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Versand- und Internethandel, Berufsgruppe

Die neue EU-Produkt­sicherheits­verordnung (GPSR): Anwendungs­bereich und Übersicht über die Wirtschaftsakteur:innen

Was ab 13. Dezember 2024 zu beachten ist

Lesedauer: 7 Minuten

Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung, die ab dem 13. Dezember 2024 unmittelbar anwendbar ist, entwickelt das bestehende Produktsicherheitsrecht weiter und sieht neue Pflichten für den Online-Handel vor. Welche Verpflichtungen das sind und wie diese umgesetzt werden können, erläutern wir in diesem Beitrag mit FAQs

Die Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit (Produktsicherheitsverordnung), die ab dem 13. Dezember 2024 in allen EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbar ist, regelt das Produktsicherheitsrecht neu und ersetzt die EU-Produktsicherheitsrichtlinie aus dem Jahr 2001 sowie das österreichische Produktsicherheitsgesetz 2004, in dem die Vorschriften der Richtlinie national umgesetzt wurden.

Ziel der Verordnung ist es, das bestehende Produktsicherheitsrecht an die Entwicklungen der voranschreitenden Digitalisierung anzupassen und für Kohärenz mit den erlassenen Harmonisierungsvorschriften und Normen zu sorgen. Der Rechtsrahmen wird also nicht gänzlich verändert, sondern lediglich weiterentwickelt und angepasst.  

Anwendungsbereich

Die Produktsicherheitsverordnung gilt grundsätzlich für alle Verbraucherprodukte, die auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht werden. Auch gebrauchte, reparierte oder wiederaufgearbeitete Produkte sind betroffen.  

Ein Verbraucherprodukt ist ein Produkt, das für Verbraucher bestimmt ist. Unter die Produktsicherheitsverordnung fallen aber auch Produkte, die grundsätzlich ausschließlich zur gewerblichen Nutzung bestimmt sind, wenn sie auf den Verbrauchermarkt gelangen und „unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von Verbrauchern benutzt werden“. 

Die Verordnung gilt nicht für: 

  • Human- und Tierarzneimittel
  • Lebensmittel
  • Futtermittel
  • lebende Pflanzen und Tiere
  • tierische Nebenprodukte und Folgeprodukte
  • Pflanzenschutzmittel
  • Beförderungsmittel
  • Luftfahrzeuge
  • Antiquitäten
  • Produkte, die vor ihrer Verwendung repariert oder wiederaufgearbeitet werden müssen, wenn diese Produkte dahingehend eindeutig gekennzeichnet in Verkehr gebracht wurden. 

Zudem kommen die Vorschriften der Produktsicherheitsverordnung in folgenden Fällen nicht zur Anwendung: 

  • Handel außerhalb der EU: Produkte, die ausschließlich für den Export aus der EU bestimmt sind und nicht innerhalb des EU-Marktes vertrieben werden, fallen nicht unter die Bestimmungen der Verordnung. Die Verordnung zielt darauf ab, die Produktsicherheit innerhalb des Binnenmarktes zu gewährleisten
  • Produkte mit Reparatur- oder Wiederaufarbeitungsbedarf, wenn sie ausdrücklich als solche am Markt bereitgestellt werden (eindeutige Kennzeichnung erforderlich)
  • Produkte, die nicht für Verbraucher bestimmt sind und unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich auch nicht von Verbrauchern benutzt werden (z.B. große Produktionsmaschinen für die Industrie)

Die Verordnung gilt teilweise für: 

In der EU gibt es bereits zahlreiche produktspezifische Vorschriften (Harmonisierungsvorschriften), die die Sicherheit dieser Produkte regeln. Für Produkte, für die bereits Sicherheitsanforderungen aufgrund von spezifischen EU-Rechtsvorschriften bestehen, gilt die Produktsicherheitsverordnung nur teilweise. 

Beispiele: Kosmetik-VO, Medizinprodukte-VO, Spielzeug-RL usw. 

Bei diesen Produkten sind nur ausgewählte Vorschriften der Produktsicherheitsverordnung anzuwenden, wie z.B. die Informationspflichten im Fernabsatz.  

Sehen die speziellen EU-Vorschriften nur Sicherheitsanforderungen in Bezug auf ein bestimmtes Risiko vor, das von Produkten ausgehen kann (z.B. leichte Entzündlichkeit), so findet für alle weiteren Risiken, die vom Produkt ausgehen können, die Produktsicherheitsverordnung Anwendung.  

Hinweis: Für die meisten Produkte bestehen bereits europäische Spezialvorschriften, weshalb die Produkte, für welche die Produktsicherheitsverordnung komplett anwendbar ist, eher die Ausnahme bilden.

Übersicht über die Wirtschaftsakteur:innen

Welche Verpflichtungen das eigene Unternehmen im Bereich Produktsicherheit treffen, ist davon abhängig, welche Rolle das Unternehmen in der Lieferkette einnimmt. 

Vorfrage: Gibt es spezifische Unionsrechtsvorschriften, die die Sicherheit von Produkten regeln?  

Um festzustellen, welche Rolle das eigene Unternehmen in der Lieferkette einnimmt, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob bereits spezifische Unionsrechtsvorschriften bestehen, in denen Sicherheitsanforderungen für das Produkt festgelegt sind.  

Die meisten speziellen Rechtsvorschriften für Produkte (bspw. Kosmetikprodukte-Verordnung, Medizinprodukte-Verordnung etc.) definieren selbst die Begriffe wie Hersteller, Händler, Bevollmächtigter oder Importeur/Einführer. Gibt es eine Harmonisierungsvorschrift, sind die Definitionen in dieser Vorschrift vorrangig. 

Beispiel: 
Für einen Händler der Kosmetikprodukte vertreibt, sind demnach die Händler-Definition sowie die Händlerpflichten nach der Kosmetikprodukte-Verordnung maßgeblich. Zusätzlich sind jedoch immer (!) die ergänzenden allgemeinen Vorschriften der Produktsicherheitsverordnung zu beachten. 

Wirtschaftsakteure nach der Produktsicherheitsverordnung

Kommt man zu dem Schluss, dass es keine spezielle Vorschrift gibt, ist die Produktsicherheitsverordnung zur Gänze anwendbar. Es ist daher nach den Bestimmungen der Produktsicherheitsverordnung festzustellen, welche Rolle das Unternehmen einnimmt.  

Die Produktsicherheitsverordnung gilt unmittelbar für alle in der EU tätigen Wirtschaftsakteure und nimmt daher alle Beteiligten in der Lieferkette in die Pflicht. Wirtschaftsakteure sind insbesondere Hersteller, Einführer, Bevollmächtigte und Händler oder jede andere Person, die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Herstellung von Produkten, deren Bereitstellung auf dem Markt oder deren Inbetriebnahme gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften unterliegt.

Hersteller

Hersteller ist gemäß der Legaldefinition (Art. 3 Z 8) „jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt herstellt oder entwerfen oder herstellen lässt und dieses Produkt in ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Handelsmarke vermarktet“.  

Darunter fallen:  

  • Personen, die das Produkt tatsächlich herstellen (z.B. Unternehmen, das Schmuck in eigener Produktion herstellt)  
  • Personen, die das Produkt entwerfen oder herstellen lassen und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder unter ihrer eigenen Marke vermarkten 

Beispiel:
Ein Unternehmen, das Kleidung in der Türkei herstellen lässt und anschließend unter dem eigenen Firmennamen oder unter einer eigenen Marke innerhalb der EU vertreibt, gilt als Hersteller im Sinne der Produktsicherheitsverordnung. Daher müssen die Herstellerpflichten nach dieser Verordnung erfüllt werden (sofern keine speziellere Rechtsvorschrift besteht). 

Wesentliche Veränderung durch eine Person, die nicht der Hersteller ist: Wenn eine Person, die nicht der Hersteller ist, das Produkt wesentlich verändert und sich diese Änderung auf die Sicherheit des Produkts auswirken könnte, so gilt diese Person als Hersteller. Nähere Informationen zur wesentlichen Veränderung finden Sie hier. 

Bevollmächtigte

Als Bevollmächtigter gilt gem. Art. 3 Z 9 der Verordnung „jede innerhalb der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die von einem Hersteller schriftlich beauftragt wurde, in dessen Namen bestimmte Aufgaben im Hinblick auf die Erfüllung der Pflichten des Herstellers gemäß dieser Verordnung wahrzunehmen“.  

Beim Bevollmächtigten handelt es sich daher um eine Person bzw. ein Unternehmen, das mit schriftlichem Mandat des Herstellers ausgestattet ist und rechtliche Pflichten, die den Hersteller nach der Verordnung treffen, im Namen des Herstellers übernimmt. Der Hersteller und die bevollmächtigte Person stehen daher in einem Vertragsverhältnis, in dem sich der Bevollmächtigte verpflichtet, bestimmte Pflichten nach der Produktsicherheitsverordnung im Namen des Herstellers zu übernehmen. 

Einführer

Einführer ist gem. Art. 3 Z 10 „jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland in der Union in Verkehr bringt“. Unter dem Begriff „Inverkehrbringen“ ist die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt gemeint (Art. 3 Z 6). Somit sind Unternehmen, die Produkte aus Nicht-EU-Ländern importieren und diese in der EU verkaufen, als Einführer zu qualifizieren.

Beispiel: Ein österreichisches Unternehmen lässt Trinkflaschen in der Türkei herstellen. Die Trinkflaschen werden im Onlineshop des Unternehmens zum Kauf angeboten und werden nicht unter dem eigenen Namen oder der eigenen Marke des Onlineshop-Betreibers verkauft. Die Lieferung ist EU-weit möglich. Das österreichische Unternehmen ist Einführer im Sinne der Produktsicherheitsverordnung.  

Händler

Händler ist gem. Art. 3 Z 11 „jede natürliche oder juristische Person in der Lieferkette, die ein Produkt auf dem Markt bereitstellt, mit Ausnahme des Herstellers und des Einführers“. Anders ausgedrückt: Händler ist jeder, der ein Produkt auf den Unionsmarkt bereitstellt (also ein Produkt zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung abgibt) und nicht Hersteller oder Einführer ist. 

Beispiel: Ein österreichischer Unternehmer kauft Trinkflaschen von einem Hersteller, der seinen Sitz in Deutschland hat, ein und verkauft diese in seinem Onlineshop. Der Unternehmer ist Händler im Sinne der Produktsicherheitsverordnung, weil er das Produkt weder selbst herstellt (sonst wäre er Hersteller) noch aus einem Nicht-EU-Land importiert (sonst wäre er Einführer). 

Verantwortliche Person

Ein Produkt, das unter die Produktsicherheitsverordnung fällt, darf gem. Art. 16 der Verordnung nur dann auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht werden – also online oder stationär am EU-Markt angeboten werden -, wenn eine verantwortliche Person existiert, die in der EU niedergelassen ist und, die in Bezug auf das Produkt bestimmte Aufgaben nach der Marktüberwachungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/1020 über Marktüberwachung und die Konformität von Produkten) wahrnimmt. 

Als verantwortliche Person gilt 

  • der Hersteller: Für Produkte von in der EU ansässigen Herstellern - gleichgültig, ob sie online oder stationär verkauft werden – wird der EU-Hersteller die verantwortliche Person sein.
  • der Bevollmächtigte: Hat ein außereuropäischer Hersteller einen in der EU niedergelassenen Bevollmächtigten bestellt, so ist dieser als verantwortliche Person zu qualifizieren.
  • der Einführer: Wenn ein EU-Importeur Produkte von außereuropäischen Herstellern auf dem gemeinsamen Markt in Verkehr bringt, trägt er für die Sicherheit der Produkte die volle Verantwortung, sofern der Hersteller keinen Bevollmächtigten bestellt hat.
  • der Fulfillment-Dienstleister: Wenn ein außereuropäischer Hersteller keinen Bevollmächtigten in der EU bestellt hat und das Produkt auch nicht von einem EU-Importeur auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht wird, so wird der in der Union ansässige Fulfillment-Dienstleister zur verantwortlichen Person.  

1 vgl. Art. 4 Abs. 2 Verordnung (EU) 2019/1020 (Marktüberwachungsverordnung), Art. 16 Abs. 1 Verordnung (EU) 2023/988 (Produktsicherheitsverordnung) 

Übersicht

Art der Wirtschaftsbeteiligten, die die verantwortliche Person in der EU sein können Die Art und Weise, wie sie verantwortliche Person werden
Hersteller in der EU Durch ihren Standort in der EU (z.B. Produktionsstätte).
Importeuer in der EU bzw. der Einführer Durch das Inverkehrbringen eines Produkts auf dem EU-Markt; durch den Verkauf an einen Händler oder durch das Angebot zum Verkauf an Endnutzer
Bevollmächtigter Vom Hersteller zu diesem Zweck beauftragt
Fulfillment-Dienstleister Nur wenn es keine der drei anderen Arten von Wirtschaftsakteuren in der EU gibt und es sich um einen in der Union ansässigen Fulfillment-Dienstleister handelt

Die Europäische Kommission hat Leitlinien zur Bestimmung der verantwortlichen Person veröffentlicht.


Weitere Informationen

Stand: 26.11.2024

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