Nahrungs- und Genussmittelindustrie (Lebensmittelindustrie), Fachvertretung

Codex Alimentarius

Österreichisches Lebensmittelbuch

Lesedauer: 3 Minuten

 

 

    1. Geschichtliche Entwicklung
    2. Rechtsnatur
    3. Regelungszweck
    4. Codexkommission 

 

 

Codex Alimentarius Austriacus - das Österreichische Lebensmittelbuch 

a. Geschichtliche Entwicklung

Nach Vorarbeiten, die bis 1896 zurückgereicht hatten, erschien ab 1911 die erste Auflage des österreichischen Lebensmittelbuches (Codex Alimentarius Austriacus, kurz: Codex). Sie diente als Interpretationsbehelf für rechtlich unbestimmte Beanstandungsgründe wie "gesundheitsschädlich", "verfälscht", "nachgemacht" oder "falsch bezeichnet". Inhaltlich handelte es sich um eine von Fachleuten auf privater Basis erarbeitete Zusammenstellung von Leitsätzen, Untersuchungsmethoden und Kennzahlen, die einwandfreie Lebensmittel charakterisieren. Die zweite Auflage wurde ab 1934 veröffentlicht. Sie wurde von einer Kommission erstellt, der neben Vertretern der Wissenschaft auch die Lebensmittelwirtschaft sowie die zuständigen Ministerien angehörten. Ziel des Codex war es, den Produzenten, den Händlern, der Lebensmittelüberwachung und den Untersuchungsanstalten eine Richtschnur für das Inverkehrbringen bzw. die Untersuchung von Lebensmitteln zu geben. In der Zeit zwischen 1938 und 1945 galt in Österreich das deutsche Lebensmittelrecht, das ein Lebensmittelbuch nicht kannte. Mit der Rechtsüberleitung wurde 1945 das österreichische Lebensmittelgesetz 1897 wieder in Kraft gesetzt und 1951 erfolgte seine Wiederverlautbarung. In der LMG-Novelle 1950 wurden der Codex und die Codexkommission rechtlich verankert. Die dritte Auflage des Codex erschien ab 1952. Erst mit dem LMG 1975 wurde die Codexkommission gesetzlich verankert. Sie erhielt dabei auch zusätzliche Befugnisse. Daneben wurden der Ständige Hygieneausschuss und der Ständige Ausschuss in Fragen des weltweiten Codex eingerichtet. Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) übernimmt die Regelungen der Codexkommission und dem Österreichischen Lebensmittelbuch in den §§ 76 ff. Mit dem Wirksamwerden des EWR am 1.1.1994 und der damit verbundenen Übernahme lebensmittelrechtlicher Bestimmungen der Europäischen Gemeinschaft wurden einige Aussagen des Codex gegenstandslos bzw. standen mit EG-Recht im Widerspruch. Aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht war dafür Sorge zu tragen, dass der Codex EG-rechtskonform ist. Die Rechtsnatur des Codex wurde durch den EU-Beitritt nicht geändert. Seine Bedeutung als Dokumentation der allgemeinen Verkehrsauffassung und als Richtschnur für die "Qualität" von Lebensmitteln ist aufrecht. Ein darüber hinausgehender Bedeutungsgehalt kommt ihm nicht zu.

 

b. Rechtsnatur

Der Codex dokumentiert die allgemeine Verkehrsauffassung zur Beschaffenheit von Lebensmitteln. Dabei kommt ihm weder Gesetz- noch Verordnungskraft zu. Er hat die rechtliche Bedeutung eines "objektivierten Sachverständigengutachtens" (OGH 9.4.1991 ÖBl 1991, 232; OGH 13.5.1997 ÖBl 1998, 17). Ein Abweichen von diesem Sachverständigengutachten ist daher bei entsprechender Kenntlichmachung - insbesondere in Form der Kennzeichnung - möglich. Da die Beschlüsse der Codexkommission vom zuständigen Bundesministerium als Erlass kundgemacht werden und die Organe der Lebensmittelüberwachung und die Untersuchungsanstalten bei ihrer Tätigkeit daran gebunden sind, wird er auch als "Verwaltungsverordnung" eingestuft.

 

c. Regelungszweck

Der Codex dokumentiert die allgemeine Verkehrsauffassung über die Beschaffenheit von Lebensmitteln. Gemäß § 76 LMSVG dient der Codex zur Verlautbarung von:

- Sachbezeichnungen
- Begriffsbestimmungen
- Untersuchungsmethoden
- Beurteilungsgrundsätzen
- Richtlinien für das Inverkehrbringen von Waren Gemäß § 76 LMSVG obliegt die Veröffentlichung des österreichischen Lebensmittelbuches dem zuständigen Bundesministerium. Sie erfolgt in Form von Erlässen des Ministeriums. Daneben publizieren verschiedene Medien laufend die von der Codexkommission gefassten Beschlüsse (z.B. "ernährung").

 

d. Codexkommission

Die Aufgabe der Codexkommission besteht in der Beratung des zuständigen Bundesministers in Angelegenheiten des LMSVG sowie in der Vorbereitung der Veröffentlichung des Codex. Die Codexkommission legt Vorschläge für einzelne Codexkapitel und -beschlüsse vor, die vom zuständigen Bundesministerium in Form von Erlässen veröffentlicht werden. Das Bundesministerium ist dabei nicht an die Vorschläge der Codexkommission gebunden, folgt in der Praxis jedoch den Arbeitsergebnissen der Codexkommission.

Die Codexkommission setzt sich aus Vertretern folgender Bereiche zusammen:

  • Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
  • Bundesministerium für Justiz
  • Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
  • Bundesministerium für Arbeit
  • Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
  • Bundesministerium für Finanzen
  • Vertreter der Länder
  • Bundesarbeitskammer
  • Wirtschaftskammer Österreich
  • Österreichischer Gewerkschaftsbund
  • Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs
  • Verein für Konsumenteninformation
  • Lebensmitteluntersuchungsanstalten
  • § 73-Gutachter 
  • auf Vorschlag der Sozialpartner bestellte Fachleute 
  • Wissenschaftler



Die Mitglieder werden für eine Funktionsperiode von fünf Jahren bestellt. Ihre Tätigkeit ist ausnahmslos ehrenamtlich. Die Geschäftsordnung der Codexkommission unterliegt der Genehmigung des zuständigen Bundesministeriums.

 



Codex Alimentarius - weltweiter Codex 



Der weltweite Codex Alimentarius ist ein 1961 von der Lebensmittel- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eingerichtetes Gremium für die Erarbeitung von weltweit gültigen Standards für Lebensmittel. Thematisch abgedeckt sind horizontale Bereiche wie Hygiene, Zusatzstoffe, Pestizide, Analysen und Probeverfahren, Kennzeichnung, aber auch vertikale Produktgruppen wie Fleisch(waren) und Fisch, Milch oder Fruchtsäfte. Die in Ausschüssen erarbeiteten und in einem Stufenverfahren (bis zu acht Entscheidungsschritten) verabschiedeten Standards haben keinen verbindlichen Charakter. Sie sind vielmehr Empfehlungen für die Beschaffenheit von Lebensmitteln und dienen den einzelnen Mitgliedstaaten als Richtschnur für ihre nationalen Rechtsetzungsakte.

Aufgrund seiner Verankerung im Rahmen der World Trade Organisation (WTO) kommt dem Codex Alimentarius Bedeutung im internationalen Handel mit Lebensmitteln zu. Die erarbeiteten Standards werden in WTO-Streitbeilegungsverfahren als Referenznorm für die Beurteilung der Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln am Weltmarkt herangezogen.

 

Ansprechpartner

Stand: 07.01.2022