Lächelnde Frau vor Backsteinmauer
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Erfolgreich in Australien: Monika Obrist

Die Grazer Architektin im Gespräch

Lesedauer: 6 Minuten

Australien Architektur
14.03.2025

Werdegang

Wie hat Ihr Weg Sie von der TU Graz nach Australien geführt?

Das ist eine längere Geschichte: Nach meinem Studium an der TU Graz führte mich mein Weg zunächst für einen kurzen Stint nach Wien zu Coop Himmelb(l)au. Danach folgte ein Karrierewechsel in die Grafik, bevor es mich zurück nach Graz zog. Einige Jahre später, auf der Suche nach einer neuen Richtung und einem Abenteuer, landeten mein Partner Erhard und ich schließlich zuerst in Sydney und seit 20 Jahren in Brisbane.

Was waren Ihre ersten Eindrücke von der Architektur- und Designszene in Australien?

Als wir vor mehr als 20 Jahren in Sydney ankamen und uns später in Brisbane niederließen, hatten wir den Eindruck, dass die australische Architektur- und Designszene noch in einer Phase der Entwicklung war. Abgesehen von Harry Seidler – einem Österreicher, dessen Familie während des Zweiten Weltkriegs nach Australien floh – war die Architektur oft von einer eher pragmatischen, funktionalen Herangehensweise geprägt. Doch seither hat sich viel getan, und heute entstehen in Australien einige der spannendsten und innovativsten Bauwerke weltweit. Zudem ist die Wertschätzung für Architektur gewachsen, und viele Australier sind bereit, mehr in hochwertige Gestaltung zu investieren.

Wie profitieren Sie in Ihrer Arbeit von Ihrem österreichischen Hintergrund und Ihrer Ausbildung an der TU Graz?

Unser österreichischer Hintergrund und die Ausbildung an der TU Graz haben unsere Herangehensweise an Architektur und Design maßgeblich geprägt. Die fundierte technische, gesellschaftliche und konzeptionelle Ausbildung hat uns ein tiefgehendes Verständnis für Konstruktion, Materialität und räumliche Qualität vermittelt. Doch nicht nur das Bauen selbst, sondern insbesondere der urbane Kontext und das Streben nach einer gerechteren Gesellschaft profitieren von diesem Wissen. In Australien, wo Anpassungsfähigkeit und kreative Lösungen essenziell sind, erweist sich diese Kombination aus Präzision und Flexibilität als wertvolles Asset für die Entwicklung von nachhaltigem und durchdachten Design.

Wohnbau & Nachhaltiges Bauen 

Wie unterscheidet sich der Wohnbau in Australien von jenem in Österreich? Gibt es besondere Herausforderungen oder Chancen?

Der Wohnbau in Australien unterscheidet sich stark von jenem in Österreich, insbesondere in der städtebaulichen Struktur. In Australien dominieren großflächige Einfamilienhausviertel ohne ausreichende Infrastruktur sowie Hochhäuser in den Innenstädten. Dazwischen fehlt oft eine angemessene mittlere Dichte – das sogenannte 'Missing Middle' –, also verdichteter Flachbau, der eine ausgewogene Alternative zwischen Einfamilienhäusern und Hochhäusern bietet. 

Diese Situation stellt sowohl eine Herausforderung als auch eine Chance dar. Einerseits führt sie zu Problemen wie Zersiedelung, langen Pendelwegen und einem hohen Flächenverbrauch. Andererseits eröffnet sie für REFRESH* enormes Potenzial für innovative Wohnformen, die eine bessere Durchmischung und nachhaltigere Stadtentwicklung ermöglichen. Durch gezielte Nachverdichtung und neue Konzepte für gemeinschaftliches Wohnen arbeiten wir an zukunftsweisenden Lösungen. 

Nachhaltigkeit ist ein großes Thema – welche Entwicklungen sehen Sie aktuell im australischen Bausektor?

Nachhaltigkeit ist ein großes Thema im australischen Bausektor – es wird viel darüber gesprochen, doch die tatsächliche Umsetzung hinkt oft hinterher. Während das Bewusstsein dafür wächst, fehlt es noch an weitreichenden politischen Rahmenbedingungen und konsequenten Maßnahmen in der Praxis. 

Ein vielversprechender Trend ist jedoch der zunehmende Einsatz von Modern Methods of Construction (MMC). Diese innovativen Bauweisen, die auf Vorfertigung und Effizienz setzen, kommen langsam ins Rollen. Wir selbst haben bereits mehrere Hybrid-Projekte mit KLH umgesetzt, bei denen Holz in Kombination mit anderen Materialien nachhaltige und zukunftsfähige Bauweisen ermöglicht. Diese Entwicklungen zeigen, dass der Wandel in Gang kommt – auch wenn es noch ein weiter Weg ist. 

Welche Rolle spielen klimatische Bedingungen in der australischen Architektur? Gibt es innovative Ansätze, um sich an extreme Temperaturen und Wetterbedingungen anzupassen?

Da wir in Brisbane leben und hauptsächlich in Südost-Queensland bis hinunter nach Newcastle planen und bauen, sind die Temperaturunterschiede in diesen Breitengraden im Vergleich zu Österreich relativ gering. Während in Österreich mit Temperaturen zwischen -20 und +35 Grad gearbeitet werden muss, bewegen sich die Schwankungen hier zwischen etwa 0 und +40 Grad. Eine besondere Herausforderung in Australien ist jedoch die oft extrem hohe Luftfeuchtigkeit, die zu Problemen wie Schimmelbildung führen kann. Diesen begegnen wir durch detaillierte Wetteranalysen und strategisch platzierte Öffnungen zur optimalen Belüftung. 

Neben der Hitze und Luftfeuchtigkeit stellen auch extreme Wetterereignisse eine große Herausforderung dar. Aktuell arbeiten wir an einem Einfamilienhaus am Brisbane River, das in den letzten zehn Jahren bereits zweimal überflutet wurde. Unser Design reagiert darauf mit einem innovativen Konzept: Der untere Bereich des Hauses wird als überdachter Außenraum genutzt und kann bei Hochwasser problemlos geflutet werden, während die Wohnräume sicher im erhöhten Teil des Hauses liegen. Solche Lösungen sind essenziell, um die Architektur an die sich verändernden klimatischen Bedingungen anzupassen und widerstandsfähige, zukunftsfähige Gebäude zu schaffen. 

Berufliche Erfahrungen & Erfolge 

Sie haben Erfahrung mit Design Management und Branded Environments – wie beeinflusst das Ihre Herangehensweise an nachhaltige Bauprojekte? Bzw. Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihren Projekten, und wie setzen Sie das konkret um?

Ich sehe Nachhaltigkeit nicht nur als ökologische Verantwortung, sondern auch als integralen Bestandteil einer ganzheitlichen Markenstrategie. 

Für mich ist Nachhaltigkeit nicht nur eine ökologische Verantwortung, sondern ein zentraler Bestandteil einer ganzheitlichen Markenstrategie. Durch meine Ausbildung an der TU Graz habe ich gelernt, Architektur, Materialforschung und Nutzererfahrung zu verknüpfen, um nachhaltige, funktionale und markenkonforme Lösungen zu schaffen. 

Konkret setze ich Nachhaltigkeit durch gezielte Materialwahl und Kreislaufwirtschaft, energieeffiziente Gebäudetechnologien sowie flexible und langlebige Konzepte um. Zudem steht das Wohlbefinden der Nutzer im Fokus – nachhaltige Räume sollen inspirieren und langfristig funktionieren. Kurz gesagt: Nachhaltigkeit ist für mich kein Zusatz, sondern ein strategischer Ansatz, der Design, Marke und Umweltbewusstsein vereint.

Rendering einer Wohnhaussiedlung mit spielenden Kindern im Vordergrund
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Können Sie uns ein Projekt nennen, das Ihr Erfolgsrezept für nachhaltiges Bauen besonders gut veranschaulicht?

Ein gutes Beispiel für unser Erfolgsrezept im nachhaltigen Bauen ist Trio on Amos, das eine innerstädtische Brachfläche in hochwertiges, nachhaltiges Wohnen verwandelt hat – mit drei Reihenhaus-Einheiten, die urbane Nachverdichtung intelligent nutzen.

Ebenso verkörpert Habitat on Juers, ein sozialer Wohnbau in verdichteter Flachbauweise, nachhaltiges Design. Seine wohl bedeutendste Wirkung liegt jedoch in der Schaffung existenzieller Sicherheit für die Bewohner – einem Gefühl von Stabilität, Zugehörigkeit und langfristiger Perspektive für eine oft vernachlässigte Bevölkerungsschicht, das durch durchdachte Architektur und nachhaltige Bauweise gezielt gefördert wird. 

Ein weiteres spannendes Projekt ist Rail Trail Refuge durch seinen kleinen ökologischen Fußabdruck, die Förderung sanften Tourismus und ein eigenes Abwassermanagement.

Zukunft & Perspektiven 

Welche Trends und Technologien werden Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren die Wohnbau- und Nachhaltigkeitsbranche in Australien prägen?

In den kommenden Jahren werden mehrere Trends die Wohnbau- und Nachhaltigkeitsbranche in Australien prägen.

Modern Methods of Construction (MMC) gewinnen an Bedeutung, da sie Effizienz, Nachhaltigkeit und Kosteneffektivität steigern. Zudem wächst das Interesse an Mehrgenerationen-Wohnmodellen, um flexibel auf soziale und wirtschaftliche Veränderungen zu reagieren. 

Ein weiteres zentrales Thema ist das 'Missing Middle' – also eine sensiblere Nachverdichtung zwischen Einfamilienhäusern und Hochhäusern. Neue Gesetzgebungen in NSW, die beispielsweise Aufstockungen oder Dachbodenausbauten erleichtern, sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Diese Entwicklungen bieten große Chancen, nachhaltiger und lebenswerter zu bauen.

Gibt es bestimmte Aspekte oder Konzepte aus Österreich, die Sie gerne stärker in Australien sehen würden?

Viele der aktuellen Trends in Australien – wie MMC, Mehrgenerationenwohnen und sensible Nachverdichtung – sind in Österreich bereits seit den 1990er-Jahren oder länger etabliert. Besonders der verdichtete Flachbau als Lösung für das 'Missing Middle' sowie innovative Wohnmodelle mit gemeinschaftlichen Mehrgenerationen und nachhaltigen Aspekten könnten in Australien viel bewirken. Es wäre spannend, diese erprobten Konzepte stärker in den lokalen Kontext zu übersetzen und weiterzuentwickeln.

Was würden Sie ArchitektInnen oder Unternehmen aus Österreich raten, die in den australischen Markt eintreten wollen?

Für ArchitektInnen und Unternehmen aus Österreich, die in den australischen Markt eintreten wollen, ist Geduld entscheidend. Die Baubranche ist stark reguliert, und neue Produkte oder Technologien müssen strenge Zertifizierungsverfahren durchlaufen. Zudem gibt es etablierte 'Platzhirsche', die den Markteintritt oft erschweren können. 

Der beste Ansatz ist, mit einem lokalen Unternehmen ein Joint Venture zu bilden. So lassen sich Marktzugang, Zertifizierungen und Netzwerke effektiver erschließen, während gleichzeitig das lokale Know-how genutzt wird.

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