Auswirkungen der neuen Bodenstrategie auf die Vorarlberger Wirtschaft
Österreich steht vor der Herausforderung nachhaltig mit Grund und Boden umzugehen. Dieses Thema beschäftigt auch uns in Vorarlberg: Wir leben nicht in einem Flächenbundesland, daher ist ein sorgsamer Umgang mit Flächen geboten.
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In Bezug auf die Forderung zur Festlegung einer Verbrauchsobergrenze (von kolportiert 2,5 Hektar pro Tag) hat die Bundesinnung Bau der Wirtschaftskammer Österreich eine Studie beim Beraternetzwerk Kreutzer, Fischer und Partner in Wien in Auftrag gegeben. Die Quintessenz der heute präsentierten Studienergebnisse zeigt, dass ohne Kenntnis zukünftiger Bedürfnisse und Notwendigkeiten eine Festlegung von Verbrauchsobergrenzen nicht zielführend ist.
Zudem sollte bei der Einordnung der Begriffe und Daten zur Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung Klarheit gegeben sein: Bodenverbrauch wird als Flächeninanspruchnahme definiert, eine Bodenversiegelung bedeutet in der Regel, dass Regenwasser nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen versickern kann.
Ein Beispiel: Die Grundfläche des Einfamilienhauses ist klarerweise versiegelt, nicht jedoch die umgebenden Gartenflächen – es gilt aber die gesamte Grundstücksfläche als verbraucht. Oftmals sind Flächen zwar „verbraucht“ aber nur in sehr geringen Maß versiegelt.
Andreas Kreutzer (Fischer-Kreutzer-Partner, Wien) hat in der Studie mit dem Titel „Die Auswirkungen der diskutierten Flächenobergrenze auf den Wohnbau und den Ausbau der Infrastruktur“, die Auswirkungen der angedachten und medial kolportierten Verbrauchsobergrenze von 2,5 Hektar pro Tag analysiert:
Bodenverbrauch in Vorarlberg: Mythen und Fakten
Gemäß dem Studienergebnis beträgt die beanspruchte Fläche in Vorarlberg 6,8 Prozent der gesamten Landesfläche, wobei die versiegelte Fläche 3,7 Prozent ausmacht. Die jährliche Neuinanspruchnahme liegt bei 0,07 Prozent.
In den Jahren 2015 bis 2022 stieg die beanspruchte Fläche um 6,0 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg die Vorarlberger Bevölkerung annähernd gleich, das Wirtschaftswachstum stieg mit 12,3 Prozent um das doppelte. Im europäischen Vergleich liegt Österreich in puncto Flächenversiegelung erfreulicherweise weit hinten.
Die Kombination aus wirtschaftlichem Wachstum, Bevölkerungszuwachs und erhöhtem Flächenverbrauch erfordert innovative und nachhaltige Lösungen. Mit den vorgestellten Strategien und Maßnahmen setzt Vorarlberg ein klares Zeichen für eine zukunftsfähige Raumplanung.
Neue Raumplanungsstrategien
„Unser Ziel ist es, einen verantwortungsvollen Umgang mit den Bodenressourcen zu fördern und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung nicht zu behindern. Die neuen Raumplanungsstrategien, die auf einer fundierten Bodenpolitik basieren, sind der Schlüssel zu einer nachhaltigen Zukunft für Vorarlberg. Wir müssen den Flächenverbrauch reduzieren, ohne dabei das Wachstumspotenzial unseres Landes zu gefährden“, sagt Wirtschaftslandesrat Marco Tittler.
Der sorgsame Umgang mit Grund und Boden ist für den Landesrat daher seit vielen Jahren ein Grundprinzip der Vorarlberger Raumplanungspolitik. So werden Freiräume beispielsweise bereits seit den 1970er-Jahren landesweit per Verordnung geschützt. „Raumplanung bedeutet aber auch immer Interessensausgleich. Die Gegebenheiten unterscheiden sich dabei in den einzelnen Bundesländern deutlich, weshalb für eine umfassende Beurteilung genaue Kenntnisse der regionalen Rahmenbedingungen unverzichtbar sind“, erklärt Tittler.
Die Inanspruchnahme von Flächen habe in Vorarlberg trotz starker Bevölkerungszunahme und Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen. Das sei das Ergebnis einer konsequenten Raumplanungspolitik, die auf dem Raumbild 2030 als strategisches Steuerungsinstrument, dem Raumplanungsgesetz mit den entsprechenden Zielen, der befristeten Widmung, den Verdichtungszonen, den Vorbehaltsflächen für leistbaren Wohnraum, den Vorgaben für Einkaufszentren, den Räumlichen Entwicklungsplänen (REP's), der regionalen Zusammenarbeit sowie Förderungen für die Erarbeitung von Strategien und Konzepten basiere, sagt der Landesrat. Des weiteren werde den Gemeinden die Einhebung einer Zweitwohnungs- und Leerstandsabgabe ermöglicht.
„Diese Raumplanungspolitik weiter zu verfolgen und dabei die richtige Balance zu halten, ist eine Herausforderung, der wir uns stellen und diese Verantwortung werden wir als Land Vorarlberg gemeinsam mit den Gemeinden als die zwei kompetenzrechtlich zuständigen Stellen auch in Zukunft wahrnehmen“, betont Landesrat Tittler.
Wohnraum und Nachhaltigkeit in Einklang bringen
Auch im Bereich „Wohnen“ stellt umsichtige Planung eine Herausforderung dar. Günther Ammann, Innungsmeister der Vorarlberg Immobilienwirtschaft in der Wirtschaftskammer Vorarlberg, hält dazu fest: „Die Immobilienwirtschaft steht vor der Herausforderung, den Bedarf an Wohnraum mit der Notwendigkeit einer nachhaltigen Bodenbewirtschaftung in Einklang zu bringen. Durch gezielte Maßnahmen wie Nachverdichtung und die Nutzung von Abrissflächen können wir neuen Wohnraum schaffen, ohne zusätzlichen Boden zu versiegeln. Unser Fokus liegt darauf, innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht werden.“
Strategien und Maßnahmen
Die österreichische Bodenstrategie, die kürzlich von den Bundesländern sowie Gemeinde- und Städtebund in einer Deklaration festgehalten wurden, definiert klare Rahmenbedingungen für eine klimaverträgliche Raumplanung. Vorarlberg setzt auf eine dezentrale Strategie, bei der die Gemeinden ihre Beiträge zur Reduktion des Bodenverbrauchs leisten. Es werden spezifische Maßnahmen umgesetzt, um die Bodenversiegelung zu minimieren und die Flächeneffizienz zu maximieren: eine zusätzliche Festlegung auf 2,5 Hektar pro Tag erscheint nicht notwendig.
Ein wesentlicher Ansatz ist die Förderung von Sanierung und Nachverdichtung. So kann neuer Wohnraum ohne zusätzliche Inanspruchnahme von Flächen geschaffen werden. Die Errichtung neuer Wohneinheiten auf Abrissflächen stellt ebenso eine Möglichkeit der Nachverdichtung dar. Mit der Realisierung von Gründächern kann das Abflussverhalten von Regenwasser ebenfalls positiv beeinflusst werden.
„Wiewohl etwa durch Nachverdichtung und Nutzung von Brachflächen der Bodenverbrauch vermindert werden kann, wird es ganz ohne Inanspruchnahme neuer Flächen nicht gehen. Wenn Vorarlberg ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben soll, ist es wenig ratsam der Industrie notwendige Flächen zur Expansion zu verwehren. Andernfalls wandert die Produktion ab und wertvolle Arbeitsplätze gehen verloren“, erklärt Studienautor Andreas Kreutzer.
Eine Projektion eines „9 km²–Ziels (=2,5 ha/Tag)“ für ganz Österreich zeigt, dass damit eine massive Reduktion des Neubaus von Eigenheimen, Mehrfamilienhäusern und Nicht-Wohn-Gebäuden erforderlich wäre.
Vorarlberg erlebt nach wie vor einen Personenzuzug; wo die Menschen zukünftig wohnen sollen, bleibt offen. Ebenso fraglich wären die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten der heimischen Wirtschaft. Warum soll ein Betrieb in Vorarlberg investieren, wenn nur begrenztes bzw. kein Entwicklungspotential gegeben ist.