Person lehnt an einem Einkaufswagen in einem Lebensmittelmarkt und hält eine Packung in der Hand
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Fußläufige Nahversorgung für knapp 80 Prozent der Vorarlberger

Das Ergebnis der jährlichen Analyse des Lebensmittel-Einzelhandels zeigt, dass bei 79 Prozent der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger das nächste Geschäft in einer Distanz von bis zu einem Kilometer liegt. Belastend für die Betriebe sind aber die stark gestiegenen Energiekosten.

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Aktualisiert am 14.09.2023

Die Fachgruppe des Vorarlberger Lebensmittelhandels erhebt seit 1970 jährlich die Verkaufsflächen des Lebensmittel-Einzelhandels mit Vollsortiment und seit 1990 auch von Diskontern. „Die Nahversorgung der Vorarlberger:innen bleibt sehr gut: 99 Prozent der Bevölkerung haben zu Beginn des Jahres 2022 mindestens ein Geschäft mit Komplettsortiment im Ort. Ein wichtiger gesellschafts- und sozialpolitischer Beitrag des Lebensmittelhandels liegt in der flächendeckend funktionierenden Nahversorgung mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfes“, erklärt Fachgruppenobmann Alexander Kappaurer. Obgleich sich die durch Covid ausgelösten Verwerfungen nach und nach wieder gelegt hätten, sei die Situation für die heimischen Lebensmitteleinzelhändler:innen äußerst herausfordernd. „Neben der hohen Inflation und den massiv gestiegenen Energiepreisen stehen weitere kostenintensive Umstellungen, beispielsweise durch die Einführung einer Pfandregelung für Einweggebinde ab 2025, vor der Tür“, betont Kappaurer und führt aus: „Dazu kommt ein hoher Digitalisierungsdruck, um mittel- bis längerfristig erfolgreich am Marktgeschehen teilnehmen zu können.“

In Vorarlberg bieten 240 Geschäfte ein Vollsortiment an Lebensmitteln bzw. Waren des täglichen Bedarfs an, die Gesamtfläche beträgt rund 136.466 m2. Im Wettbewerb der Anbieter dominieren weiterhin eine hohe Aktionstätigkeit mit vielen unterschiedlichen Aktionstools sowie eine kundenorientierte Sortimentsarbeit mit Fokus auf Trends wie Regionalität, Nachhaltigkeit, Bio und Vegan sowie Gesundheit und Lebensmittel für Allergiker:innen. Der Internethandel mit Lebensmitteln spielt in Vorarlberg weiterhin eine untergeordnete Rolle, mit ca. 17 Mio. Euro steht er aber für 29 Prozent des gesamten Kaufkraftabflusses der Warengruppe Lebensmittel, wie die 2022 von der Cima durchgeführte Kaufkraftstrom- und Einzelhandelsstrukturanalyse (KAVO) für Vorarlberg belegt.

Nachhaltige Nahversorgung
Die aktuelle Strukturanalyse beinhaltet ein Novum. „In Zusammenarbeit mit der Statistikabteilung des Landes Vorarlberg haben wir erstmals erhoben, wie viele Vorarlbergerinnen und Vorarlberger die Möglichkeit einer nachhaltigen Anreise zum Einkauf haben“, informiert Alexander Kappaurer und verweist auf die hervorragenden Ergebnisse: „Der Zugang der Bevölkerung zu einem Lebensmittelgeschäft ist äußerst gut. 79 Prozent der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger erreichen das nächste Geschäft in einer Distanz von bis zu einem Kilometer beziehungsweise zwölf Minuten zu Fuß.“ Im Detail bedeutet das: im Bezirk Bludenz sind 66 Prozent der Anwohner:innen, sowie in Bregenz 76 Prozent in gut 10 Minuten beim Lebensmittelgeschäft, das gilt auch für 88 Prozent der Dornbirner:innen und 82 Prozent der Feldkircher:innen. „Für viele Vorarlbergerinnen und Vorarlberger ist das Fahrrad das bevorzugte Fortbewegungsmittel, mit diesem ist ein Radius von bis zu drei Kilometern in zwölf Minuten realistisch, dadurch erhöht sich die Erreichbarkeit des nächsten Geschäfts sogar auf 98 Prozent“, sagt der Fachgruppenobmann.

Um diese Fußläufigkeit auch in Kleinstgemeinden zu ermöglichen, leistet das Land Vorarlberg neben Investitionsförderungen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit Betriebskostenzuschüsse für Geschäfte, die nicht rentabel geführt werden können. Die Zuschüsse belaufen sich aktuell auf rund 1.050.000 Euro. „Die Förderungen betreffen in etwa zu gleichen Teilen Geschäfte in weit vom Ortszentrum abgelegenen Parzellen und Geschäfte in Orten, in denen es nur noch ein Lebensmittelgeschäft gibt“, erklärt Kappaurer und stellt klar: „Diese Unterstützung ist für die Betreiberinnen und Betreiber von Nahversorgungsbetrieben, die Gemeinden und deren Einwohnerinnen und Einwohner gleichermaßen wichtig und eine Investition in die Zukunft.“ Für notwendige Infrastruktur zur Rücknahme von Einweg-Getränkeverpackungen werde es zusätzliche Unterstützungsleistungen benötigen. „Auch beim Thema Energie besteht Handlungsdruck, sei es die Notwendigkeit auf andere Energieträger umzusteigen oder in energieeffiziente Systeme zu investieren. Wir werden diese Transformationsprozesse unterstützen müssen, wenn wir weiterhin eine möglichst lückenlose Lebensmittel-Nahversorgung aufrechterhalten wollen.“

Vollsortiment
Zum Stichtag der Erhebung bestehen 208 Lebensmittel-Vollsortimenter mit einer Verkaufsfläche von 116.277 m². 2000 lag die Zahl im Vergleich dazu bei 250 Geschäften mit 95.882 m2. Zu beobachten gibt es vor allem im Bereich der Vollsortimenter ein stark verändertes Einkaufsverhalten der Kundinnen und Kunden in Bezug auf Preiseinstiegsmarken und Aktionen, erläutert der Fachgruppenobmann: „Durch die Inflation getrieben, greifen unsere Kundinnen und Kunden immer öfter zu Aktionsangeboten und zu günstigeren Eigenmarken, was zu einer Senkung der durchschnittlichen Einkaufssummen führt.“

Diskonter

Zum Stichtag bestehen 32 Diskonter mit 20.189 m2 Verkaufsfläche, hier gibt es im Vergleich zum Vorjahr keine Veränderung. In den vergangenen Jahren ist es wieder zu einer Entwicklung gekommen, die vor allem in Richtung Vollsortiment und hin zu Markenartikeln sowie auf den Frischebereich (z.B. Brotbackboxen) abzielt.

Teilsortiment

Neben dem Lebensmittelhandel mit Vollsortiment und Diskontern tragen zahlreiche Geschäfte mit einem eingeschränkten Sortiment zur Vielfalt des Lebensmittelangebotes bei. Auf Bäckereibetriebe und Brotverkaufsstellen entfallen aktuell 174 Standorte mit rund 5.000 m2. Die in den vergangenen Jahren sehr dynamische Entwicklung dieser oft in Kombination mit einem gastronomischen Angebot betriebenen Standorte hat sich stabilisiert. An 57 Standorten gibt es Metzgereien und Fleischfachgeschäfte mit einer Verkaufsfläche von ca. 2.000 m². Bäckereien und Metzgereien mit einem Grundsortiment an Lebensmitteln erfüllen teilweise eine Nahversorgerfunktion. Daneben bieten Tankstellenshops ein umfangreiches Sortiment an Lebensmitteln an und stellen einen Wettbewerbsfaktor im Lebensmittelhandel dar. Die Verkaufsflächen dieser Tankstellenshops betragen rund 2.500 m². 

Arbeitsplätze

Im Vorarlberger Lebensmittelhandel sind ca. 6.300 Arbeitnehmer:innen beschäftigt. Rund 260 Lehrlinge finden ihren Ausbildungsplatz mit einer fundierten Berufsausbildung und sehr guten Entwicklungsmöglichkeiten. „Dazu kommen im weiteren Sinne die Beschäftigten und Lehrlinge in den anderen Betriebstypen, die Lebensmittel anbieten (Metzgereien, Bäckereien). Damit zählt der Lebensmittelhandel zu den größten Arbeitgebern im Land“, betont Kappaurer. Als Abnehmer stellen der Vorarlberger Lebensmittelhandel und dessen Kaufleute, die traditionell viel Wert auf eine bevorzugte Vermarktung heimischer, regionaler Produkte legen, die bei weitem wichtigsten Partner für die heimischen Landwirte sowie Betriebe der Lebensmittelbe- und -verarbeitung dar. „Damit leisten sie einen sehr wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung und regionalen Unverwechselbarkeit des Landes Vorarlberg“, sagt der Fachgruppenobmann.