Tittler, Mahrer und Hopfner bei der PK zum Thema: Was die Wirtschaft jetzt braucht!
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Was unsere Wirtschaft jetzt braucht!

Der Standort Österreich steht vor einigen Herausforderungen. Eine wesentliche davon ist die sinkende Wettbewerbsfähigkeit, die auch die Erholung der Konjunktur in Österreich bremst. Hier gegenzusteuern, muss eine primäre Aufgabe der nächsten Regierung sein. WKÖ-Präsident Harald Mahrer fordert drei zentrale Maßnahmen.

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Aktualisiert am 18.06.2024

„Wir haben drei Bremsklötze, die aktuell unseren Wohlstand und das Wachstum gefährden: Das sind die überbordende Bürokratie, die hohen Lohnnebenkosten und der in vielen Bereichen vorherrschende Arbeitskräftemangel“, sagt Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich anlässlich seines Besuches in Vorarlberg.
Es sei daher höchst an der Zeit, hier gegenzusteuern. Die Wirtschaftskammer habe daher eine neue Forderungskampagne gestartet. Im Mittelpunkt stehen drei zentrale Forderungen:

- Weniger Bürokratie, um die Betriebe zu entlasten und die unternehmerische Freiheit nicht unnötig einzuengen.
- Lohnnebenkosten senken, um die hohen Lohnkostensteigerungen zumindest etwas zu kompensieren.
- Mehr Netto vom Brutto, damit sich Arbeit stärker lohnt.

Überbordende Bürokratie
Im Sinne eines modernen Staates sind Regulierungen effizient zu gestalten, unnötige Melde- und Informationspflichten müssen entfallen und bei neuen Regelungsvorhaben braucht es auch stets eine wirkungsorientierte Folgenabschätzung.

Rund neun Arbeitsstunden muss jedes Unternehmen im Schnitt pro Woche für Bürokratie aufwenden. Zu diesem Ergebnis kommt eine market-Studie im Auftrag der WKÖ. Besonders betroffen sind KMU, bei diesen schlägt der Bürokratieaufwand sogar mit 19,3 Arbeitsstunden pro Woche zu Buche – das sind rund 2,5 Arbeitstage. Für 88 Prozent der Unternehmer:innen steht deshalb ein Abbau der Bürokratie im Fokus. „Das heißt wir brauchen Reality Checks, die prüfen, was Gesetze in der Praxis taugen und ob auch wirklich alle Regulierungen notwendig sind. Immer auch unter dem Grundsatz ,weniger ist mehr‘“, erklärt WKÖ-Präsident Harald Mahrer. Das hätte einen messbar positiven Effekt: So hat EcoAustria errechnet, dass jeder Euro weniger, den Unternehmen für Informations- und Erfüllungspflichten aufwenden müssen, mittel- bis langfristig das BIP um 1,62 Euro erhöht.

Lohnnebenkosten senken
Bei der Belastung des Faktors Arbeit nimmt Österreich insgesamt den unrühmlichen 3. Platz aller 38 OECD-Länder ein. Sie beträgt in Österreich 47,2 Prozent, während der OECD-Schnitt bei nur 34,8 Prozent liegt. Und auch bei der reinen Betrachtung des Arbeitgeberbeiträge liegen wir mit 26,6 Prozent deutlich über dem EU-Schnitt (24,8 Prozent). Dies verteuert die Arbeitskosten und damit auch die Preise und wirkt sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Eine Senkung der Lohnnebenkosten könnte eine Reihe positiver Effekte mit sich bringen. Bei einer Reduktion um 1,4 Prozent des BIP (entspricht in absoluten Zahlen 7,5 Milliarden Euro) wären die Effekte auf Wachstum, Arbeitsmarkt, privaten Konsum und reale Investitionen sehr deutlich spürbar. Die Wirtschaftsleistung würde mittelfristig um rund fünf Milliarden Euro steigen.

Vollzeitbonus: Mehr Netto vom Brutto, damit sich Arbeit stärker lohnt
Eine weitere große Herausforderung ist der Arbeitskräftemangel. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass die Arbeitslosenzahlen konjunkturbedingt steigen. Denn die Arbeitslosigkeit ist letztlich eine Momentaufnahme. Auf längere Sicht wird sich die demografische Entwicklung immer stärker bemerkbar machen. Und auch jetzt liegt die Zahl der offenen Stellen trotz hoher Arbeitslosigkeit über dem Vor-Corona-Niveau. Im Mai ist sie sogar wieder leicht gestiegen (auf rund 174.000 laut WB-Stellenmonitor).

Neben der demografischen Entwicklung ist eine Ursache dafür, dass wir heute um fast 1,5 Stunden pro Woche weniger arbeiten als vor der Pandemie. Konkret betrug die tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeit im Vorjahr nur 29,2 Stunden, 2019 waren es noch durchschnittlich 30,6 Stunden. Ein wesentlicher Grund dafür ist die starke Zunahme von Teilzeitarbeit.

Mahrer: „Vollzeitarbeit muss steuerlich attraktiver werden“. Laut market-Umfrage befürworten 68 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher einen Vollzeitbonus von 1000 Euro im Jahr. Bei den 16- bis 29-Jährigen liegt der Wert sogar bei 74 Prozent. Neben der Attraktivierung von Vollzeitarbeit sind aber auch Anreize für mehr Überstunden sowie für länger Arbeiten im Alter dringend notwendig. „Konkret fordern wir eine Steuerbefreiung der Überstundenzuschläge, und zwar dauerhaft. Und auch der Zuverdienst neben der Pension muss steuerlich attraktiver werden, sodass Netto mehr übrigbleibt“, sagt Harald Mahrer.

Fazit: Wettbewerbsfähigkeit stärken als Aufgabe der nächsten Regierung
WKÖ-Präsident Mahrer sieht für die nächste Bundesregierung und die EU klare Aufgaben: „Weniger Bürokratie, niedrigere Steuern sowie Anreize für Mehrarbeit. Das ist das Maßnahmendreieck, welcher unserer Wirtschaft wieder Schwung gibt. Wir wollen mit unserer neuen Forderungskampagne daher der künftigen Regierung diese Maßnahmen als dringende Hausaufgaben mit auf den Weg geben.“

Bürokratie als Kostenfaktor
Die Vorarlberger Wirtschaft besteht zu einem überwiegenden Teil aus Klein- und Mittelbetrieben. Diese Unternehmen verfügen in der Regel nicht über große Verwaltungsapparate, die sich um die Erfüllung bürokratischer Auflagen kümmern. Ein wichtiger Grundsatz muss deshalb auch sein, dass wir darauf achten auch grenzüberschreitend für gleiche Voraussetzungen für unsere Unternehmen zu sorgen. Insbesondere Gold Plating kann hier erhebliche Nachteile mit sich bringen. „Im eigenen Wirkungsbereich achten wir sehr genau darauf, hier keine überschießenden Vorschriften zu produzieren. Das würde ich mir auch für manch andere Bereiche wünschen“, sagt Wirtschaftslandesrat Tittler. Eine weitere Stellschraube zur Reduktion von Bürokratie ist jedenfalls die Digitalisierung.

Arbeitsmarkt
Die Zahl der Erwerbspersonen wird bis zum Jahr 2050 um rund 4.500 Personen ansteigen, während die Gesamtbevölkerung im gleichen Zeitraum um etwa 45.000 Personen wachsen wird. Die Notwendigkeit von Maßnahmen, die das vorhandene Arbeitskräftepotenzial bestmöglich heben, ist allein schon unter diesem Gesichtspunkt evident. Als konkrete Maßnahmen fordern wir deshalb:
- Arbeiten im Alter – in der Regelpension 1.000 Euro monatlich steuerfrei dazuverdienen
- Mehrleistungen – Überstunden steuerfrei stellen
- Erfolgsbeteiligung – bis zu 3.000 Euro pro Jahr als steuer- und abgabenfreie Prämie für MA
- Kinderbetreuung – Ausweitung des Angebots zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung
- Qualifizierung und Weiterbildung – treffsicheres Weiterbildungsangebot  
- Zuwanderung – einfache Zuwanderung bei konkretem Arbeitsplatz

Innovation, F&E und Digitalisierung
Innovation und Digitalisierung sind DIE Triebfedern für Wohlstand. Forschung und Entwicklung in Vorarlberg findet zu einem großen Teil in den Unternehmen statt, welche mittlerweile für knapp
90 Prozent der Forschungsausgaben im Land verantwortlich sind. Überbetriebliche Forschungs-zentren spielen aber eine immer wichtigere Rolle als Entwickler und „Problemlöser“ bei industriellen Forschungsthemen und unterstützen Unternehmen bei der Erschließung von Forschungsgeldern. „Die Vorarlberger Wirtschaft zeichnet sich besonders durch Diversifikation, Innovation und Exportstärke aus. Diese Stärken gilt es richtig auszuspielen. Mit unseren Maßnahmen und Schwerpunkten wollen wir Rahmenbedingungen schaffen, in denen sich unsere Unternehmen bestmöglich entwickeln können“, erläutert Wirtschaftslandesrat Tittler. In Vorarlberg setzen wir deshalb konkrete Maßnahmen und gezielte Schwerpunkte, u.a. in folgenden Bereichen:
- Innovationsservice – Zugang zu F&E gezielt unterstützen, Innovationsdynamik stärken
- Forschungsstrategie neu – als Basis für Ausrichtung und weitere Schwerpunktsetzungen
- Innovationsstrukturen – Ausbau und Weiterentwicklung der heimischen F&E-Strukturen
- Nachhaltigkeit – Serviceleistung für Unternehmen zur Unterstützung im Bereich ESG  
- Breitband – Glasfaserstandard, Glasfaser-Ringnetz, Aufgrabungskataster, Beratungsstelle  

Entbürokratisierung - WKV-Ombudsstelle
Mit einer Ombudsstelle „Bürokratieabbau“ bietet die Wirtschaftskammer Vorarlberg bereits seit einem Jahr eine neue Anlaufstelle für Unternehmen, die in einem Behördenverfahren mit Herausforderungen konfrontiert sind. „Diese Unterstützung hat das Ziel, einen möglichst reibungslosen Ablauf des Verfahrens zu erreichen. Neben einer Hilfestellung für konkrete Einzelfälle, geht es insgesamt um kürzere und einfachere Verfahren in der öffentlichen Verwaltung und ein gesteigertes Bewusstsein, welchen Schwierigkeiten sich Unternehmen durch das dichte Regelwerk an Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Auflagen ausgesetzt sehen“, betont WKV-Präsident Wilfried Hopfner. Aus seiner Sicht hat diese Ombudsstelle Vorbildcharakter für die Bundesebene.

Arbeitskräftepotenzial von Frauen
„Es wird notwendig sein, an verschiedenen Stellschrauben zu drehen“, betont Hopfner: Ausbau der Kinderbetreuung – vor allem während der langen Sommerferien und auch ganztägige Betreuungsplätze an Schulen sollten ausgebaut werden – um es vielen Frauen zu ermöglichen, in den Arbeitsmarkt einzutreten oder ihre Wochenarbeitszeit zu erhöhen.
Eine Vorarlberg-Studie von „Frau in der Wirtschaft“ zeige großes Arbeitskräftepotenzial von Frauen, wenn entsprechende Rahmenbedingungen erfüllt sind.

Anreize für längeres Arbeiten
Für jene, die mehr oder länger arbeiten wollen, müsse sich das auch lohnen. In Österreich sind nur rund 32 Prozent der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig, während in Deutschland noch fast 63 Prozent in dieser Altersgruppe arbeiten. WKV-Präsident Hopfner: „Wir wissen, dass es ein enormes Potenzial an Menschen gibt, die das Regelpensionsalter erreicht haben, aber dem Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung stehen wollen. Diesen Leistungswilligen müssen wir die richtigen Anreize geben wie etwa eine Befreiung von Pensionsversicherungs-Beiträgen für Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen. Dazu braucht es genauso den Ausbau gesundheitsfördernder Maßnahmen.

Weitere Verbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte: Verfahrensdauer seien oft lang und die Unterlagenbeschaffung zeitaufwendig. Hopfner kann sich eine befristete Erprobungsphase vorstellen. „In dieser könnten die Fähigkeiten on-the-job überprüft werden und gleichzeitig könnte die Fachkraft herausfinden, ob die Stelle eine passende ist.“

Campus der Wirtschaft
„Mit dem ‚Campus der Wirtschaft‘ wollen wir einen Leuchtturm für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg schaffen. Er baut auf drei Säulen auf: der Bildungsstätte, dem Innovationsmotor und der Erlebniswelt. Eine Situierung im CampusV wäre eine optimale Chance für die Verwirklichung unserer Idee. Bis zum Oktober 2024 soll ein Konzept über Inhalte und Raumbedarf sowie Investitionskosten und laufende Kosten vorliegen“, erklärt der WKV-Präsident. Gespräche mit Land und WKÖ sind im Gange.