Wirtschaftskraft Psychologie: Zeit für positive Signale
Dass die Zeiten für Unternehmer:innen herausfordernd sind, ist keine Frage. Corona-Pandemie, geopolitische Verwerfungen, allerlei Transformationen, Energiekrise – die 2020-er Jahre lassen nichts aus. Und sie trüben die Stimmung. „Wirtschaft ist in ganz vielen Bereichen Psychologie“, weiß der WK Tirol-Experte Stefan Garbislander und sagt: „Wir brauchen ein positives Momentum.“
Lesedauer: 6 Minuten
Superheld:innen werden sofort erkannt. Nicht nur an ihren Kostümen, den übermenschlichen Kräften, ihrem Mut oder dem unbändigen Willen, die Menschheit zu beschützen und das Böse zu bekämpfen. Superheld:innen zeichnen sich auch durch ihre Haltung aus. Der Kopf erhaben, der Blick entschlossen in die Zukunft gerichtet, die Fäuste an die Seiten des Oberkörpers gestemmt. Diese Haltung wird auch Superheld:innen-Pose genannt. Und sie hat Kraft. 2010 haben Forscherinnen um Amy Cuddy die Ergebnisse ihrer Untersu-chungen zum Power Posing präsentiert und dabei festgehalten, dass diese raumeinnehmende Körperhaltung den Testosteronspiegel erhöht und den Cortisol-Spiegel senkt.
Nur kurze Zeit, nachdem die Proband:innen die Pose eingenommen hatten, war ihr Stresslevel gesunken, das Machtgefühl gestiegen und ihr Selbstbewusstsein positiv befeuert. In Bewerbungsgesprächen hatten jene Bewerber:innen, die sich zuvor mit der Superheld:innen-Pose gestärkt hatten, weit besser abgeschnitten, als jene, die vorher so genannte low-power-poses eingenommen hatten – den Oberkörper gekrümmt und wenig raumeinnehmend. 2012 präsentierte Amy Cuddy ihre Forschung im Rahmen eines TED Talks. Mit über 50 Millionen Klicks auf der TED.com-Seite hatte sie damit für viele Jahre den meistgesehenen Vortrag der TED-Konferenzen geliefert.
Viel Psychologie
Eine zielgerichtete und selbstbewusste Haltung kann entscheidend sein für die Schritte, die in Richtung Zukunft gesetzt werden wollen. Es ist wohl die positive Stimmung, die dabei eine positive Dynamik in Gang setzt. Auch bei Unternehmer:innen. Ja, vor allem bei Unternehmer:innen, in deren DNA es steckt, Risiken einzugehen, zu innovieren und Projekte zu initiieren, von denen sie überzeugt sind. „Wirtschaft ist in ganz vielen Bereichen Psychologie – gerade was diese Investitionen in die Zukunft betrifft“, sagt Stefan Garbislander, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik, Innovation und Nachhaltigkeit der WK Tirol. Im Mittelpunkt der Psychologie stehen – in aller Kürze definiert – die Seele, die Gefühle, das Erlebte von Menschen und selbstverständlich das Verhalten, das sich daraus ergibt.
Wenn Ludwig Erhard, Wirtschaftswissenschaftler, zweiter Bundeskanzler der BRD und Vater der Sozialen Marktwirtschaft, betonte, dass die Menschen durch ihr Tun und Unterlassen die wirtschaftliche Entwicklung prägen, wusste er genau um die Wirkung der allgemeinen Stimmung – in positiver wie negativer Hinsicht. Von Erhard ist auch bekannt, dass er dieses Wissen nutzte, indem er je nach Konjunktur Seelenmassage betrieb und mit Appellen wie „Mut zum Konsum“ oder „den Gürtel enger schnallen“ das gesamtwirtschaftliche Konsumklima beeinflusste.
Wenn Stefan Garbislander also betont, dass Wirtschaft in ganz vielen Bereichen Psychologie ist, trifft er voll ins Schwarze. Der Bauch entscheidet auf vielen Ebenen mit und der Bauch von Unternehmer:innen wird von Stimmungen, Erwar-tungen, Pessimismus oder Optimismus oftmals mindestens so stark beeinflusst, wie vom Faktenwissen.
Macht der Stimmung
„Es kommt ganz oft auf die Stimmung an. Wenn die Betriebe nicht optimistisch sind, dass sich die Investitionen rechnen, dass die Güter und Dienstleistungen auch am Markt absetzbar sind, werden die Investitionen nicht getätigt“, so Garbislander. Der WK-Experte beobachtet diese Dynamiken berufsbedingt selbstverständlich genau und dabei konnte er sich vor allem in den vergangenen vier Jahren nie wirklich ausruhen. Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, atemraubende Transformationen oder geopolitische Verwerfungen – die 2020-er Jahre lassen nichts aus und setzen die Wirtschaftswelt veritabel unter Druck. Die Gemengenlage, die nur zum Teil vor Ort beziehungsweise in Tirol oder Österreich beeinflusst werden kann, verunsichert. Und sie verwirrt. Auf allen Ebenen.
Erst kürzlich präsentierte die Wirtschaftskammer Tirol das Tirol-Barometer Herbst-Winter 2024 beziehungsweise die Auswertung der repräsentativen Konsumentenbefragung, die zwischen 19. November und 4. Dezember 2024 durch das Marktforschungsinstitut IMAD durchgeführt wurde. Dabei ist Stefan Garbislander ins Auge gestochen, dass die Tirolerinnen und Tiroler trotz aller eher als negativ beschriebenen Aussichten und damit verbunden auch einem zurückhaltenden Konsumverhalten, ziemlich zufrieden sind mit der derzeitigen finanziellen Situation ihres Haushalts.
19 % und damit fast jede fünfte Tirolerin und jeder fünfte Tiroler geben an, sehr zufrieden zu sein, 59 % sind eher zufrieden, 18 % eher weniger und nur 3 % gar nicht zufrieden mit ihren Finanzen. Der tatsächliche Blick auf das Konto ist mit der negativen Grundstimmung kaum in Einklang zu bringen. „Die Konsumenten stehen gar nicht so schlecht da. Ein großer Teil der kalten Progression wird ausgeglichen durch die Angleichung zumindest der unteren und mittleren Steuerstufen an die Inflationsrate. Dann waren die Lohnabschlüsse relativ hoch - das heißt, es ist trotz der Preissteigerungen nicht ganz verständlich, dass die Konsument:innen gar so zu-rückhaltend sind in vielen Bereichen“, bringt Gar-bislander das Paradox auf den Punkt.
Obwohl es ihnen offenkundig gut geht, glauben nur 5,1 % der Tiroler:innen, dass es zurzeit günstig ist, größere Anschaffungen (Möbel, Küche, Auto, etc) zu tätigen. Stärker ist hingegen die Kaufbereitschaft im so genannten mittleren Segment, also einer Preiskategorie zwischen 400 und 800 Euro – etwa für eine Sportausrüstung, ein Tablet oder ein neues Handy – was möglicherweise als gutes Omen für das Weihnachtsgeschäft gewertet werden darf.
Positives Momentum
„Jedenfalls ist bei den Konsument:innen die Stimmung schlechter als die Lage“, beschreibt Stefan Garbislander ein eigentümliches Phänomen, das nicht nur bei Konsument:innen zu Zurückhaltung führt, sondern auch bei Unternehmer:innen. Überraschend hatten jüngst die deutschen Konjunkturzahlen eine leicht positive Richtung gewiesen, was in krassem Gegensatz zu den negativen Meldungen zum Wirtschaftsstandort steht, dessen Zustand für die österreichische Wirtschaft ein so starker Gradmesser ist. Die Krise der deutschen Automobilindustrie wirkt sich direkt auf die Zulieferindustrie Österreichs aus, wo die Stimmung nicht nur von der globalen ökonomischen Großwetterlage gedrückt wird. Die vergleichsweise sehr günstige Energie- beziehungsweise Gas-Situation als Standortvorteil ist Geschichte. „Österreich hatte den höchsten Anstieg der Lohnstückkosten – nur in Luxemburg waren sie höher – wobei das kein Vergleich ist“, hält Stefan Garbislander zudem fest und rückt jene Faktoren in den Fokus, die Österreich selbst in der Hand hat.
Vernünftige und anreizende Verhältnisse zwischen Leistung und Lohn oder bürokratischem Aufwand und Nutzen zählen jedenfalls zu den Weichen, die zum Teil auch in Österreich gestellt werden könen – und aus Sicht der Unternehmer:innen unbedingt gestellt werden müssen. Einer aktuellen, recht ernüchternden Studie zufolge, verplempern Angestellte von Unternehmen in Deutschland mehr als ein Fünftel ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie. In Österreich ist die Lage nicht besser. Laut einer Ifo-Studie verschlingt die überbordende Bürokratie jährlich schätzungsweise 15 Milliarden Euro an österreichischer Wirtschaftsleistung. Um der Wucht der Zahl gerecht zu werden, lohnt es sich, sie in Ziffern darzustellen: 15.000.000.000 Euro! Wow. Nicht nur angesichts dessen sagt Stefan Garbislander: „Wir brauchen ein positives Momentum, damit sich die Stimmung der Unternehmer:innen zum Positiven verändert.
Innovationen befeuern
Die Forderungen der WK Tirol können dabei als Kompass dienen. „Die Wirtschaftskammer Tirol hat im letzten Wirtschaftsparlament einstimmig (!) einen Leitantrag beschlossen, der von der neu-en Bundesregierung einen Wachstumspakt einfordert. Dieser Pakt muss Leistung belohnen, Anreize setzen und Innovationen befeuern. Das schafft die Grundlage für einen starken Standort – und genau dafür werde ich mich als Mitglied der Verhand-lungsgruppe ‚Standort‘ bei den laufenden Koali-tionsgesprächen einsetzen“, hielt WK Tirol-Präsi-dentin Barbara Thaler jüngst fest – und sie stellte klar: „Nur eine brummende Wirtschaft kann dafür sorgen, dass unsere Einkommen nachhaltig abgesichert sind. Wer etwas anderes sagt, hat nicht verstanden, dass es die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger sind, die unser Land Tag für Tag am Laufen halten.“
Sie halten das Land am Laufen – und um das mit einer Dynamik zu tun, die sie aller Widrigkeiten zum Trotz weiterhin zu Investitionen und Innovationen motiviert, sind entsprechende Stimmungsmacher nötig. „Die Stimmung darf die Innovationslust nicht killen“, betont auch Stefan Garbislander die Notwendigkeit positiver Anreize. Anreize, die Unternehmer:innen dazu motivieren, die Superheld:innen-Pose einzunehmen. Den Kopf erhaben, den Blick entschlossen in die Zukunft gerichtet, die Fäuste an die Seiten des Oberkörpers gestemmt. Das hat Kraft.