Verantwortungsvolle_KI
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Europa – verantwortungsvolle Künstliche Intelligenz

Der europäische Weg als Chance zu einer ethisch vertretbaren und transparenten KI.

Lesedauer: 4 Minuten

25.06.2024

Geht es rein nach den bisher getätigten Investitionen, hat Europa den Wettlauf um die wirtschaftlichen und machtpolitischen Effekte von KI längst verloren. Weltweit hat sich das private Investment in KI-Unternehmen von 2020 auf 2021 verdoppelt – auf 93,5 Milliarden Dollar (vgl. Zhang et al. 2022). Davon stammen mehr als die Hälfte (rund 53 Milliarden Dollar) aus den USA, China belegt Platz zwei (17,21 Milliarden Dollar). In der gesamten EU wurden dagegen nur 6,42 Milliarden Dollar investiert. So betrachtet, sitzt Europa auf der globalen Zuschauertribüne und schaut den KI-Giganten USA und China beim erbitterten Kampf um Markt- und Machtanteile zu. 

Europas Aufholjagd

In Europa findet eine Debatte darüber statt, wie KI entwickelt und genutzt werden kann, und einige Leute befürchten, dass die Menschen nicht genug Vertrauen in die Technologie haben werden, wenn die USA oder China die einzigen Länder sind, die dies tun. Sie denken, dass das soziale Modell der Nutzung von KI in Europa, wo sich die Menschen um Ethik und Werte kümmern, der bessere Weg ist. 

Im April 2021 veröffentlichte die EU-Kommission den weltweit ersten Rechtsrahmen speziell für Künstliche Intelligenz. Der Regulierungsvorschlag, auch AI Act genannt, beinhaltet eine Risikoklassifizierung von KI-Anwendungen und formuliert, abhängig von der jeweiligen Risikoklasse, unterschiedliche Anforderungen an Unternehmen. Für sogenannte Hochrisiko-Anwendungen werden beispielsweise allgemeine Dokumentations- und Transparenzpflichten, ein Risikomanagementsystem, Daten-Governance sowie das Testen entsprechender KI-Systeme gefordert. Die Veränderungen der Digitalisierung für die Arbeitswelt machen neue Gesetzgebungen dringend erforderlich, gerade bei neuen technologischen Möglichkeiten wie KI. Der Entwurf der europäischen Kommission ist daher ein wichtiger Schritt für einen nachhaltig guten Umgang mit KI und ein wichtiges Zeichen für einen europäischen Weg.  

Der Nutzen von Regulierungen

Der Regelungsbedarf ist so vielfältig wie die Einsatzgebiete von KI: Unternehmen brauchen Schutz von Eigentumsrechten und Unternehmensdaten sowie Rechtssicherheit in Haftungsfragen. Für Arbeitnehmende ist die Bewahrung ihrer fundamentalen Rechte unter neuen technologischen Vorzeichen das wichtigste Thema. Dabei geht es sowohl um die physische als auch um und psychische Gesundheit sowie die wirtschaftliche Absicherung von Arbeitnehmenden – um Mitbestimmung und demokratische Teilhabe, den Schutz von Beschäftigtendaten und Persönlichkeitsrechte, inklusive dem Antidiskriminierungsrecht (vgl. GI 2021).  

Konkrete Beispiele sind selbst fahrende Fahrzeuge im Automobil- und Industriebereich, die die physische Unversehrtheit gefährden, der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware oder Systemen, die die Entscheidungsfindung in Bewerbungsprozessen oder in der Kreditvergabe beeinflussen. Auch die Verwendung von KI-Systemen durch Behörden zum Zwecke des Social Scoring, also der Bewertung der Vertrauenswürdigkeit von Personen, soll unterbunden werden. KI-Anwendungen mit geringem Risiko wie etwa Chatbots, Übersetzungs-Software oder Spam-Filter sollen dagegen nicht oder nur mild reguliert werden.

Auch die bereits 2018 veröffentlichen und 2021 überarbeiteten Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI“ der EU bilden eine wichtige Grundlage, die Vertrauen schafft und den Weg ebnet für einen konstruktiven Umgang mit KI. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt der technologischen Möglichkeiten und setzt typisch europäische Werte als Rahmen – zum Beispiel:

  • Vorrang menschlichen Handelns und menschlicher Aufsicht
  • Technische Robustheit und Sicherheit 
  • Schutz der Privatsphäre 
  • Transparenz und Erklärbarkeit 
  • Vielfalt, Nichtdiskriminierung und Fairness
  • Gesellschaftliches und ökologisches Wohlergehen 
  • Rechenschaftspflicht

Verteidigung Europäischer Werte

Möglich ist es KI auf verantwortungsvolle Weise einzusetzen, was einen Mehrwert für europäische Unternehmen schafft. Das ist eine Chance, denn Unternehmen können mit KI der Digitalisierung einen anderen „Touch“ geben und ihrer Instrumentalisierung vorbeugen.

Europa muss sich die Frage nach der Verantwortung für die Zukunft ins Zentrum der Debatte um künstliche Intelligenz stellen. Dies würde mittelfristig klare Vorteile im globalen KI-Wettbewerb schaffen. Im Gegensatz zu den Strategien der KI-Giganten USA und China wäre es ein „Dritter Weg“, der auf Prinzipien der Datensouveränität und humanistische europäische Grundwerte setzt.

Für Europa stehen damit große Herausforderungen auf der Agenda, die nun schnell angegangen werden müssen. Dies gilt vor allem für folgende prioritären Projekte:

  • Verankerung der KI- und Digitalisierungsethik im Bildungswesen

  • Stärkung von Entrepreneurship und Start-up-Kultur, Forcierung universitärer Spin-Offs im Digitalisierungs- und KI-Bereich 

  • Überwindung überholter Grenzen zwischen Grundlagenforschung, angewandter Forschung und Entwicklung in Unternehmen
     
  • Erweiterung eines rein technologischen Innovationsverständnisses auf soziale Innovationen, inklusive Anpassung von Förder- und Anreizsystemen 

  • Schaffung eines Konsenses über europäische Missionen für KI-Anwendungen (zum Beispiel für mehr Nachhaltigkeit)
     
  • Weiterentwicklung des traditionellen, entwicklungshemmenden Datenschutzparadigmas zu einem Paradigma der Datensouveränität („Bürger als Datensouverän“), das rechtlich verankert wird

  • Etablierung einer ethischen Verantwortung von Unternehmen als freiwilliges Markenzeichen: Corporate Ethics Responsibility (CER), in Analogie zur Corporate Social Responsibility (CSR)

Auch Österreich bereitet sich auf einen zukunftsfähigen Umgang mit KI vor. Im September 2021 veröffentlichte die österreichische Bundesregierung die agile KI-Strategie „Artificial Intelligence Mission Austria 2030 (AIM AT 2030) (vgl. BMDW 2021). Darin werden Leitlinien festgelegt, innerhalb derer sich KI in Österreich entwickeln kann und soll. Drei Ziele für den Umgang mit KI sind dabei wegweisend: 

  1. Breiter Einsatz von KI im Einklang mit Grund- und Menschenrechten, europäischen Grundwerten und dem europäischen Rechtsrahmen 
  2. Positionierung als Forschungs- und Innovationsstandort für KI 
  3. Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Technologie- und Wirtschaftsstandorts 

Als Grundpfeiler der österreichischen KI-Strategie werden die erforderlichen Grundprinzipien für eine vertrauenswürdige KI definiert sowie konkrete Maßnahmen für ein funktionierendes KI-Ökosystem erarbeitet – zusammen mit ExpertInnen aus unterschiedlichen Fachrichtungen sowie verschiedenen Stakeholdern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und BürgerInnen. Darüber hinaus wird eine enge Zusammenarbeit auf europäischer und internationaler Ebene angestrebt. Treiben Sie aktiv eine verantwortungsvolle KI „Made in Europe“ voran – überlassen Sie KI-Entwicklungen nicht den Wettbewerbern aus den USA und China. 

Maschinelle Intelligenz macht menschliche Moral wichtiger. Die Soziologin Zeynep Tufekci erklärt, welche möglichen soziale Auswirkungen neuer und disruptiver Technologien wie KI haben könnte und wie man als Menschheit damit bestmöglich umgeht. 


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