Antrag ist eine Tätigkeitsbeschreibung abzugeben. Es handelt sich dabei um einen vom Antragsteller selbst verfassten Bericht über Aufgaben/Projekte, die er in seiner Praxis ausgeführt hat. Diese Aufgaben/Projekte sollen die ingenieurmäßigen Tätigkeiten, die er im Antrag angegeben hat, näher beschreiben/konkretisieren. Die Tätigkeitsbeschreibung ist kein Lebenslauf und auch kein Dienstzeugnis des Arbeitgebers. Sie ist in deutscher Sprache zu verfassen.

Die Tätigkeitsbeschreibung dient den Fachexperten dazu, sich in Vorbereitung auf das Fachgespräch ein Bild von der Praxis des Antragstellers zu machen. Daher soll der Inhalt möglichst aussagekräftig sein. Zur Orientierung sind in der Richtlinie für Antragsteller/innen“ Leitfragen genannt, die man bei der Erstellung berücksichtigen sollte. Es wird davon ausgegangen, dass die Tätigkeitsbeschreibung rund drei bis fünf Seiten umfasst.

Ja, für das Verfahren ist eine Zertifizierungstaxe zu bezahlen. Wenn das Fachgespräch einmal wiederholt wird, entstehen zusätzliche Kosten. Die Taxe ist üblicherweise bei Antragstellung fällig. Die Zertifizierungsstelle informiert die Antragsteller in einem Schreiben, wann und auf welches Konto die Taxe zu überweisen ist. 

Fachgespräch

Die Zertifizierungsstelle überprüft, ob der eingereichte Antrag vollständig ist und ob der Antragsteller die formalen Voraussetzungen für die Ingenieur-Zertifizierung erfüllt. Ist beides gegeben, leitet sie die Unterlagen an die Mitglieder der Zertifizierungskommission weiter, die das Fachgespräch führen. In diesem wird das Vorliegen der fachlichen Voraussetzungen für die Erlangung des Ingenieur-Titels festgestellt.

Für jede Fachrichtung bzw. für mehrere verwandte Fachrichtungen, für die ein Antrag um Ingenieur-Zertifizierung gestellt werden kann, sind Zertifizierungskommissionen eingerichtet. Diese bestehen aus zwei Fachexperten – ein Experte stammt dabei aus der unternehmerischen Praxis, der zweite gehört dem Lehrkörper einer HTL, einer Universität oder Fachhochschule an.

Die Zertifizierungsstelle gibt den Termin für das Fachgespräch vor. Antragsteller erhalten Informationen zum Termin sowie zum Ort, an dem das Fachgespräch stattfindet (üblicherweise die Zertifizierungsstelle), mindestens einen Monat vorher. Kann der Fachgesprächstermin aus berechtigten Gründen (z.B. Krankheit, gerichtliche Vorladung) nicht eingehalten werden, ist die Zertifizierungsstelle unmittelbar zu verständigen.

Das Fachgespräch ist ein Gespräch unter Experten und keine Prüfung im engeren Sinn. Im Vordergrund stehen die in der Tätigkeitsbeschreibung beschriebenen Aufgaben/Projekte. Dabei wird vor allem der Zuwachs an Wissen und Können, der sich seit Erwerb des technischen Bildungsabschlusses durch die Praxis ergeben hat, herausgearbeitet. Weiters wird die Komplexität der Aufgabenstellung, der Grad der Selbstständigkeit und die Entscheidungsverantwortung hinterfragt. Im Fachgespräch werden keine Wissensfragen gestellt; auch die Vorgehensweise oder der Lösungsansatz bei Durchführung der Aufgaben wird nicht beurteilt. Es geht ausschließlich um die Feststellung, ob die Praxis des Antragstellers/der Antragstellerin derart gestaltet war, dass er/sie das ingenieurmäßige Niveau erworben hat.

Es sind bis zu 45 Minuten vorgesehen, wobei die Dauer im Einzelfall auch kürzer sein kann.

Nein, das ist nicht vorgesehen. Die Feststellung der fachlichen Eignung trifft auch nicht die Zertifizierungsstelle. Diese obliegt den Fachexperten der Zertifizierungskommission.

Beide Kommissionsmitglieder sind in dieser Funktion unparteiisch und verpflichtet, bereits vor dem Fachgespräch sicherzustellen, dass es weder persönliche noch berufliche Unvereinbarkeiten gibt. Im Fachgespräch kann der Antragsteller gegebenenfalls auf vertrauliche oder geheime Informationen seine Tätigkeit betreffend hinweisen. Die Kommissionsmitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Nein, das Fachgespräch ist in deutscher Sprache zu führen.

Das Fachgespräch kann zu zwei Ergebnissen führen.

  • 1. Die Mitglieder der Zertifizierungskommission stellen übereinstimmend fest, dass der Antragsteller die fachlichen Voraussetzungen für den Erwerb der Qualifikationsbezeichnung „Ingenieur“ bzw. „Ingenieurin“ erfüllt. Er erhält daher die Ingenieur-Urkunde.
  • 2. Die Mitglieder der Zertifizierungskommission können diese Feststellung nicht treffen. Der Antragsteller erwirbt daher den Ingenieur-Titel nicht.

Ja, das Fachgespräch kann einmal wiederholt werden. Wenn auch beim Wiederholungsantritt keine Feststellung der Ingenieurmäßigkeit getroffen werden kann, ist kein weiterer Antritt zum Fachgespräch möglich.

Berechtigungen und NQR

Mit dem Erhalt der Ingenieur-Urkunde erwerben Ingenieure das Recht, den Titel in vollem Wortlaut oder abgekürzt (Ing. bzw. Ing.in) vor ihrem Namen zu stellen. Zudem können sie die Eintragung dieses Titels in amtliche Urkunden (z.B. Reisepass) verlangen.
Neben dem Titel kann auch der Hinweis auf das Niveau 6 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR), zu dem der Ingenieur zugeordnet ist, angebracht werden.

Der NQR ist ein achtstufiges Raster, anhand dessen ein Bildungabschluss beschrieben werden kann. Der Ingenieur ist dem NQR-Niveau 6 zugeordnet. Damit wird ausgedrückt, dass Inhaber über fortgeschrittene Kenntnisse und Fertigkeiten in ihrem Arbeitsbereich verfügen, einen hohen Handlungs- und Entscheidungsspielraum haben, inhaltlich für einen Aufgabenbereich verantwortlich sind und/oder eine Leitungsfunktion innehaben.

Nein, Ingenieure erhalten keinen Bachelor-Titel. Umgekehrt gilt selbiges: Absolventen technischer Bachelor-Studien erhalten auch nicht automatisch den Ingenieur-Titel. Die gleiche Einstufung in den NQR berechtigt nicht, den jeweils anderen Titel zu tragen.