Zuckersüße Fackelübergabe
Als die Konditoren-Familie Walter das Ende ihres Cafes in der Innsbrucker Pradler Straße bekannt gab, brach für viele Tortenliebhaber:innen eine Welt zusammen. Doch der Ur-Pradler und Vollblut-Gastronom Wolfgang Matkey führt die Tradition mit einem genialen Konzept fort.
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Bevor die Gäste in die Kuchenvitrinen schauen, staunen, die vielleicht schönste Qual der Wahl haben und in verzückter Vorfreude zu grinsen beginnen, bedanken sich viele bei ihm. Dafür, dass er „das“ macht. „Ja, das musst du erst einmal erleben“, sagt Wolfgang Matkey und versucht gar nicht erst, seine Rührung über diese Dankbarkeit zu verbergen. Dafür gibt es auch keinen Grund. Denn der Ur-Pradler und Vollblutgastronom hat wieder einmal großen unternehmerischen Mut bewiesen und im August ein neues Kapitel für das Cafe Walter in Pradl aufgeschlagen – mit Wolfi’s Tortenecke.
In der ersten Reaktion der frohen Kund:innen zeigt sich große Erleichterung. Darüber, dass nicht schon wieder eine gastfreundliche Institution im Innsbrucker Stadtteil Pradl schließt. Darü- ber, dass die süßen Leidenschaften weiterhin ein strahlendes Zentrum haben. Darüber, dass dieses Cafe, das über viele Jahrzehnte zum zweiten Wohnzimmer für zahlreiche Stammgäste geworden ist, weiterhin dazu einlädt, sich hohe Konditoren-Kunst auf der Zunge zergehen zu lassen.
Hohe Latte
65 Jahre lang hatte sich die Familie Walter mit ihrem Zuckerbäcker-Handwerk eine große Fangemeinde und einen gewaltigen Ruf erarbeitet. Diesen verstummen zu lassen, ist ihr entsprechend schwer gefallen. „Es war keine leichte Entscheidung, aber wir sind dankbar für die wunderbare Zeit, die wir gemeinsam mit euch erleben durften“, heißt es im Abschiedsbrief an die Kund:innen, den die Familie auf der Homepage der Konditorei veröffentlichte. Darin steht auch: „Wir sind dankbar für die wunderbare Zeit, vdie wir gemeinsam mit euch erleben durften und stolz darauf, dass wir ein Teil eurer Leben sein durften. Auch wenn wir nun Abschied nehmen, so bleiben die Erinnerungen hoffentlich bestehen.“
Im Cafe gegenüber der Pradler Kirche passierte das ganze Leben. Von Taufen bis zu Beerdigungen und allen schönen Momenten dazwischen. Damit diese Erinnerungen nicht nur bestehen bleiben, sondern auch neue geschaffen werden, hat die Familie Walter Wolfgang Matkey zu ihrem Nachfolger gewählt. Ihm streuen sie in ihrem Brief Rosen – aus Edelmarzipan, versteht sich: „Er wird die Qualität und den Charme, den ihr von uns kennt, bewahren und den Ort der Begegnung in Pradl am Leben erhalten.“
Die Latte für den Nachfolger liegt hoch, doch Wolfgang Matkey weiß, wie er die Herausforderung meistern kann. Und das tut er gern. Matkey kennt das Leben in Pradl, ist er doch hier aufgewachsen und hat sich hier auch über 20 Jahre seine Sporen als findiger und kreativer Gastronom verdient. In den 1990er/Jahren hatte der gelernte Eismacher die Eisgrotte geführt, dann mit der Wendlstube Erfolgsgeschichte geschrieben. Zuletzt führte Matkey das Forum Cafe in Rum. „Dann hörte ich, dass die Walters einen Nachfolger suchen. Es wurde befürchtet, dass das Cafe schließt. Da dachte ich, das darf nicht sein“, erzählt Matkey von dem Kick, der ihn unternehmerisch kitzelte – und sagt: „Ende Oktober werde ich 50 Jahre alt, da wollte ich noch einmal die Ärmel hochkrempeln und ein großes Konzept aufziehen.“
Großes Konzept
Das Konzept, von dem er spricht, musste groß sein, um dem Erbe der Walters gerecht werden und dem Standort eine Überlebenschance geben zu können. Wichtigste Säule „der Walters“ war die Produktion in der eigenen Backstube – um’s Eck des Cafes – gewesen. Von dort waren die Backwerke mit dem Fahrrad geliefert worden, ein Umstand, der im Logo der Konditorei verewigt und zu deren Markenzeichen geworden war. Um die Vielfalt und Qualität, die das Sortiment im Cafe Walter so legendär machte, zu ersetzen beziehungsweise auch mit neuen Gaumen-Highlights fortzusetzen, schuf Matkey ein ziemlich geniales Netzwerk an Lieferant:innen, deren Handwerke die Vitrinen seines Tortenecks adeln. „Eine Konditorei allein kann das nicht stemmen, darum habe ich mich auf die Suche nach Konditor:innen in der Umgebung gemacht“, erzählt er.
Dass aus der Konditorei Walter einige Meister:innen hervorgegangen sind, die die Walter’schen Künste beherrschen und sich selbstständig machten, ist nicht nur eine Ode an die Dynamik des Handwerks. Durch Wolfi’s Tortenecke legte Matkey beispielsweise für Strudelpeter, Peter Bayer, oder das Haller Tortenmädchen, Lisa Haas, eine süße Schiene zurück zu ihren Pradler Wurzeln. Mit den Produkten der vielfach ausgezeichneten Absamer Konditorei Fuchs und den außergewöhnlichen Patisserie-Kreationen der Zuckerschmiede in Rinn wird das nicht minder außergewöhnliche Portfolio von Wolfi’s Tortenecke ab- oder vielmehr aufgerundet. „Sie sind alle hammermäßig gut“, weiß Matkey, der selbst bekennender Sahnetortentiger ist und weiß, wovon er spricht.
Als er seine vier Mitstreiter:innen, die sich auch um Bestelltorten für alle Anlässe kümmern, danach fragte, wer die Pralinen liefern könnte, winkten sie angesichts der Herausforderung allerdings freundlich ab – und Matkey begab sich neuerlich auf Partnersuche. „Es musste etwas Handgemachtes sein“, betont er den entscheidenden Suchbegriff, der Matkey für einen kurzen Planungsgedanken ins nahe Bayern führte, bis seine Frau Karla auf die Manufaktur Genusssucht in Schwaz aufmerksam wurde – und damit ins Schwarze traf. „Ich bin eigentlich kein Schokoladentiger, aber bei den Pralinen werde ich schwach“, gesteht der Chef, der im Zusammenhang mit süßen Verführungen wohl ohne Probleme behaupten kann, das größte und verführerischste Angebot des Landes bieten zu können, mit dem auch die regionale Zutatenvielfalt gefeiert wird.
Neue Verlockungen
„Ich liebe die Konzentration auf die Saison. Bei mir wird es Faschingskrapfen nur von 11. November bis Faschingsdienstag geben und Zwetschgenfleck zur Zwetschgenzeit“, sagt Matkey, mit dessen umfangreichem Sortiment nicht nur die heiklen Gaumen derer erfreut werden, die das Cafe schon lange zu ihrem zweiten Wohnzimmer erklärt haben, sondern auch jene, die sich gerne mit Neuem reizen lassen. Mit spannenden Kaffee-Kreationen beispielsweise, deren Basis die Röstaromen von Illy sowie der Innsbrucker Brennpunkt Kaffees bilden. Neu ist auch, dass der Verkaufsraum in der Pradler Straße 25 an sieben Tagen um sieben nach sieben öffnet (das Cafe dann von 8 bis 18 Uhr) und Jausen sowie verschiedene Frühstücksvarianten angeboten werden. „Dafür habe ich die Bäckerei Waldhart in Telfs gewinnen können. Die sind richtig super und backen ihr Brot noch nach alter Tradition“, sagt Matkey und ergänzt: „Es ist eine Symbiose. Wir drehen alle am gleichen Rad. Jeder will noch etwas erreichen und jeder tut sich gerade ein bisschen schwer.“
Zusammen sind sie nicht nur weniger allein, zusammen nutzen sie die Chance, in Wolfi’s Tortenecke ihre Stärken zu zeigen. Für Wolfgang Matkey selbst ist seine Rückkehr nach Pradl „wie heimkommen“. Heimkommen zu einer so hoffnungsfrohen wie zuckersüßen Fackelübergabe.
Weitere Infos: Wolfi's Tortenecke