Unternehmenskultur: Bildet Mensch-Maschine-Teams!
Human Computation: Die Zukunft gehört dem Teamplay von Mensch und Maschine.
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Vieles spricht heute dafür, dass KI einen ähnlich transformativen Impact auf professionelle Tätigkeiten ausüben wird wie einst Industrieroboter auf manuelle Routinetätigkeiten. In diesem Zusammenhang wird gern auf die 2013 erschienene Studie der Oxford-Wissenschaftler Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne verwiesen, der zufolge 47 Prozent der Beschäftigten in den USA in Berufen arbeiten, die in den nächsten zehn bis 20 Jahren – also ab 2023 – automatisierbar sind, darunter auch viele Büro- und Dienstleistungsjobs sowie „kreative“ Tätigkeiten (vgl. Frey/Osborne 2013). So soll die Automatisierungswahrscheinlichkeit bei Buchhaltern 94 Prozent betragen, bei Versicherungsvertretern 92 Prozent und selbst bei Programmierern noch 48 Prozent.
Damit ist die menschliche Ur-Angst, dass Maschinen uns ersetzen und irrelevant machen, auch bei den GeistesarbeiterInnen und Hochqualifizierten angekommen – bei allen, die in irgendeiner Form maschinell arbeiten, auch bei ChirurgInnen oder IngenieurInnen. Die Umbrüche, die KI auslöst, sind durchaus vergleichbar mit jenen der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts, als rund 90 Prozent der Jobs in der Landwirtschaft verschwanden.
KI ist aber kein Jobvernichter. SoftwareentwicklerInnen, Data Scientists und KI-ExpertInnen werden heute händeringend gesucht. Weltweit drohen durch den Einsatz von KI bis 2025 zwar rund 85 Millionen Arbeitsplätze verloren zu gehen – gleichzeitig werden aber auch über 97 Millionen neue entstehen (vgl. WEF 2020). Die Automatisierung betrifft vor allem Jobs und Aufgaben, für die Unternehmen keine Arbeitskräfte finden können – meistens, weil es sich um repetitive oder gefährliche Aufgaben handelt. Dadurch können sich die Mitarbeitenden zunehmend auf kreative Aufgaben konzentrieren (vgl. UiPath 2022). Kritisches Denken, Kreativität, soziale und emotionale Intelligenz zählen zu den wichtigsten Skills für die nächsten Jahre – alles Eigenschaften, die nicht durch eine KI ersetzt werden können (vgl. WEF 2020).
Menschliche versus Künstliche Intelligenz
Menschliche Intelligenz ist immer verbunden mit einem Ich-Bewusstsein, mit einem freien Willen und der Fähigkeit zur Selbstreflexion und Introspektion. Diese Konzepte und Kompetenzen bilden auch die Basis für die genuin menschliche Fähigkeit, mit Nichtwissen umzugehen. Die Fähigkeit, mit dem Unberechenbaren umzugehen, ermöglicht es dem Menschen, zu abstrahieren und neue Zusammenhänge herzustellen, Dinge zu erkennen und komplexe Probleme zu lösen.
Maschinelle Intelligenz ist dagegen stets von Berechenbarkeit abhängig und verfügt immer nur über eine spezifische Perspektive. Das, was KI heute und in absehbarer Zeit ist und sein kann, beschränkt sich trotz allem auf Rechenvorgänge und Statistiksysteme. Es handelt sich stets um eine Inselintelligenz oder Tunnelbegabung, die in eng definierten Spezialbereichen supersmart ist, aber beim Blick auf größere Kontexte und erst recht auf das große Ganze nicht weiterkommt.
Das Spannende ist aber: Gerade dieser quasiautistische Charakter von KI eröffnet dem Menschen – und damit auch dem Miteinander von Mensch und Maschine – ganz neue Möglichkeiten. Auch deshalb geht es beim Einsatz von KI inzwischen immer weniger um den Versuch, die menschliche Intelligenz zu kopieren, sondern zunehmend um das Thema „Human Computation“: um das konstruktive Zusammenspiel von smarten Algorithmen und Menschen. Und um die genuin menschlichen Kompetenzen, die vor diesem Hintergrund eine ganz neue Bedeutung erhalten.
Was kann intuitive KI überhaupt alles erschaffen? Der Futurist Maurice Conti gibt einen Ein- und Ausblick auf eine Zeit, in der KI-gesteuerte Roboter und Menschen Seite an Seite arbeiten werden.
Der neue USP des Menschen
In der industriellen Revolution gewann der Mensch das Rennen gegen die Maschine, indem er seinen Verstand, seine Rationalität kultivierte. Die digitale Revolution verlangt nun die Kultivierung anderer Kernkompetenzen, denn KI automatisiert nicht nur manuelle, sondern auch mentale Aufgaben. Immer wichtiger werden jetzt jene Fähigkeiten, die uns kategorial von smarter Software unterscheiden – etwa Erfindergeist, Einfühlungsvermögen oder der Umgang mit dem Unvorhersehbaren. In diesem Sinne erzwingt KI ein Upgrade der menschlichen Intelligenz und Empathie.
Viele Berufe, die heute stark routiniert sind, beinhalten explizite oder implizite menschliche Faktoren. Krankenpflegerinnen „pflegen“ nicht nur Kranke, sondern stehen in Beziehung mit ihnen. Barkeeper mixen nicht nur Cocktails, sondern sind auch Entertainer. Journalistinnen produzieren nicht einfach Information, sondern deuten, interpretieren, schreiben Geschichte(n). Maschinen machen uns mitnichten überflüssig. Wir beginnen vielmehr, mit ihnen zu kooperieren, auf Augenhöhe mit ihnen zu kommunizieren – und uns dabei selbst neu zu erfinden. Deshalb wird KI viel weniger ein Jobkiller sein als ein Jobshifter: eine Technologie, die zwar repetitive und monotone Tätigkeiten überflüssig macht, aber zugleich eine große Verschiebung bewirkt – von unkreativen zu kreativeren, von isolierten zu kommunikativeren Tätigkeiten.
Mensch-Maschine-Teams
Letztlich geht es um den Shift von einem Mensch-versus-Maschine-Denken hin zur Schaffung von Mensch-plus-Maschine-Umwelten, in denen KI die menschliche Intelligenz nicht ersetzt, sondern erweitert. Denn Mensch und Maschine sind im Team erfolgreicher als für sich allein. Beispielhaft verdeutlicht das die Geschichte der Mensch-versus-Maschine-Duelle im Schachspiel, wo sich zeigte, dass gemischte Teams aus Mensch und Computer selbst stärksten Schachcomputern überlegen sind. Auch die Auswertung von MRT-Scans zeigt: Die Fehlerquelle ist dann am niedrigsten, wenn Mediziner und KI-Systeme nicht für sich operieren, sondern zusammenarbeiten (vgl. Camelyon16 2016). KI wird erst im Zusammenspiel mit dem Menschen richtig klug.
Computer können am besten rechnen, Menschen können am besten verstehen, kontextualisieren, reflektiert entscheiden. Erfolgreiche Mensch-Maschine-Teams sind deshalb hybride Mixturen aus Intuition und Logik, die gemeinsam eine höhere Qualität schaffen als jeweils für sich allein. Einen guten Rahmen für diese symbiotische Beziehung bilden Systeme, in denen Maschinen den Menschen unterstützen, aber am Ende der Mensch die Entscheidungen trifft: Der Computer analysiert Daten und berechnet Wahrscheinlichkeiten, der Mensch erkennt Zusammenhänge, bringt Erfahrung und Intuition ein – und beide Seiten profitieren dabei voneinander.
Viele Beispiele zeigen schon heute, wie menschliche und Künstliche Intelligenz einander konstruktiv ergänzen können:
- Die KI-Software Blue Yonder, die Verkaufsmengen prognostiziert und Preise optimiert, verschafft den MitarbeiterInnen der britischen Supermarktkette Morrisons mehr Zeit für die Kundenberatung – und sorgt damit auch für eine deutlich bessere Kundenzufriedenheit. Dadurch konnte der Händler die Verfügbarkeit von Lebensmitteln in den Regalen um bis zu 30 Prozent erhöhen und gleichzeitig die Lagerdauer um einige Tage verringern (vgl. Blue Yonder 2020).
- Das Endoskopie-Modul GI Genius von Medtronic unterstützt den praktizierenden ÄrztInnen mit KI bei der Früherkennung von Darmkrebs. Während der Darmspiegelung erkennt das Gerät auffällige Schleimhautveränderungen, sodass der behandelnde Arzt die betroffene Stelle genauer prüfen und über die weitere Vorgehensweise entscheiden kann (vgl. Medtronic o.D.).
- Die App Plantix unterstützt LandwirtInnen bei der schnellen Erkennung von Schädlingen und Krankheiten auf Nutzpflanzen. Fotos der Pflanzen werden über die App oder via WhatsApp-Messenger eingereicht und auf Basis von mehr als 30 Millionen Vergleichsfotos sowie Machine-Learning-Algorithmen analysiert, um anschließend passende Behandlungen vorzuschlagen (siehe plantix.net).
Entscheidend für die erfolgreiche Anwendung von KI ist also eine algorithmische Smartness, die nicht versucht, den Menschen nachzuahmen, sondern im Gegenteil: die fokussiert, hochgradig spezifisch und granular messbar ist – also ganz anders funktioniert als die menschliche Kognition, deren Aufgabe es zunehmend sein wird, diesen maschinellen Output zu deuten.
Das Teamplay mit smarten Maschinen nötigt uns, mehr Fakten, Informationen und Einflussfaktoren gegeneinander abzuwägen, auch bei sehr menschlichen Entscheidungen wie etwa Personalfragen. Je schneller und algorithmisierter die Welt sich dreht, umso wichtiger werden auch das Innehalten, die Reflexion von Denkmustern und Entscheidungsprozessen. In diesem Sinne fördert KI ein vernetztes, achtsames Denken, das die Qualität mentaler Prozesse stärker ins Licht rückt. Vier Faktoren sind dabei besonders relevant:
- Intuition – implizites Erfahrungswissen
- Kreativität – die Fähigkeit, neue Perspektiven einzunehmen und bislang nicht verknüpfte Elemente zu kombinieren
- Erkenntnis – ein multilogisches Verständnis für das große Ganze
- Emotion – der richtungsgebende Gegenpol zur Rationalität linearer Logik