Gate to heaven, Kyoto, Japan
© Sven Taubert | stock.adobe.com

Japan: Treiber und Trends

Welche Trends bestimmen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Japans? Was sind die großen Treiber hinter Veränderungen in Japan?

Lesedauer: 12 Minuten

08.04.2024

Was sind die Push- und Pull-Faktoren für Nachfrage und Angebot in den einzelnen Industriebereichen? Die nachfolgenden Top-Trends machen deutlich, welche Rahmenbedingungen für Japan und seine Wirtschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten relevant sind. 

Demografische Entwicklung

Die Alterung der derzeit 124,5 Millionen Einwohner zählenden Gesellschaft Japans ist ein zentraler Trend. Fast 30% der Bevölkerung sind über 65 Jahre alt. Die Hälfte der Bevölkerung ist über 48 Jahre alt. Die Anzahl der Geburten liegt bei weniger als 800.000 pro Jahr (das sind 40% des Rekordjahrs 1973 mit fast 2,1 Millionen Neugeborenen). Fast zwei Mio. Japaner sind über 90 Jahre und immerhin 87.000 zählen zu den über 100-jährigen. 

Schon im Jahr 2030 wird die Bevölkerung deutlich unter 120 Mio. ausmachen, 2040 wird sie 110 Mio. und 2050 ca. 100 Mio. betragen. Gleichzeitig nimmt der Anteil der über 65-jährigen rasant zu: von knapp 32% im Jahr 2030 auf fast 36% 2040 und über 38% 2050. Der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung (zwischen 15 und 64 Jahren) geht von 57% 2030 auf 54% 2040 und auf 52% 2050 zurück.

Gründe für die Entwicklung sind: 

  • niedrige Geburtenrate (ca. 1,36 Kinder/Frau), ca. die Hälfte aller unter 30-Jährigen wollen keine Kinder 
  • die sehr restriktive Einwanderungspolitik 
  • der anhaltende Trend zu Single-Haushalten gerade im urbanen Raum. 

Trotz zahlreicher Sonderbudgets, Kinder- und Familienförderungen und kleinerer Erleichterungen im Bereich der Zuwanderung gibt es bisher keine Anzeichen für eine Trendumkehr. Japan muss somit mit dem demografischen Trend umgehen.

Dafür setzt Japan auf eine Kombination aus gesellschaftspolitischen und technischen Lösungen. Dazu zählen u.a.: 

  • Längere Lebensarbeitszeiten: Es gilt das Motto „Leben bis 100, arbeiten bis 70!" Schon jetzt arbeiten mehr als 9,1 Mio. Japaner:innen über 65, das sind ca. 13,5% der Gesamterwerbsbevölkerung. Die Politik verpflichtet Unternehmen, Personen zwischen 65 und 69 Jahren bei Interesse weiter zu beschäftigen.
  • Automatisierung und Robotik: Automatisierungen und Roboterlösungen dienen als Ersatz für menschliche Arbeitskraft und werden auch zur Pflege und Versorgung eingesetzt. Japans Stärke in der Produktion von Industrierobotern sowie die gesellschaftliche Akzeptanz moderner, technologischer Lösungen sind dabei ein klarer Vorteil.
  • Health/Life-Sciences: Neben Robotern im Pflegebereich geht Japan durch eine stille Revolution im medizinischen Bereich. Seit dem Nobelpreisgewinn durch Shinja Yamanaka 2012 im Stammzellenbereich haben Milliarden an Fördergeldern und Gesetzesvereinfachungen Grundlagen für neue Behandlungsmethoden geschaffen. Auf iPS-Stammzellenbasis gibt es weltweit erste Versuche zur Umkehr von Erblindungen [Kobe Hospital] sowie Verbesserungen bei Parkinson­ Erkrankungen und Querschnittslähmungen [Keio Universität]. Länger, gesünder und fit zu leben wird zu einer neuen gesellschaftlichen Grundlage.
    Frauenpolitik: Konfrontiert mit dem zunehmenden Mangel an Arbeitskräften setzt Japan auf eine Verbesserung der Position der Frauen im Berufsleben. Dies hat zu einem deutlichen Anstieg der Erwerbsquote bei Frauen geführt, die jetzt bei ca. 71% liegt und binnen zehn Jahren um ca. 55% angestiegen ist. Für echte Gleichstellung wird ein weiterer massiver Zuwachs des Frauenanteils in Unternehmensführungen notwendig werden.

Japan – geopolitisches Umfeld

Veränderungen im globalen und regionalen geopolitischen Spannungsfeld – die Verschlechterung der Beziehungen zu Russland, die militärische Bedrohung durch Nordkorea und Machtprojektionen Chinas im ost- und südchinesischen Meer - zwingen Japan seine defensive Militärdoktrin neu zu interpretieren, Verteidigungsausgaben zu erhöhen und regional sicherheitspolitische Allianzen zu Partnern wie Australien und Indien zu stärken. 

Ganz besonders wird Japan vor dem Hintergrund dieses Lagebildes das Sicherheitsbündnis mit den USA – traditionell Grundlage japanischer Verteidigungsstrategie – weiter ausbauen und vertiefen. Japans Unterstützung für die von den USA angeführte Initiative zur Beschränkung der Ausfuhr von Halbleitertechnologie nach China signalisiert gemeinsame Interessen an der Absicherung strategisch wichtiger Lieferketten. 

Die Beziehungen zu China bleiben insgesamt schwierig. Der Territorialstreit über die Senkaku-Inseln (in China als Diaoyu-Inseln bekannt) sorgt angesichts zunehmender Luft- und Seeaktivitäten Chinas in dem umstrittenen Gebiet für Eskalationsrisiken. An einer US-Intervention in einem militärischen Konflikt um Taiwan wäre Japan als US-amerikanischer Verbündeter, Truppenstützpunkt und Logistikbasis von Anfang an beteiligt und angesichts starker wirtschaftlicher Verflechtung mit China und der hohen Verwundbarkeit der Inselökonomie durch Störungen der regionalen Schifffahrtsrouten massiv betroffen. Die auch in diesem Kontext zunehmen als Risiko empfundene Abhängigkeit von China als Standort für Produktionsinvestitionen lenkt Japan Investitionsströme bereits in Richtung asiatischer Schwellenländer. 

Nach der Verbesserung der historisch schwer belasteten bilateralen Beziehungen zu Südkorea hat sich die sicherheits- und wirtschaftspolitische Zusammenarbeit der beiden Länder – insbesondere zur Stabilisierung der Lieferketten für Produkte wie Halbleiter und Energie - intensiviert. Die Nachhaltigkeit dieser „Achse“ wird allerdings von der innenpolitischen Dynamik an ihren Endpunkten abhängen. 

Um eine stabile Energieversorgung zu gewährleisten, unterhält das hochgradig importabhängige Japan enge Beziehungen zu den wichtigsten Energieexporteuren im Nahen Osten und verfolgt gegenüber dem israelisch-palästinensischen Konflikt daher eine ausgewogene Position. 

Abstrakte Grafik mit gezeichneten Koi Fischen mit Wellen in den Farben Weiß, Schwarz, Blau, Rot und Gold
© babeer | stock.adobe.com

Economic Security

Japan hat die Weichen für mehr „Economic Security“ gestellt. Covid-19-Pandemie, Logistikkatastrophen in großen Häfen, Reiseschwierigkeiten für Ingenieure und der russische Krieg gegen die Ukraine haben Wirtschaft und Politik vor Augen geführt, wie stark die Abhängigkeit und damit Verletzlichkeit Japans gegenüber anderen Ländern ist.

Die Lieferkettenproblematik wird in Japan durch das im Industriebereich weit verbreitete Just-In-Time-Prinzip noch verstärkt. Japanische Unternehmen verzichten so weit wie möglich auf Lagerhaltung und überlassen den Lieferanten die zeitgerechte Lieferung, strikt eingeplant in den eigenen Produktionsplan. Umso deutlicher fielen die Probleme aus, als Einsatzstoffe aus dem Ausland – von Rohwaren und Baumaterialien über Halbfertigwaren bis zu Computerchips und Sensoren – nicht rechtzeitig oder gar nicht verfügbar waren. 

 „Economic Security“ ist seither die Maxime – und entscheidender Trend - zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der japanischen Industrie. Im Mai 2022 wurde das Gesetz zur „Economic Security Promotion“ erlassen. Die Re-Industrialisierung Japans nicht nur in Schlüsselbereichen, wie der Halbleiterindustrie, hat höchste Priorität. Dafür wurden ähnlich wie in Europa größere finanzielle Unterstützungspakete geschnürt, die bereits erste Erfolge zeigen. Der bisherige Haupterfolg ist die Ansiedlung der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC), die für ein erstes Werk über USD 4,5 Milliarden an Förderungen nutzen kann. Ein zweites Werk des weltweit drittgrößten Halbleiterherstellers ist angekündigt. Ein weiteres Projekt ist der Ausbau der Renesas-Werke (USD 700 Mio. zur Verdoppelung der Produktion). 

Im Vordergrund der Absicherung der Lieferketten stehen elf Schlüsselbereiche, wie Batterien, seltene Erden, andere kritische Mineralien und Erdgas, sowie Teile für die Luft-, Schifffahrt und Automobilindustrie sowie Antibiotika. In vielen Bereichen ist China Hauptlieferant. Japan will aufgrund der Spannungen zwischen den USA und China als Bündnispartner der USA nicht in einen Lieferengpass getrieben werden. 

Zahlreiche KMU bringen ihre Produktion nach Japan zurück. Dazu gehören Hersteller von Haushaltsgütern, Modehersteller und Industriezulieferer. Gerade für KMU hat sich der Umgang mit Krisen in Ländern Südostasiens, gekoppelt mit Logistikproblemen, als zu komplex herausgestellt. Zusätzlich führen die vergleichsweise stark steigenden Container- und Arbeitskosten dazu, dass die Produktion in Japan wieder attraktiver wird.

Im Bereich der Logistik fördert Japan derzeit den Versuch, neue Transportrouten zu etablieren. Logistikfirmen erhalten bis zu ca. 7.500 Euro Zuschuss pro Lieferung, die über bisher nicht genutzte Häfen in Kanada, Mexiko und der US-Ostküste in die USA transportiert wird. Für Alternativen nach Europa werden Routen über die Hafenstädte Japans in Richtung China und der kombinierte See- und Landweg über China, Zentralasien, das Kaspische Meer und die Türkei erprobt. 

Ergänzt werden Betriebsansiedlungen und Fördermaßnahmen durch neue Patentregelungen, die für Schlüsseltechnologien in den Bereichen Luftfahrt, Weltraum, Militärwesen und Cyberspace die allgemeinen Patentveröffentlichungsregeln aufheben. Es gibt einen eigenen Kabinettminister für Economic Security. Diese ist außerdem Gegenstand der neuerlassenen National Security Strategy of Japan 2022. 

Zur National Security Strategy of Japan 

 

Handelspolitik

Japan engagiert sich als Vorreiter und Verteidiger von Freihandels- und Partnerschaftsabkommen. Davon profitieren auch Europa und Österreich. Durch das EU-Japan-Partnerschaftsabkommen 2019 wurde der Großteil der von EU­ Unternehmen zu entrichtenden Zölle abgeschafft. Zudem wurden auch viele überkommene regulatorische Handelshemmnisse beseitigt. Das Abkommen öffnet den japanischen Markt für EU-Exporte von Agrarwaren, Lebensmitteln und Getränken sowie für über 200 geografische Angaben [Gis] von regionaltypischen europäischen Nahrungsmittel- und Getränkeerzeugnissen [z. B. Tiroler Speck, steirisches Kürbiskernöl, steirischer Kren, lnländerrum, Jägertee]. Durch das Abkommen können europäische Unternehmen gleichberechtigt mit japanischen Unternehmen in vielen Städten Japans an Ausschreibungen teilnehmen. Das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Japan ist auch das erste Handelsabkommen der EU, das ein ausdrückliches Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzübereinkommen beinhaltet. Im Jänner 2024 wurde ein Protokoll unterzeichnet, mit dem Bestimmungen zum grenzüberschreitenden Datenverkehr in das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und Japan aufgenommen werden sollen. Mit diesem Protokoll wird für mehr Rechtssicherheit gesorgt, indem der Datenverkehr zwischen der EU und Japan nicht durch ungerechtfertigte Datenlokalisierungsmaßnahmen behindert wird; zudem wird der Nutzen des freien Datenverkehrs im Einklang mit den jeweiligen Vorschriften der EU und Japans zum Datenschutz und zur digitalen Wirtschaft gewährleistet.

Österreichische Unternehmen nutzen die Vorteile des EU-Japan Handelsabkommens durch direkte und indirekte Exporte besonders aktiv. In den fünf Jahren seit Inkrafttreten haben österreichische Exportunternehmen bereits 50 Millionen Euro an Zöllen gespart. Auch bei Österreichs Warenexporten kann in den ersten fünf Jahren mit einem Plus von über 10 % eine positive Bilanz gezogen werden. 

Handelsabkommen EU mit Japan

Neben dem EU-Japan Partnerschaftsabkommen 2019 sind es vor allem die nachfolgenden regionalen Abkommen, die Japans Wirtschaft nützen.

  • TTP 
    Der transpazifische Freihandelspakt (TTP) umfasst derzeit elf Anrainerstaaten des pazifischen Ozeans inklusive Mexiko, Kanada, Australien, Chile und Peru. Neben der wirtschaftlichen Bedeutung für das Land (mit einem Gesamt-BIP von über USD 11 Billionen) hat Japan nach dem Rückzug der USA aus den Verhandlungen den Test als Verhandlungsführer eines bedeutenden multilateralen Wirtschaftsabkommens erfolgreich bestanden. Großbritannien hat im Sommer 2023 die TTP11-Verträge unterschrieben und wartet auf die Ratifizierung durch die elf Gründerstaaten, was für die zweite Jahreshälfte 2024 erwartet wird.
  • RCEP 
    Die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) ist ein 2022 in Kraft getretenes Freihandelsabkommen zwischen den zehn ASEAN-Mitgliedsstaaten (s.u.) und fünf weiteren Staaten in der Region Asien-Pazifik. Es hat immense Bedeutung für Japan als erstes Freihandelsabkommen, an dem auch China und Südkorea beteiligt sind. RCEP umfasst ca. 30% der Weltbevölkerung und des Welt-BIP, reicht aber wirtschaftlich weniger tief als viele anderen Abkommen. 
  • ASEAN-Japan Comprehensive Economic Partnership Agreement 
    Japan vertieft damit seit 2019 seine Beziehungen zu den zehn südostasiatischen Staaten des ASEAN-Bündnisses. Diese gelten allesamt als sehr schnell wachsende Volkswirtschaften mit enormem Potenzial als Produktionsstandorte sowie als Absatzmärkte. Japan genießt in fast all diesen Ländern einen ausgezeichneten Ruf, der auf umfangreichen Entwicklungshilfen, starker Präsenz japanischer Unternehmen und Touristen sowie Nichteinmischung in politische Angelegenheiten beruht. 

Die von Japan forcierten Freihandels- und Partnerschaftsabkommen sind auch ein relevanter Beitrag zur Stabilisierung der asiatisch-pazifischen Region. Japan ist wichtiger Stützpunkte der US-Pazifikstreitkräfte. 

WKO Analyse RCEP


Auf einem Zug befinden sich Container. Diese sind jeweils ganzflächig mit der japanischen Flagge bemalt. Der Zug fährt durch ländliches Gebiet und am Rand steht eine Hochspannungsleitung.
© Negro Elkha | stock.adobe.com

Energiewende

Japan ist eines von über 130 Ländern weltweit, das sich die Erreichung der CO2-Neutralität als Ziel gesetzt hat: Dies soll bis 2050 erreicht werden. Bis 2030 soll es eine Reduktion der Treibhausgase um 46% geben. Anders als andere Länder war Japan Schauplatz des letzten großen Versagens der Atomenergie. 2011 kam es in Folge eines Seebebens und Tsunamis in Fukushima zum bislang größten Atomunfall im 21. Jahrhundert. Noch immer sind einzelne Gebiete gesperrt. Der Ausstieg aus der Atomkraft wurde inzwischen weitgehend relativiert. „Sichere Atommeiler“ werden wieder als saubere Alternative zu (teurem) Gas und Kohle gesehen, um die Klimaziele und ein höheres Maß an Energiesicherheit zu erreichen. Fast ein Dutzend der 33 kommerziell nutzbaren Reaktoren sind bereits wieder am Netz, weitere sollen nach Umbauten folgen. Atomenergie stellt in Japan wieder mehr als 10% der gesamten Stromenergie zur Verfügung. Vor der Fukushima-Katastrophe lag diese Rate bei 30% mit Plänen zur Erhöhung auf 50%. 

Erneuerbare Energien spielen inzwischen eine große Rolle. Solarenergie erlebte regelrechte Boomjahre. Japan ist sich der Abhängigkeit gegenüber importierten Energiequellen bewusst. Nur ca. 11% der Energie kann aus eigenen Quellen, vorwiegend erneuerbare Energien und Wasserkraft, gedeckt werden. Das ist die niedrigste Rate unter den OECD-Staaten. Mehr als 83% der Energie stammt von fossilen Brennstoffen, die allesamt importiert werden. Bei Erdöl (jährlich ca. 910 Mio. Barrels) dominieren Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Qatar mit über 90% der Lieferungen, bei Gas (ca. 74 Mio. Tonnen) Australien, Malaysien, Qatar, USA, Russland und Brunei mit über 85%. Bei der Kohle (ca. 180 Mio. Tonnen) sind Australien, Indonesien, Russland, Canada und die USA mit über 98% die Herkunftsländer. Viele davon sind mit Japan über langfristige Lieferverträge vernetzt. Dadurch fiel der Anstieg der Energiepreise weniger stark aus. 

Japan räumt dem Energieträger Wasserstoff eine wesentlich bedeutendere Rolle als Europa ein. Wasserstoff soll verstärkt andere Energieträger ablösen, vor allem im Industriebereich, bei der Energiegewinnung in Haushalten und bei Kraftfahrzeugen. Anders als in Europa wird in Japan nicht zuerst auf die umweltfreundliche Erzeugung von Wasserstoff fokussiert, sondern auf die möglichst rasche Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten und Nutzungsvarianten. Mit höherer Nutzung sollen die Produktionskosten fallen. Sobald technisch und wirtschaftlich möglich, soll der noch als „braun“ bezeichnete Wasserstoff (Erzeugung v.a. in Australien aus Kohle inkl. Carbon-Capture) durch blauen und grünen Wasserstoff ersetzt werden. Ziel ist, dass die Regierung die Preisunterschiede zwischen Wasserstoff (und Ammoniak) und traditionellen Energiequellen aus fossilen Brennstoffen in den nächsten 15 Jahren subventioniert. Für die Aufrüstung der Wasserstoffinfrastruktur sollen über die nächsten zehn Jahren 50 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Im Automotivbereich sollen in den nächsten Jahren 850 zusätzliche Wasserstofftankstellen (derzeit 166) die Entscheidung für ein Wasserstoffauto erleichtern. Dabei hilft, dass der größte Autobauer der Welt – Toyota – weiterhin stark auf Wasserstoff setzt und erst seit dem EV-Boom in China und anderen wichtigen Exportregionen ernsthaft in die Entwicklung von Elektroautos investiert. Finanziell unterstützt wird die Energiewende bei Produktionsprozessen sowie im Endverbrauch und der Gebäude-Infrastruktur, wo es vor allem um mehr Energieeffizienz und bessere Temperaturdämmung geht.

Auch auf der Unternehmensseite wird die Dekarbonisierung ernst genommen. „Greenwashing“ wird medial stark kritisiert. Im Lebensmittelbereich ist Nachhaltigkeit ebenfalls ein Thema. Entsprechende Produkte kommen beim Konsumenten besser an. Gesetzliche Regelungen dazu sind aber kaum vorhanden. 

Straße mit beleuchteten Schildern in Downtown Shinjuku in Tokyo
© tokyovisionaryroom | stock.adobe.com

Digitalisierung

In kaum einem anderen OECD-Land ist der durch die Covid-19-Pandemie ausgelöste Digitalisierungs- und Modernisierungsschub deutlicher spürbar als in Japan. Galt Japan 2018/19 noch als der große Nachzügler in Bereichen digitaler Kommunikation und E-Commerce, hat sich dieser Trend massiv umgekehrt. Dafür sorgt auch ein neues „Digitalisierungsministerium“ (Digital Agency), das im Herbst 2021 seine Arbeit aufnahm. Das Digitalisierungsministerium 

  • ist verantwortlich für die Digitalisierung aller Lebensbereiche, nicht nur für E-Government 
  • setzt den Fokus darauf, Technologien einzusetzen und anzuregen, um „alle Bürger in die Digitalisierung mitaufzunehmen“
  • ist stark auf KMU ausgerichtet, damit deren Überleben, wirtschaftlicher Erfolg und Effizienzsteigerungen ermöglicht werden sollen 
  • verfügt über einen hohen Anteil an Mitarbeitern (ca. 1/3) direkt aus der privaten Digitalwirtschaft.

Maßnahmen sind u.a. die Erweiterung der nationalen ID-Karte „My Number Card“ zur Krankenversicherungskarte und zum Führerschein, die Umsetzung digitaler Rechnungslegung im B2B-Geschäftsverkehr (basierend auf int. Peppol System) und ein Gesetz für bargeldloses Bezahlen. Die Vision Japans als „Society 5.0“ soll eine Verschmelzung des virtuellen Raums mit der physischen Wirklichkeit bringen.

Innovation ist die japanische Antwort auf die stark industriezentrierte Politik der Industrie 4.0 in Europa. Menschen in allen Lebensbereichen sollen durch den innovativen Einsatz von KI, Robotern und Automatisierungslösungen von redundanten oder mühseligen Arbeitsprozessen befreit werden. Die Vision dieser Gesellschaft wird unterstützt durch Japans Versuch, in bestimmten Technologiebereichen Quantensprünge der Entwicklung zu erreichen. Das entsprechende Moonshot­ Programm stellt ebenfalls den Menschen/die Gesellschaft in den Mittelpunkt, um z. B. Freiheit von Grenzen des eigenen Körpers, Zeit und Raum, eine frühe Erkennung möglicher Erkrankungen, Quantencomputer, Kl-Assistenten oder ein nachhaltiges, zirkuläres Ressourcen­ Management bei gleichzeitiger Abschaffung von Nahrungsmittelengpässen zu ermöglichen.