Löffel mit Zucker
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Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie), Fachvertretung

Position zur Zuckersteuer nach britischem Modell zur Budgetkonsolidierung 

(Stand November 2024)

Lesedauer: 4 Minuten

17.12.2024

Seit Herbst 2024 wird in Österreich die Einführung einer Zuckersteuer auf alkoholfreie Erfrischungsgetränke (Softdrinks) nach britischem Modell zur Budgetkonsolidierung diskutiert. Doch ihr ökonomischer und gesundheitlicher Vorteil ist marginal, die Nachteile für die Lebensmittelunternehmen und die Konsumentinnen und Konsumenten überwiegen. 

1. Wirtschaftliche Stagnation und geschwächte Wettbewerbsfähigkeit - 
Folgen einer Zuckersteuer für die Lebensmittelindustrie und den Standort

  • Durch die massive Teuerung und den anhaltenden Kostendruck in Österreich befindet sich die heimische Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie) derzeit in einer wirtschaftlichen Stagnation. Die Branche verliert zunehmend an preislicher Wettbewerbsfähigkeit – im Inland und im Export. 

  • Österreich ist ein Hochsteuerland. Eine neue Zuckersteuer kann das Budgetdefizit nicht konsolidieren, würde aber die davon betroffenen Unternehmen und den Wirtschaftsstandort insgesamt weiter schwächen und den Konsum dämpfen. Für die Unternehmen würde eine Zuckersteuer zusätzlichen finanziellen Aufwand bedeuten.

  • Der Kostendruck für die Unternehmen am Standort ist schon jetzt zu hoch. International tätige heimische Lebensmittelproduzenten investieren bereits im Ausland, weil Arbeit und Energie im Inland ungleich teurer sind. Hinzu kommen die hohen Aufwendungen für die zahlreichen EU-Regulierungen (etwa Nachhaltigkeitsberichterstattung, Lieferkettengesetz, Entwaldungsverordnung). Auch sind die Kosten für Rohwaren und Logistik aufgrund des Klimawandels und der weltweiten Krisenherde gestiegen. Das gefährdet das wirtschaftliche Überleben der Branche, die in Österreich versorgungs- und systemrelevant ist.

  • Oberstes Ziel muss sein, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Lebensmittelindustrie zu stärken. Das geht nur, wenn Energie wieder leistbar wird, die Lohnnebenkosten sinken und die Überregulierung ein Ende hat. Nur so kann sich die Lebensmittelindustrie im harten internationalen Wettbewerb durchsetzen und Ressourcen schaffen, um in eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu investieren.

2. Druck auf Rübenbauern bis Getränkehersteller steigt - Folgen einer Zuckersteuer für die Lebensmittelkette 

  • Eine Zuckersteuer auf Getränke würde Unternehmen entlang der gesamten Agrar- und Lebensmittelkette belasten – von den Rübenbauern über die Zuckerwirtschaft bis zu den Getränkeherstellern und Händlern. Die heimische Zuckerwirtschaft betreibt derzeit noch zwei Zuckerfabriken in Österreich. Sie sichert damit den heimischen Rübenbauern die Abnahme ihrer Ernte und schafft Jobs in den betroffenen Regionen. 

  • Zudem gewährleistet sie, dass sich Österreich noch zu 100 % selbst mit Zucker versorgen kann. Das ist nicht selbstverständlich, denn der Selbstversorgungsgrad Österreichs mit Agrarrohwaren ist niedrig - neben Zucker, Milch und Rindfleisch kann sich Österreich mit keinem (!) weiteren Agrarrohstoff selbst versorgen und ist laufend auf Importe aus dem Ausland angewiesen (Agrarrohstoffe: Vieles muss importiert werden).

  • Die Besteuerung einer Getränkezutat wie Zucker würde dazu führen, dass die Zusammensetzung von Produkten geändert wird. Die fehlende Süße könnte etwa durch Süßungsmittel ausgeglichen werden. Das würde einen weiteren Wertschöpfungsverlust für den Standort bedeuten, da Süßungsmittel nicht in Österreich hergestellt werden, sondern aus Drittstaaten importiert werden müssen.

  • Zucker hat neben seiner süßenden Eigenschaft auch technologische Funktionen in Lebensmitteln (Die Rolle von Zucker in der Lebensmittelherstellung). Er macht u. a. Lebensmittel haltbar. Wird Zucker reduziert, müssten im Herstellungsprozess verstärkt Konservierungsmittel eingesetzt werden. Die Hersteller wären letztlich gezwungen, Getränke mit unterschiedlichen Rezepturen für das Inland und für internationale Märkte nach deren Kundenwünschen abzufüllen. Das würde den Kostendruck auf sie im internationalen Wettbewerb noch weiter erhöhen.

  • Gerade die Getränkebranche hat zuletzt einen mittleren einstelligen Millionenbetrag an Investitionen für das ab 2025 in Österreich geltende neue Einweg-Pfandsystem getätigt. Nicht eingerechnet ist darin der Aufwand, der die Branche durch national unterschiedliche Pfandsysteme und Etiketten trifft. Hinzu kommt die kostenintensive Umsetzung neuer Vorschriften aus dem EU-Verpackungsrecht (u. a. Mehrwegquoten, anhaftende Verschlüsse, Einsatz von Recyclematerial - „RePET“).

  • Während die Einführung der Zuckersteuer einen hohen Aufwand für die Industrie bedeuten würde, wären die Einnahmen für den Fiskus durch die Veränderungen der Produktbeschaffenheit oder Ausweichkäufe der Konsumentinnen und Konsumenten (über der Grenze) nicht nachhaltig, wie die Erfahrung aus anderen Ländern 2,3 zeigen (vgl. unten „freiwillige Zuckerreduktion“). Diesen Einnahmen wären die Aufwendungen für den Staat für die Einhebung und Kontrolle einer Zuckersteuer gegenzurechnen. 

3. Lebensmittel werden wieder teurer - Folgen einer Zuckersteuer für die Konsumentinnen und Konsumente

  • Neue Verbrauchssteuern sind Inflationstreiber und Konsumdämpfer: Eine Zuckersteuer würde Lebensmittel erneut verteuern und somit Konsumentinnen und Konsumenten treffen. Gerade über die Teuerung, die bei den Preisen für Lebensmittel und alkoholfreie Erfrischungsgetränke 2022 bzw. 2023 Steigerungen um 10,7 % bzw. 11,0 % bedeuteten, machen sich die Menschen anhaltend Sorgen. Sie war das stärkste Wahlmotiv bei der heurigen Nationalratswahl. Dazu kommt: Höhere Lebensmittelpreise träfen einkommensschwächere Personen und Familien besonders hart.

  • Eine Zuckersteuer würde 1 Liter Cola-Getränk bei einem Verkaufspreis im Lebensmittelhandel von 1,89 € bzw. 1,49 € (Aktionspreis, November 2024) je nach Zuckergehalt zwischen 14,0 % und 23,4 % verteuern (Basis britisches Modell).


    Verbrauchssteuer auf den Zuckergehalt in Softdrinks, die in Großbritannien in Verkehr gebracht werden (Getränke mit 5 – 8 g Zucker/100 ml = 18 Pence/0,22 EUR pro Liter Getränk, > 8 g Zucker/100 ml = 24 Pence/0,29 EUR pro Liter Getränk). 

    2 In Dänemark hat eine Fettsteuer zu einer erheblichen Zunahme der Einkäufe der Dänen in Deutschland geführt und den Wirtschaftsstandort derart geschädigt, dass sie wieder abgeschafft wurde (vgl. Institut Economique Molinari: Nutrition » taxes: the costs of Denmark’s fat tax; 2013. https://www.institutmolinari.org/2013/05/02/nutrition-taxes-the-costs-of-denmarks-fat-tax/.

    3 In Belgien fährt jeder achte Belgier wegen der Softdrinksteuer einmal pro Monat zum Getränkeeinkauf über die Grenze. Dem belgischen Einzelhandel entgegen dadurch rund 370 Mio. EUR (Quelle: Österreichisches AußenwirtschaftsCenter Brüssel, 21.10.2024).



    zur detaillierten Position zur Zuckersteuer nach britischem Modell zur Budgetkonsolidierung (Stand November 2024)

    Brancheninitiative AF-Getränke