Industrie-Konjunktur: Aufschwung lässt auf sich warten
Fazit der aktuellen Konjunkturumfrage für das 4. Quartal 2022: Die Stimmung in der Vorarlberger Industrie ist weiter getrübt – die Ergebnisse in den einzelnen Branchen sind aber uneinheitlich. Der Geschäftsklima-Index – das ist der Mittelwert aus der aktuellen Geschäftslage und der Einschätzung der Geschäftslage in sechs Monaten - ist leicht gestiegen, von zuletzt -10,4 auf +0,2 Prozentpunkte.
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Während der Coronakrise konnte die Industrie im Wesentlichen ihre Produktion am Laufen halten und damit zur Stabilität des Standorts Vorarlberg beitragen. „Doch diese stabilisierende Funktion hat eine Achillesferse: Aufgrund der internationalen Verflechtungen ist die Industrie stärker als andere Branchen darauf angewiesen, mit ihren Angeboten international wettbewerbsfähig zu sein. Genau diese Wettbewerbsfähigkeit ist aufgrund der Preisexplosion bei Energie, dem permanenten Fachkräftemangel sowie einer teilweise trägen Bürokratie aktuell in Gefahr“, erklärt Markus Comploj, Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Vorarlberg.
An der quartalsmäßigen Umfrage der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Vorarlberg (WKV) und der Industriellenvereinigung (IV) Vorarlberg haben sich 36 Unternehmen mit insgesamt 26.040 Beschäftigten beteiligt. Während die Metall- und Maschinenindustrie mit der aktuellen Situation zu kämpfen hat und damit das Gesamtergebnis getrübt wird, zeigt sich in Branchen wie der Lebensmittelindustrie oder der Elektro- und Elektronikindustrie aktuell eine bessere Lage.
Die Geschäftslage gesamt wird aktuell von 36 Prozent der Befragten als gut, von 33 als durchschnittlich, aber auch von 31 Prozent als schlecht beurteilt. Die Stimmung gegenüber der schlechten Lage im 3. Quartal (der drittschlechteste Geschäftsklimaindex seit 20 Jahren) hat sich nur leicht verbessert. Ähnlich ist das Ergebnis bei den Auslandsaufträgen und den derzeitigen Auftragsbeständen. Der Blick in die Zukunft verheißt bisher nichts Gutes, denn alle Industriebranchen sind sich einig: „Die Krisen hinterlassen immer noch ihre Spuren. Hoffnungen auf eine durchstartende Konjunktur sind angesichts der schwächelnden weltweiten Nachfrage verfrüht. Die kommenden sechs Monate sind von großen Unsicherheiten geprägt“, betont Industriespartenobmann Comploj.
Die Geschäftslage in sechs Monaten wird daher mit einem Saldo von minus vier Prozentpunkten leicht negativ eingeschätzt. Noch genauer: zehn Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sich die Geschäftslage in sechs Monaten verschlechtern wird, nur sechs Prozent erwarten eine bessere Geschäftslage. Eine weitere wichtige Erkenntnis: 55 Prozent der Industrieunternehmen erwarten im nächsten halben Jahr eine Verschlechterung ihrer Ertragssituation.
Grundlage für Lehrlingsausbildung sicherstellen!
Bei der Sonderfrage im 4. Quartal zum Interesse zusätzliche Lehrlinge einzustellen, sofern diese die erforderlichen Qualifikationen (sinnerfassendes Lesen, Grundrechnungsarten…) erfüllen, sagen knapp 90 Prozent der befragten Industrie-Unternehmen, dass sie im vergangenen Herbst dazu bereit gewesen wären. 50 Prozent wären sogar sehr interessiert gewesen zusätzliche Lehrlinge einzustellen, konnten diese jedoch nicht finden. „Es ist inakzeptabel das rund ein Viertel der Jugendlichen nach der Pflichtschule nicht sinnerfassend lesen kann. Daher haben wir uns entschieden, über Projekte wie beispielsweise das Salzburger Lesescreening und den verstärkten Einsatz von Lesepaten, gemeinsam mit der Bildungsdirektion die Förderung der Lesekompetenz an den Schulen zu unterstützen. „Nicht lesen zu können, führt zu gesellschaftlicher Isolation, zu Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt, zu einer erhöhten Armuts- und Krankheitsgefährdung bis hin zu einer schlechteren Gesundheit“, verdeutlicht Markus Comploj die Motivation der Vorarlberger Industrie, hier aktiv zu werden.
Rot-Weiß-Rot-Karte zur Standortsicherung praxistauglich einsetzen: Genehmigungen beschleunigen!
Gerade im Fachkräftebereich gilt es, die heimischen Potenziale zu heben und qualifizierte Zuwanderung zu ermöglichen. Es wird notwendig sein, beim Arbeitsmarkt an verschiedenen Stellschrauben zu drehen. Nur so können wir die aktuell größte Wachstumsbremse - den Arbeitskräftemangel – lösen. Dazu braucht es eben auch bessere Rahmenbedingungen für die qualifizierte Zuwanderung. Spartenobmann Markus Comploj: „Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist ein taugliches Instrument im Interesse der Mitarbeiter und Unternehmen, die Genehmigungspraxis ist jedoch noch zu wenig praxistauglich. Die Änderungen und Verbesserungen der jüngsten Anpassung werden aus unserer Sicht behördlich zu wenig und zu wenig schnell umgesetzt.“
- Frauen-Power: Entscheidungsfreiheit für Eltern bei der Kinderbetreuung sicherstellen!
- „Damit mehr Frauen ihre Chancen am Arbeitsmarkt nutzen können, müssen wir im Land - mit Bundesunterstützung – zügig weitere Fortschritte machen, damit Familie und Beruf nicht nur Schlagworte bleiben“, erklärt Comploj. Dazu gehöre der Ausbau der Kinderbetreuung, um es mehr Frauen zu ermöglichen in den Arbeitsmarkt einzutreten. „Ganztägige Angebote an Schulen sollten ausgebaut werden. Es braucht zudem mehr Ganztagschulen mit verschränktem Unterricht.“
- Attraktivierung von Arbeiten in der Pension: länger zu arbeiten muss sich finanziell auszahlen!
In Österreich sind nur rund 32 Prozent der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig, während in Deutschland noch fast 63 Prozent in dieser Altersgruppe arbeiten. Markus Comploj: „Wir wissen, dass es ein enormes Potenzial an Menschen gibt, die das Regelpensionsalter erreicht haben, die aber weiter arbeiten können und wollen. Diesen Leistungswilligen müssen wir die richtigen Anreize geben, wie etwa eine Befreiung von Pensionsversicherungs-Beiträgen. „Für jene, die mehr oder länger arbeiten wollen, muss sich das auch lohnen“, sagt der Industrie-Spartenobmann. Dadurch können wir das tatsächliche Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Antrittsalter heranführen und damit das Pensionssystem sichern. Dazu braucht es finanzielle Anreize, genauso wie den Ausbau gesundheitsfördernder Maßnahmen, sodass die Menschen länger gesund und mit Freude im Erwerbsleben bleiben können.
Die Branchenergebnisse im Detail
„Für die in Vorarlberg dominierende Maschinen- und Metallindustrie ist die aktuelle Geschäftslage sehr herausfordernd, 63 Prozent sprechen von einer derzeit schlechten Lage, für nur 24 Prozent ist sie aktuell gut. Auch die Auftragsbestände und Auslandsaufträge sind für mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) negativ“, sagt Michael Amann, Geschäftsführer der Sparte Industrie der WKV. Licht am Ende des Tunnels bietet der Ausblick auf die Geschäftslage in sechs Monaten, neun Prozent rechnen dann mit einer besseren Situation. Allerdings erwarten im selben Zeitraum 64 Prozent eine schlechtere Ertragssituation.
„Die Lebensmittelindustrie (Nahrungs- und Genussmittel) ist die Branche mit der derzeit besten Geschäftslage, für 67 Prozent der befragten Unternehmen ist sie gut. Eine Steigerung der Verkaufspreise erwarten 100 Prozent“, so Amann weiter. 55 Prozent der Befragten bewerten die Auslandsaufträge und den Auftragsbestand als gut. Vier von fünf Unternehmen (79 Prozent) geben an, ihren Mitarbeiterstand erhöhen zu wollen. Aber auch in dieser Branche wird mit einer schlechteren Ertragslage (55 Prozent) in sechs Monaten gerechnet.
„Ein etwas besseres Bild zeigt sich auch in der Textilindustrie. Die derzeitige Geschäftslage wird von 43 Prozent, der Auftragsbestand von 72 Prozent und die Auslandsaufträge von 49 Prozent als gut wahrgenommen,“ erklärt Amann. 89 Prozent rechnen mit höheren Verkaufspreisen und 38 Prozent planen ihren Mitarbeiterbestand zu erhöhen, ebenso viele sprechen von einer aktuell guten Ertragssituation. Die Geschäftslage in sechs Monaten trübt sich jedoch mit einem Saldo von minus 15 Prozentpunkten wieder etwas ein.
„In der Elektro- und Elektronikindustrie ist die Stimmungslage aktuell ebenfalls erfreulicher“, sagt der Geschäftsführer der IV-Vorarlberg, Christian Zoll. 46 Prozent sehen die aktuelle Geschäftslage noch als gut und kein Unternehmen als schlecht, in Summe ist das leicht schlechter als im vorigen Quartal. Die Verkaufspreise in drei Monaten sieht man insgesamt mit einem Saldo von +34 Prozentpunkten steigend, allerdings damit ebenfalls leicht schlechter als im Vorquartal. Erfreulich auch hier der Wunsch nach Erhöhung des Beschäftigtenstandes - 39 Prozent planen dies. Demgegenüber weniger erfreulich: auch in dieser Branche wird in sechs Monaten mit einer schlechteren Geschäftslage (32 Prozent) und sinkenden Erträgen (50 Prozent) gerechnet.
Ein pessimistisches Bild liefert die „Verpackungsindustrie“. Nur 12 Prozent sprechen von einer aktuell guten Geschäftslage. Auftragsbestand und Auslandsaufträge werden vom Großteil als durchschnittlich bewertet. Während sich kein Unternehmen eine bessere Geschäftslage in sechs Monaten erwartet, gehen 34 Prozent von einer schlechter werdenden Lage aus. Die aktuelle Ertragssituation wird mit einem Saldo von -31 Prozentpunkte negativ bewertet. In einem halben Jahr wird sich diese nur leicht verbessern (Saldo minus 20 Prozentpunkte), berichtet Christian Zoll.
Zusammenfassung der Ableitungen und politischen Forderungen:
- Grundlagen für die Lehrlingsausbildung sicherstellen: Sinnerfassendes Lesen im Fokus behalten!
- Rot-Weiß-Rot-Karte zur Standortsicherung praxistauglich einsetzen: Genehmigungen beschleunigen!
- Frauen-Power: Entscheidungsfreiheit für Eltern bei der Kinderbetreuung sicherstellen!
- Attraktivierung von Arbeiten in der Pension: länger zu arbeiten muss sich finanziell auszahlen!
Zur Umfragemethode:
Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten gegeben: gut, durchschnittlich, schlecht. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) %-Anteile dieser Antwortkategorien, und dann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den %-Anteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
Rückfragen:
Mag. Michael Amann
SPARTE INDUSTRIE
T 05522 305-220,
E amann.michael@wkv.at