Baubranche zeigt Stärke trotz Veränderungen
Der Wind ist rau geworden. Hohe Zinsen, KIM-Verordnung und Preissteigerungen stellen dieheimischen Bauunternehmen vor Herausforderungen, die so noch nie dagewesen waren.
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Der Einbruch im Wohnbau trifft alle, direkt und indirekt, die Bauunternehmen genauso wie das Handwerk, erklärt Innungsmeister Johannes Wilhelm bei der jährlichen Bilanz der Bauinnung zum Jahresabschluss (am Freitag, 15.12.2023 im Wifi in Hohenems). „Die Betriebe kämpfen um Aufträge und stellen sich gut auf, um die Herausforderungen zu meistern: Laut Blitzumfrage wollen die Unternehmen ihren Personalstand halten oder sogar ausbauen.“ Die aktuelle Umfrage unter den heimischen Bauunternehmen bestätigt, was sich bereits im Vorjahr abgezeichnet hat. Im Dezember 2022 war die Auftragslage mit minus neun Prozent noch leicht rückgängig. Die aktuelle Auftragssituation wird dagegen um 25 Prozent schlechter eingeschätzt als vor einem Jahr. Ähnlich düster wird die Auftragssituation im ersten Halbjahr 2024 mit einem erwarteten Rückgang von knapp 30 Prozent gesehen. Vor einem Jahr wurde ebenfalls ein Rückgang erwartet, aber nur um 13 Prozent. Dramatisch ist der Einbruch im Wohnbau, bei dem ein Rückgang von über 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr erwartet wird. Bei den Sanierungen wird die Auftragssituation mit einem Plus von sechs Prozent durchaus positiv eingeschätzt.
Stabile Branche mit Bodenhaftung
Innungsmeister Johannes Wilhelm: „Die heimischen Bauunternehmen beurteilen die aktuelle Situation sehr realistisch, sowohl was die Auftragslage als auch die sinkenden Erträge durch hohe Material- und Energiekosten betrifft. Auf der anderen Seite ist die Bauwirtschaft eine krisenerprobte Branche und agiert auch in schwierigen Situationen mit Bodenhaftung und einer langfristigen Perspektive. Viele Unternehmen haben bereits auf die Veränderungen reagiert, sie sind flexibel und stellen sich dem Wettbewerb. Ein Beispiel dafür ist die große Bedeutung, die in den Möglichkeiten der Digitalisierung im Bau gesehen wird Hier zeigt sich eine hohe Innovationsbereitschaft, die auch im Zusammenhang mit den Klimaschutzvorgaben vorangetrieben wird.“
Auftragslage im öffentlichen und gewerblichen Bau
Wenn der Wohnbau-Bereich wegbricht, liegen die Hoffnungen für 2024 umso mehr im öffentlichen und im gewerblichen Bereich. Im öffentlichen Hochbau wird mit einem leichten Rückgang von 11 Prozent gerechnet, die Auftragslage im Tiefbau soll stabil bleiben. Auch Industrie und Gewerbe können mit einem prognostizierten Rückgang der Aufträge von 10 Prozent noch als stabil eingeschätzt werden.
KIM-Verordnung sofort abschaffen
Der Wohnbau in Vorarlberg, ein ehemals starker Markt mit einem Anteil von über einem Drittel an der Bauproduktionsleistung im Land, ist praktisch zum Erliegen gekommen. Schon im vergangenen Jahr haben zahlreiche Bauunternehmen ihre Aktivitäten im privaten Wohnbau eingestellt. Günther Ammann, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder: „Die Ursachen für die Krise im Wohnbau sind komplex, einerseits massive Preissteigerungen und die hohe Inflation in Österreich, andererseits di stark angestiegenen Zinsen, vor allem sind jedoch die nur in Österreich zusätzlich verschärften Kredit- Finanzierungsmaßnahmen verantwortlich. Gerade junge Menschen werden durch die KIM-Verordnung daran gehindert, Wohnungseigentum zu erwerben. Die äußerst restriktive und nicht nachvollziehbare Kredit-Verordnung muss sofort abgeschafft werden. Wir erwarten, dass sich die Politik in Vorarlberg massiv für die sofortige Abschaffung der KIM-Verordnung einsetzt, wenn sie nicht eine Generation junger Mensche aus Vorarlberg verlieren will, die sich in Vorarlberg keine eigene Existenz mehr aufbauen kann.“
Immobilienmarkt mit Seitwärtsbewegung
Die aktuelle Situation am heimischen Immobilienmarkt hätte ohne die Kredithindernisse für Kaufinteressierte durchaus positive Aspekte, informiert Günther Ammann. „Seit Mitte 2021 ist eine Seitwärtsbewegung im Immobilienbereich feststellbar. Mit den neuen Wohnbauförderungsrichtlinien wurden jetzt auch die Voraussetzungen geschaffen, dass Eigentum leistbar wäre – es scheitert allerdings nach wie vor an den fehlenden Immobilienkrediten. Gerade in Zeiten der Inflation sind Rückzahlungen langfristig möglich. Man sollte jungen Menschen die Chance geben, Eigentum zu erwerben, wenn sie bereit sind, sich dafür auch einzusetzen." Ein zweiter großer Hebel, der dem Klima hilft und den Wohnungsmarkt belebt, ist eine Erhöhung der Baunutzungszahlen, betont Günther Ammann. Diese langjährige Forderung der Immobilien- und Bauwirtschaft gewinnt durch das Thema Bodenverbrauch an Brisanz und Bedeutung. Aktuell liegt es im Ermessen der Bürgermeister, ob sie bei Baunutzungszahlen weiterhin restriktiv vorgehen und so zu einem erhöhten Bodenverbrauch beitragen, oder ob sie im Sinne von Umwelt und leistbarem Wohnraum endlich höhere Baunutzungszahlen zulassen.
Familienunternehmen als zuverlässige Arbeitgeber
Eine klare Aussage bringt die Blitzumfrage im Bereich der Personalplanung. Facharbeiter sind nach wie vor Mangelware und werden in auch in schwierigen Zeiten gehalten. Für 2024 sind keine Veränderungen in der Mitarbeiter- und Lehrlingszahl geplant, erklärt Innungsmeister Johannes Wilhelm. „Die heimischen Bauunternehmen sind meist Familienbetriebe mit einer hohen Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitenden. Ihr Ziel ist es, auch in Krisenzeiten als attraktiver Arbeitgeber einen sicheren Arbeitsplatz anzubieten und mit den Mitarbeitenden im Dialog zu bleiben. Viele nützen die Zeit, um gemeinsam mit den Mitarbeitenden verbesserte Organisationsstrukturen, unterstützt durch digitale Prozesse einzurichten.“ Aktuell beschäftigt die Vorarlberger Bauwirtschaft ca. 4.100 Mitarbeitende, davon ca. 210 Lehrlinge.