Bildungsconsulting: Wenn die eigene Firma zum Trainingscamp wird
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Wenn die Firma zum Trainingscamp wird

Die WK Tirol hat ein Trainee-Programm für Neueinsteiger:innen entwickelt. Damit lassen sich Kompetenzen optimal entwickeln. Tiroler Betriebe sind eingeladen, dieses Programm für sich zu nutzen.

Lesedauer: 9 Minuten

Aktualisiert am 27.06.2024

Die geeigneten Fachkräfte zu finden, ist und bleibt eine der größten Herausforderung für die heimischen Betriebe. Im aktuellen Top Tirol Konjunkturbarometer der Wirtschaftskammer geben zwei Drittel der heimischen Unternehmerinnen und Unternehmer an, dass der Mangel an Arbeitskräften einen limitierenden Faktor darstellt. Umso wichtiger ist es, potentiellen Bewerberinnen und Bewerbern einen attraktiven Einstieg in die Firma zu bieten. Nach Abschluss des Studiums oder einer Ausbildung wollen junge Menschen oft nur eines: einen Arbeitsplatz, an dem sie ihre Potenziale entfalten können. Doch meist fehlt die Erfahrung, die von vielen Arbeitgebern erwartet wird.

Eine gute Möglichkeit, diesen gordischen Knoten aufzulösen, liegt im Angebot eines Trainee-Programms für Interessentinnen und Interessenten. Diese Option ist mit Vorteilen für beide Seiten verbunden: die Bewerberinnen und Bewerber erhalten einen tiefen Einblick in die Firma und können zu einem sehr frühen Zeitpunkt entscheiden, ob der Arbeitsplatz der richtige für sie ist. Umgekehrt können sich auch die Betriebe ein umfassendes Bild ihrer Nachwuchskräfte machen. Das steigert die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verringert die Fluktuation. Damit vermittelt ein Trainee-Programm das Rüstzeug für den Einstieg in das Arbeitsleben und ist wie ein Schweizer Messer, das als Universalwerkzeug dabei hilft, unterschiedliche Aufgaben zu bewältigen und seine Talente zu schärfen.

Mittendrin statt nur dabei

Die Wirtschaftskammer Tirol hat über das Bildungsconsulting ein eigenes Trainee-Programm entwickelt. Es bietet die Chance, innerhalb eines Jahres intensive Einblicke in die Aufgaben und Bereiche der Wirtschaftskammer zu bekommen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind in wechselnden Funktionen aktiv und lernen dadurch unterschiedliche Prozesse, Strukturen und Schnittstellen sowie die verschiedenen Geschäftsaktivitäten aus nächster Nähe kennen.

Nebenbei bauen die Trainees durch ihren Kontakt mit verschiedenen Bereichen und Abteilungen rasch ein umfassendes persönliches Netzwerk auf. Dabei kommt es darauf an, dass sie nicht zur als Zuschauer agieren, sondern mitten ins Geschehen eintauchen können: „Im Rahmen unseres Programms übertragen wir unseren Trainees vom ersten Tag an Verantwortung. Sie können sich ein Jahr lang die Vision und die Werte unseres Hauses kennenlernen und entwickeln sich in dieser Zeit zu Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern“, erklärt der Leiter des WK-Bildungsconsultings, Wolfgang Sparer. Der Nutzen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wird schnell sichtbar: Durch ihre Teilnahme am Trainee-Programm entwickeln sie ihre wirtschaftlichen, sozialen sowie methodischen Kompetenzen und IT- Kenntnisse weiter und können Praxiserfahrung sammeln.

Auswahlprozess und Trainee-Camp

Dem Programm selbst ist ein Auswahlprozess vorgeschaltet. Dieses Auswahlverfahren ist mehrstufig. Der erste Teil besteht aus einer schriftlichen Bewerbung samt Lebenslauf und Motivationsschreiben, die online auf der Homepage erfolgt. Im zweiten Teil werden anhand einer Potenzialanalyse Talente und Kompetenzen erfasst. Diese kostenfreie Potenzialanalyse bietet neue Entwicklungsperspektiven und Entscheidungshilfen für die Karriereplanung, die Berufsziele und die persönliche Entwicklung. Die Analyse wird mit einem anschließenden Aufnahmegespräch abgerundet. Das Trainee-Camp selbst umfasst vier Stufen, die innerhalb eines Jahres durchlaufen werden. Innerhalb des einmonatigen Basis-Camps erhalten die Teilnehmer:innen einen fundierten Einblick in die Systeme und Haltungen der Unternehmenskultur. In der Folge intensivieren die Trainees nach der Kennenlern-, Orientierungs- und Job-Rotationphase einen Schwerpunktbereich.

Das Ziel ist eine aktive und begleitete Übernahme von definierten Aufgaben in diesem Schwerpunktbereich und den Aufbau von firmenrelevanten Kenntnissen. Durch ein intensives und ausführliches Karrieregespräch wird das WK-Trainee-Programm abgerundet und neue Impulse für den weiteren Berufsweg gesetzt. Für die Sicherung eines Grundgehalts ist während des gesamten Programms gesorgt. „Unser Konzept des Trainee-Programms lässt sich mit leichten Anpassungen auch auf andere Firmen anwenden. Wir stellen unsere Erfahrungen und die einzelnen Elemente des Programms gerne interessierten heimischen Firmen zur Verfügung und unterstützen sie bei der Umsetzung“, erklärt Wolfgang Sparer.

Zukunftskompetenzen entwickeln

Dem Trainee-Programm liegt das Modell FUTUR des Bildungsconsultings zugrunde, mit dem sich Zukunftskompetenzen gezielt entwickeln lassen. FUTUR stellt die fachlichen Fähigkeiten in den Mittelpunkt. Die große Stärke von FUTUR besteht darin, dass modernste Erkenntnisse in ein Modell eingeflossen sind, das ausschließlich auf die Praxisanwendung ausgerichtet ist und sich daher auch Trainee-Programm optimal einsetzen lässt. Da bei einem Trainee-Programm die Weiterentwicklung im Mittelpunkt steht, wird dem Lernen besonderes Augenmerk gewidmet. Um wirklich effektiv zu sein, sollte Lernen alle Ebenen des menschlichen Erlebens einbeziehen: das Denken und Handeln sowohl auf der sachlichen als auch auf der emotionalen Ebene. Diese vier Dimensionen – Information, Aktion, Reflexion und Motivation – bilden ein ganzheitliches Modell, das eine tiefere und nachhaltigere Lernerfahrung ermöglicht.

Dabei bildet Ebene 1, Information, die kognitive Grundlage. Auf der Sachebene des Denkens steht die Information im Mittelpunkt. Diese Ebene umfasst das Sammeln und Verstehen von Wissen. Unser Gehirn verarbeitet diese Daten, speichert sie im Gedächtnis und verknüpft sie mit bereits vorhandenem Wissen. Für viele Lernende ist dies der erste und vielleicht vertrauteste Schritt im Lernprozess. Ebene 2, Aktion, hilft, das Wissen in die Praxis umzusetzen. Die Sachebene des Tuns bezieht sich auf die Anwendung des Gelernten. Diese Phase des Lernens ist besonders wichtig, da sie das Wissen lebendig macht. Durch das Tun festigt sich das Gelernte, und neue Fähigkeiten werden entwickelt. Auf Ebene 3, der Reflexion, werden Emotionen und Denken verknüpft. Hier wird das Erlebte und Gelernte bewusst durchdacht und verarbeitet. Reflexion ermöglicht es den Lernenden, ihre Erfahrungen zu analysieren und aus ihnen zu lernen. Durch diesen Prozess werden Lernerfahrungen vertieft und persönlich bedeutsam gemacht. Auf Ebene 4, der Motivation, werden Emotionen schließlich in Handlungen umgesetzt. Hier geht es darum, die inneren Antriebe zu aktivieren, die das Lernen fördern. Wenn Lernende motiviert sind, setzen sie das Gelernte engagiert um und sind bereit, Hindernisse zu überwinden.

Fazit: Die Reihenfolge und Intensität, in der diese vier Ebenen angesprochen werden, können je nach den individuellen Bedürfnissen variieren. Das Vier-Ebenen-Modell des Lernens geht über die reine Wissensvermittlung hinaus und schafft ein Lernumfeld, das den Lernenden in seiner ganzen Komplexität berücksichtigt. Genau dieses Modell wird im Trainee-Programm angewandt und sorgt damit für einen nachhaltigen Lernprozess, der das Potenzial hat, tiefgreifende und langfristige Lernerfolge zu fördern. Trainee-Programme bilden die ideale Basis dafür, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eine Firma einzubinden und ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Dabei wird besonderer Wert auf zeitgemäßes Lernen gelegt, um effektive Lernprozesse sicherzustellen. Die WK Tirol lädt interessierte Firmen ein, das von ihr entwickelte Trainee-Programm zu nutzen.

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„Eine Win-Win-Situation“

Corinna Kuttner ist Beraterin am Bildungsconsulting und von den Vorteilen eines Trainee-Programms überzeugt.

Warum reicht für Neueinsteiger nicht eine einfache Einschulung? Anders gefragt: Welchen Vorteil bietet ein Trainee-Programm?
Der Vorteil an einem Trainee-Programm ist, dass es sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Trainee eine Win-Win-Situation darstellt. Der Arbeitgeber, um nur ein paar Beispiele aufzuzählen, kann somit zukünftige Fachkräfte ausbilden, seinen Führungsnachwuchs sichern und die Ausbildung an die unternehmensspezifischen Anforderungen anpassen. Der Trainee hat die Möglichkeit sein Wissen und seine Kompetenzen zu erweitern, durch Rotationen unterschiedliche Arbeitsbereiche kennenzulernen sowie ein Netzwerk aufzubauen.

Rechnet sich der Aufwand eines Trainee-Programms für die Betriebe im Verhältnis zu den dadurch verursachten Kosten?

Das Trainee-Programm verursacht natürlich auch gewisse Kosten. Das Programm muss entwickelt und betreut werden, Schulungen und Coachings finden statt. Jedoch bringt das Trainee-Programm auch Kostenersparnisse. So wird beispielsweise die Mitarbeiterbindung erhöht, die Fehlbesetzungen minimiert und die firmenspezifischen Einschulungen sowie Aus- und Weiterbildungen haben auch bereits stattgefunden. Zudem haben Trainees eine ganzheitlichere Sichtweise vom Unternehmen und den unterschiedlichen Abteilungen und können somit zum Informations- und Wissensmanagement beitragen.  

Was sollte ich bedenken, wenn ich ein Traineeprogramm implementieren möchte? Welche Voraussetzungen sollten vorhanden sein?

Das Trainee-Programm ist ein zeitlich begrenztes Einstiegsprogramm und beinhaltet meistens Rotationen, um das Kennenlernen unterschiedlicher Abteilungen oder sogar Unternehmensstandorte, zu gewährleisten. Die unternehmensspezifische Ausbildung beinhaltet zudem Weiterbildungen wie Seminare und Vorträge sowie Coachings, um die fachliche und persönliche Weiterentwicklung zu unterstützen. Oft bekommen die Trainees auch einen Mentor zur Seite gestellt, der sie während der Ausbildung begleitet. Was für mich persönlich an einem Trainee-Programm sehr wichtig ist, dass die Trainees auch ein gewisses Mitsprache- und Gestaltungsrecht haben. Auch kleine Firmen, die ein Trainee-Programm nicht in diesem Umfang anbieten können, können etwa mit Rotationen und individuellen Karriereentwicklungen bei der jungen Generation punkten.

Wirkt sich ein Trainee-Programm Ihrer Erfahrung nach auch positiv auf das Employer-Branding, die Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber, aus?
Gerade bei Hochschulabsolventen ist das Trainee-Programm sehr beliebt, um nicht gleich direkt in einen Job einsteigen zu müssen, sondern die Arbeitswelt sowie sich selbst in der Arbeitswelt noch kennenzulernen und weiterentwickeln zu können.

Ist die Potenzialanalyse – ein Schritt im Auswahlverfahren – für alle Bewerberinnen und Bewerber frei zugänglich?
Die Potenzialanalyse kann jede Bewerberin und jeder Bewerber nutzen. Die Potenzialanalyse bietet auch hier wieder für beide Seiten – Arbeitgeber und Bewerber – Vorteile. Insbesondere für Trainees bietet die Potenzialanalyse Unterstützung in der beruflichen Orientierungsphase und im Erkennen von Stärken und Entwicklungspotenzialen. Für das Unternehmen kann die Potenzialanalyse beim Erkennen von Potenzialen bis hin zur Personalentwicklung und -platzierung einen erheblichen Mehrwert bringen.

Die Praxis hautnah erleben

Lisa Branberger hat das Trainee-Programm der WK Tirol absolviert und dadurch ihren beruflichen Schwerpunkt gefunden.

Sie haben bereits ein Trainee-Programm absolviert. Wie bewerten Sie den Nutzen für sich persönlich?

Durch die Einsätze in internen Abteilungen, einer Bezirksstelle und einer Sparte konnte ich einen umfassenden Einblick in die Tätigkeitsfelder der Wirtschaftskammer Tirol gewinnen und ihre komplexen Strukturen besser verstehen. Persönlich hat mir das Programm einen sanften Start ins Berufsleben ermöglicht, da ich die Gelegenheit hatte, viele verschiedene Bereiche kennenzulernen und damit eine fundierte Orientierung zu erhalten. Besonders wertvoll war für mich, dass ich mir durch die vielen unterschiedlichen Aufgaben meine eigenen Stärken und Schwächen besser erkennen konnte, was mir bei der zukünftigen beruflichen Ausrichtung sehr geholfen hat.

Für wen ist Ihrer Meinung nach das Trainee-Programm besonders geeignet?
Das Trainee-Programm ist besonders geeignet für junge Absolvent:innen, die sich noch nicht sicher sind, in welchem Bereich sie sich spezialisieren möchten. Es bietet eine hervorragende Möglichkeit, einen Einblick in verschiedene Abteilungen und Arbeitsfelder zu bekommen und so herauszufinden, welche Tätigkeit am besten zu den eigenen Fähigkeiten und Interessen passt. Auch für diejenigen, die ihre beruflichen Fähigkeiten in einem dynamischen und unterstützenden Umfeld weiterentwickeln möchten, ist das Programm ideal. Die verschiedenen Teams und Tätigkeitsfelder zeigen auf, wo individuelle Stärken und Schwächen liegen, was sehr hilfreich für die berufliche Orientierung ist.

Hat Ihnen das Trainee-Programm dabei geholfen, ihren beruflichen Schwerpunkt zu finden?
Ja, definitiv. Durch die Einsätze in verschiedenen Abteilungen und Teams konnte ich herausfinden, welche Tätigkeiten mir am meisten Freude bereiten und wo meine Stärken liegen. Nach meiner Rotation in der Personalabteilung, habe ich entschieden mich auf eine Stelle in dieser Abteilung zu bewerben und bin da nun auch tätig.


Ist das Trainee-Programm einer der Gründe dafür, sich bei diesem Arbeitgeber zu bewerben?
Das Trainee-Programm war ein wesentlicher Grund für meine Entscheidung, mich bei der Wirtschaftskammer Tirol zu bewerben. Die Möglichkeit, die Praxis in verschiedenen Geschäftsbereichen hautnah zu erleben und gleichzeitig in seiner Arbeit unterstützt zu werden, war für mich sehr attraktiv. Zudem hat das Programm den Ruf, die berufliche Entwicklung seiner Teilnehmer nachhaltig zu fördern. Die Vielfalt der Aufgaben und die Möglichkeit, in verschiedenen Abteilungen zu arbeiten, haben mich überzeugt.

Können Sie uns von einer besonderen Erfahrung während des Traineeprogramms berichten?
Eine besonders prägende Erfahrung während des Trainee-Programm war meine Mitarbeit in der Sparte Transport und Verkehr. Ich durfte bei der Einführung der Taxigutschein-App „Calemo“ unterstützen. Es war sehr bereichernd zu sehen, wie das Projekt aufgebaut wurde, dann in die Umsetzung ging und auch schon bald die ersten Erfolge zu verzeichnen hatte. Die Möglichkeit, aktiv an einem innovativen Projekt mitzuwirken und dessen positive Auswirkungen direkt mitzuerleben, war äußerst motivierend.