Industrie-Konjunktur: Leichte Verbesserung, aber noch weit weg von gut
Stimmung und Aussichten weiterhin sehr verhalten. Maßvolle Gehaltsabschlüsse und Bürokratieabbau notwendig.
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Seit 2001 gibt es den Geschäftsklima-Index der Vorarlberger Industrie. Er beschreibt vierteljährlich die Stimmung im bedeutendsten Wirtschaftsbereich im Ländle. Diese repräsentative Konjunkturumfrage bildet den Mittelwert aus aktueller und erwarteter Geschäftslage in sechs Monaten und gibt damit einen realistischen Konjunkturausblick für das gesamte Bundesland. An dieser Umfrage für das 2. Quartal 2024 haben sich 36 Vorarlberger Unternehmen mit insgesamt über 23.000 Beschäftigten beteiligt.
Der aktuelle Indexstand von +0,90 Punkten bedeutet sowohl gegenüber dem letzten Quartal (-7,90 Punkte) als auch gegenüber dem Quartal davor (-18,30 Punkte) eine leichte Verbesserung. Nach den historisch zweit-schlechtesten Ergebnissen im dritten Quartal 2023 (-20,90 Punkte) erreicht der Vorarlberger Konjunkturklimaindex somit zumindest wieder den positiven Bereich. Gemessen an der 23-jährigen Geschichte des Index ist die Stimmung aber nach wie vor schlecht.
Wie schaut die aktuelle Lage bei den Betrieben aus?
Sieben von zehn Befragten beurteilen die Geschäftslage derzeit genauso schlecht wie im Vorquartal, ebenso jeder Zweite den Auftragsbestand und die Auslandsaufträge. Mit 57 Prozent werten auch mehr als die Hälfte der Befragten die Ertragssituation als genauso schlecht wie im letzten Quartal.
Was sind die Erwartungen für die nähere Zukunft?
Neun von zehn Befragten sehen die Geschäftslage und Ertragslage in sechs Monaten unverändert, ebenso die Produktionstätigkeit und die Produktionskapazitäten in 3 Monaten. Nur 18 Prozent rechnen in drei Monaten mit steigenden Verkaufspreisen.
Was bedeutet das für die Beschäftigten?
Aufgrund der Erwartungen für die nächsten Monate und der aktuellen Geschäftslage gehen 80 Prozent davon aus, dass der Beschäftigtenstand in drei Monaten gleich sein wird wie heute. 19 Prozent erwarten sinkende Mitarbeiterzahlen. Nur 1 Prozent rechnet mit einer Zunahme der Beschäftigtenzahl.
„Auch wenn der konjunkturelle Abwärtstrend durchschritten scheint, ist die aktuelle Wirtschaftslage nach wie vor angespannt und von einer eindeutigen Entspannung kann keine Rede sein“, so Elmar Hartmann, Präsident der IV-Vorarlberg: „Unser Standort kämpft mit deutlich gestiegenen Lohnstück- und Arbeitskosten. Zudem haben sich die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort nicht verbessert und die Auftragslage bleibt angespannt. Die Unternehmen ächzen zudem nach wie vor unter der zunehmenden Bürokratie. Der leichten Entspannung steht ein massiver Preis- und Mengenwettbewerb gegenüber“.
Aktuell zeigt sich dies auch im Verlust von Arbeitsplätzen in Vorarlberg. Mit Ende Juni 2024 verzeichnete das AMS 801 Arbeitslose mehr (+ 9,6 Prozent) als im Vorjahr. „Auch wenn am Arbeitsmarkt nach wie vor qualifizierte Arbeitskräfte gesucht werden, zeigen uns die jüngsten Ereignisse, dass mehrere Unternehmen mittlerweile in beträchtlichem Ausmaß Personal abbauen müssen. Das sind nach wie vor keine guten Nachrichten für den Arbeitsmarkt und den Wirtschaftsstandort Vorarlberg“, sagt IV-Geschäftsführer Simon Kampl.
Wie schaut es in den einzelnen Branchen aus?
Im Flaggschiff der Vorarlberger Industrie, der Maschinen- und Metallindustrie, beurteilen derzeit 94 Prozent die Geschäftslage als unverändert. Die Ertragslage ist weiterhin bei 84 Prozent schlecht. Acht von zehn der befragten Unternehmen melden aktuell weniger Auftragsbestand und Auslandsaufträge. 90 Prozent sehen die Produktionstätigkeit in drei Monaten gleich wie heute. 93 Prozent gehen von fallenden Verkaufspreisen in drei Monaten aus. Und die Ertragssituation in sechs Monaten sehen alle Befragten gleich schlecht wie heute.
Leicht erfreulich zeigt sich die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, in der 73 Prozent aktuell eine gute Geschäftslage und 67 Prozent einen guten Auftragsbestand melden. Zwei Drittel melden gleichbleibende Auslandsaufträge. Alle Befragten erwarten in drei Monaten die gleiche Produktionstätigkeit wie heute. Zwei Drittel sehen höhere Verkaufspreise in drei Monaten. 92 Prozent sehen einen gegenüber heute unveränderten Beschäftigtenstand in drei Monaten. Und fast alle Befragten sehen die Produktionskapazität in drei Monaten sowie die Geschäftslage und die Ertragssituation in sechs Monaten gleich wie heute.
In der Textilindustrie geben 86 Prozent aktuell eine gleichbleibend schlechte Geschäftslage und 70 Prozent schlechtere Auslandsaufträge an.
In der Elektro- und Elektronikindustrie sehen 52 Prozent der Befragten eine gleichbleibende und 48 Prozent eine schlechtere Geschäftslage. Den Beschäftigtenstand in drei Monaten sehen 55 Prozent gleichbleibend und 45 Prozent sinkend. Die Ertragssituation in sechs Monaten sehen alle Befragten gleich wie jetzt.
Schließlich die Verpackungsindustrie: In diesem traditionellen Frühindikator für die Wirtschaft sehen alle Befragten die Geschäftslage, die Produktionstätigkeit in drei Monaten und die Ertragssituation in sechs Monaten gleich wie heute.
Was braucht die Industrie?
„Die Vorarlberger Industrie ist der größte Arbeitgeber und der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Vorarlberg. Die Stimmung ist aber nach wie vor gedämpft und von einem Konjunkturaufschwung kann derzeit keine Rede sein. Wir brauchen daher sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene Maßnahmen zur Stärkung unseres Wirtschafts- und Industriestandortes“, erklären Elmar Hartmann und Michael Amann. „Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen hat unter den hohen Lohnabschlüssen der letzten beiden Jahre gelitten. Wir sind jedenfalls nicht so viel besser geworden, wie unser Wirtschaftsstandort teurer geworden ist. Was zählt, sind deshalb maßvolle Ergebnisse in der Herbstlohnrunde. Überzogene Forderungen belasten den Standort in einer ohnehin schwierigen konjunkturellen Situation zusätzlich und führen unweigerlich zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit. Es geht jetzt um den Standort, die Arbeitsplätze und den Wohlstand im Land. Hier sind alle gefordert und wir müssen daher alle gemeinsam an einem Strang ziehen", sagen die Interessenvertreter abschließend.