Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie), Fachvertretung

Anreicherung von Lebensmitteln

Schwerpunktthema

Lesedauer: 6 Minuten

 

Österreichische Gesetzeslage

  • Für die "Anreicherung" von Lebensmitteln mit Vitaminen und Mineralstoffen bestehen in Österreich keine spezifischen gesetzlichen Regelungen. Es gilt das im österreichischen Lebensmittelgesetz (LMSVG) verankerte "Missbrauchsprinzip": Das bedeutet: Lebensmittel dürfen mit Nährstoffen angereichert werden, solange das Lebensmittel dadurch keine der im § 5 LMSVG beschriebenen verpönten Eigenschaften aufweist, also z.B. nicht gesundheitsschädlich, verdorben, verfälscht udgl ist. Auch darf es aufgrund der Art und Menge zugesetzter Nährstoffe nicht eine Einstufung als "Arzneimittel" auslösen. Ob der Zusatz von Nährstoffen dazu führt, dass ein angereichertes Lebensmittel als Arzneimittel einzustufen ist, ist im Einzelfall abzuklären. Das kann etwa entsprechend den einzelstaatlichen Bestimmungen und gutächterlichen Positionen in Österreich durch (EuGH RS C-387/99 und C-150/00) nach § 73 LMSVG autorisierte Gutachter oder Untersuchungsanstalten abgeklärt werden.
  • Eine Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitaminen und Mineralstoffen erfolgt grundsätzlich freiwillig. Eine verpflichtende Anreicherung ist nur bei Speisesalz vorgeschrieben, das als solches an den Endverbraucher abgegeben wird (verpflichtende Zugabe von Jod; siehe Speisesalzgesetz, BGBl Nr. 112/1963).
  • Anreicherung "spezieller" Lebensmittel: Gesetzliche Bestimmungen über die Verwendung von Vitaminen und Mineralstoffen bestehen für einige spezielle Lebensmittel wie Säuglingsanfangs- und Folgenahrung, einige Formen diätetischer Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel. Geregelt werden die Voraussetzungen für die Verwendung sowie die Form und Reinheitskriterien von Nährstoffen. In Positivlisten werden sämtliche Vitamine und Mineralstoffe genannt, die zugesetzt werden dürfen (siehe z.B. Verordnung über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung, BGBl II Nr. 68/2008, Verordnung über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, BGBl Nr. 416/2000, ).
  • Weiters sieht das Österreichische Lebensmittelbuch (ÖLMB) vereinzelt Richtlinien für die Verwendung von Vitaminen und Mineralstoffen bei Lebensmitteln vor (u.a. Richtwerte für alkoholfreie Erfrischungsgetränke und Getränkepulver mit Mineralsalzen, Zugabe von Vitamin A, D, E zu Speisefetten und Speiseölen).
  • Das ÖLMB enthält auch Richtwerte betreffend Höchstgehalte an anderen Nährstoffen als Vitaminen und Mineralstoffen (z.B. Zucker, Fett, Kohlenhydrate,...) in Lebensmitteln. Diese beruhen zum Teil auf europäischen bzw. nationalen gesetzlichen Bestimmungen (u.a. Fruchtsaftverordnung, BGBl II Nr. 83/2004, Schokoladeverordnung BGBl II Nr. 628/2003) und zum Teil auf der österreichischen Verkehrsauffassung (z.B. Richtlinie für die Verwendung von Höchst- und Mindestmengen an Fett und Zucker bei Fein- und Konditorbackwaren, an Wasser- und Salz bei Teigwaren oder an Fett bei Mayonnaisen, Milch oder Milcherzeugnissen).
  • Nährwertkennzeichnung: Wird beim Inverkehrbringen eines Lebensmittels auf zugefügte Vitamine und Mineralstoffe besonders hingewiesen (dh wird eine "nährwertbezogene Angabe" gemacht ), müssen die Nährwerte gemäß der EU-Informationsverordnung Nr. 1169/2011 auf dem Etikett des Lebensmittels in Form einer Tabelle deklariert werden. Eine "nährwertbezogene Angabe" ist jede Angabe, Darstellung oder Aussage, mit der erklärt, suggeriert oder mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Nährwerteigenschaften besitzt, weil es Energie (nicht) liefert oder Nährstoffe (nicht) enthält (z.B: bei einem mit Vitamin C angereicherten Getränk der Hinweis "Mit viel Vitamin C" oder der Hinweis "kein zugesetzter Zucker").
  • Verbot "krankheitsbezogener Angaben": Werden beim Inverkehrbringen angereicherter Lebensmittel besondere Nährwert- und Gesundheitseigenschaften des Lebensmittels angepriesen, ist das Verbot "krankheitsbezogener Angaben" zu beachten. Angaben wie "Beugt dem Herzinfarkt vor" oder "hilft gegen Magenkrebs" sind nicht zulässig. Wahrheitsgemäße gesundheitsbezogene Angaben sind dagegen erlaubt, sofern sie für den Verbraucher nicht irreführend sind (z.B. "Die probiotischen Kulturen XY können bei regelmäßigem Genuss das Gleichgewicht der Darmflora unterstützen"). Siehe näher unter: Schwerpunktthema "Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben".

Europäische Gesetzeslage: Anreicherungs-Verordnung (EG) Nr. 1925/2006

Die EG-Anreicherungs-Verordnung Nr. 1925/2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Substanzen zu Lebensmitteln wurde am 20.12.2006 veröffentlicht (Abl. Nr. L 404/26). Ein erster Entwurf wurde im Sommer 2003 zur Diskussion vorgelegt. Ende 2005 hatte der Rat seinen Gemeinsamen Standpunkt zum gegenständlichen Regelungsvorhaben veröffentlicht. Damit wird ein EU-weit einheitliches Rechtsregime für die freiwillige Anreicherung von Lebensmitteln mit Nährstoffen und anderen Substanzen eingeführt.  

Eckpunkte der Verordnung:  

  • Geltungsbereich und Definitionen (Art. 1 und 2): Was regelt die Verordnung? Die EG-AnreicherungsVO legt europaweit einheitliche Vorschriften für die freiwillige Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitaminen, Mineralstoffen und anderen Substanzen fest. Nahrungsergänzungsmittel (Richtlinie 2002/46/EG) sind vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen. Unter "andere Substanz“ ist ein Stoff zu verstehen, der eine ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung hat ohne Vitamin oder Mineralstoff zu sein.  
  • Voraussetzungen für die Anreicherung (Art. 3): Welche Vitamine und Mineralstoffe Lebensmitteln zugesetzt werden dürfen und in welcher Form, regeln Positivlisten: Lebensmitteln dürfen ausschließlich die in Anhang I der Verordnung angeführten Vitamine und Mineralstoffe in den in Anhang II genannten Formen zugesetzt werden. Lebensmitteln können Stoffe unabhängig davon zugesetzt werden, ob die zugesetzten Vitamine und Mineralstoffe normalerweise im Lebensmittel enthalten sind. Durch die Anreicherung soll u.a. ein nachgewiesener Mangel, eine angenommene niedrige Aufnahmemenge oder der Ernährungszustand der Verbraucher oder bestimmter Gruppen verbessert werden.  
  • Beschränkungen des Zusatzes von Vitaminen und Mineralstoffen (Art. 4):Nicht verarbeiteten (frische) Lebensmitteln (z.B. Obst, Gemüse, Fleisch) sowie Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 %VOL dürfen keine Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt werden.  
  • Höchst- und Mindestgehalte für Vitamine und Mineralstoffe (Art. 6): Zugesetzte Vitamine und Mineralstoffe müssen in Lebensmitteln in signifikanten Mengen vorhanden sein. Als Orientierung in der Praxis wird die im Anhang zur Nährwertkennzeichnungsverordnung, BGBl Nr. 896/1995, festgelegte Menge von 15 % der empfohlenen Tagesdosis (RDA) an Vitaminen und Mineralstoffen herangezogen. Bislang gibt es im Gemeinschaftsrecht keine Höchst- und Mindestmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs. Hinsichtlich der Mindestmengen orientiert man sich in der Praxis ebenfalls an den 15 % der im Anhang zur Nährwertkennzeichnungsverordnung empfohlenen Tagesdosis (RDA). Von der Kommission sollen innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung (bis spätestens 19.01.2009) Höchstgehalte für Vitamine und Mineralstoffe bezogen auf das verzehrfertige Produkt festgelegt werden.  Ab diesem Zeitpunkt wird die Bestimmung der EG-AnreicherungsVO schlagend, dass der Gesamtgehalt des zugesetzten Vitamins oder Mineralstoffes zum Verkaufszeitpunkt des Produktes den dafür festgelegten Höchstwert nicht überschreiten darf. Derzeit liegt dazu ein erstens Orientierungspapier der Europäischen Kommission vor.
  • Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung (Art. 7): Die Nährwertkennzeichnung ist bei Lebensmitteln, die mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert sind, verpflichtend anzugeben. Dabei ist der Gesamtgehalt an Vitaminen und Mineralstoffen, den das Lebensmittel nach dem Zusatz aufweist sowie bestimmte andere Nährstoffe (Brennwert, Eiweiß, Kohlenhydrate, Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe und Natrium) zu deklarieren.  

Verboten sind Hinweise, die

  • erklären oder suggerieren, dass eine ausgewogene Ernährung nicht die notwendigen Nährstoffmengen liefern kann;
  • den Verbraucher hinsichtlich des Ernährungswerts des Lebensmittels täuschen oder irreführen.  
  • Zusatz bestimmter anderer Stoffe als Vitamine und Mineralstoffe (Art. 8): Im Anhang III wird die Aufnahme anderer Stoffe ("other substances“) geregelt. Eine "andere Substanz“ im Sinne der Verordnung ist ein "anderer Stoff als ein Vitamin oder ein Mineralstoff, der eine ernährungsbezogene oder eine physiologische Wirkung hat“. Stoffe, die Lebensmittel nicht beigefügt werden dürfen, können im Anhang (Teil A) aufgenommen werden. In Teil B und C des Anhangs können Stoffe angeführt werden, deren Verwendung eingeschränkt zulässig ist oder deren Sicherheit von der Gemeinschaft einer Prüfung unterzogen wird.  
  • Gemeinschaftsregister (Art 9): Die Europäische Kommission hat ein Gemeinschaftsregister gemäß Art 9 der EG-Anreicherungsverordnung veröffentlicht:
    • Abschnitt A: Liste der Vitamine und Mineralstoffe, die gemäß Anhang I der Verordnung zugesetzt werden dürfen
    • Abschnitt B: Liste der Vitamin- und Mineralstoffverbindungen, die gemäß Anhang II der Verordnung zugesetzt werden dürfen
    • Abschnitt C: Höchst- und Mindestmengen an Vitaminen und Mineralstoffen, die Lebensmitteln zugesetzt werden dürfen, sowie Bedingungen gemäß Art 6 der Verordnung
    • Abschnitt D: Information betreffend nationaler Vorschriften hinsichtlich verpflichtender Zusetzung von Vitaminen und Mineralstoffen gemäß Art 11 der Verordnung
    • Abschnitt E: Beschränkungen hinsichtlich dem Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen gemäß Art 4 der Verordnung
    • Abschnitt F: Liste der Stoffe, für die Dossiers gemäß Art 17 Abs 1 lit. b der Verordnung übermittelt wurden
    • Abschnitt G: Information über Stoffe gemäß Anhang III der Verordnung
    • Abschnitt H: Information über Stoffe gemäß Anhang III Abschnitt C der Verordnung, deren Verwendung generell erlaubt ist gemäß Art 8 Abs 5 der Verordnung
       

  

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© Letzte Aktualisierung: 24.02.2015

 

Stand: 24.02.2015