Wege zum Wachstum ohne Reue
Beim Tiroler Handelsforum 2023 befassten sich Handelsunternehmer:innen und Führungskräfte im Congresspark Igls mit den Möglichkeiten und Chancen nachhaltigen Wachstums.
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„In der Kombination von Ökonomie und Ökologie liegt eine große Zukunftschance“, erklärte WK-Präsident Christoph Walser bei der Eröffnung des diesjährigen Handelsforums. Der Spartenobmann des Tiroler Handels, Dieter Unterberger, betonte, dass neben dem ökologischen Aspekt auch die soziale Verantwortung der Tiroler Händlerinnen und Händler in den Fokus rückt. „Im Handel nehmen die Beziehungen zu den Mitarbeiter:innen sowie zu den Kund:innen seit Jahrhunderten einen zentralen Stellenwert ein. Nachhaltigkeit in all ihren Facetten ist ein wichtiges Anliegen für unsere Branche“, unterstrich Unterberger. Günther Botschen vom Retail Lab der Universität Innsbruck stellte fest, dass es eine der Hauptaufgaben des Handels sei, attraktive Begegnungsflächen zu inszenieren. „Dabei wird zunehmend auch die nachhaltige Dimension mitberücksichtigt“, so Botschen.
Nachhaltiges Wachstum
Manuel Braun von der Firma Systemiq in München erklärte, dass kleine und mittelständische Unternehmen in Tirol vom Nachhaltigkeitstrend profitieren und einen echten Wettbewerbsvorteil erlangen können, wenn sie nachhaltige Praktiken in ihrem Unternehmen umsetzen. Braun wies darauf hin, dass sich die Welt in den letzten sechs bis sieben Jahren grundlegend verändert habe: Das Pariser Schutzabkommen, der European Green Deal, die zunehmende Nachfrage der Kunden:innen nach nachhaltigen Produkten sowie die Notwendigkeit stabiler Lieferketten sorgen für eine komplett neue Ausgangslage. „Nachhaltiges Denken und Handeln bieten eine echte Chance für mittelständische Unternehmen, indem sie neue Geschäftsmodelle aufbauen, die ressourcenschonende Materialien nutzen“, unterstrich Braun. Ziel sei eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, die weit über das Thema Recycling hinausgehe und auch Dimensionen wie Sharing, Instandhaltung, Wiederverwertung und den Einsatz umweltverträglicher Materialien beinhalte. Braun sah dabei handfeste Vorteile für KMU: „Sie sind oft weniger gefangen in jahrelang gewachsenen Strukturen, sind agiler. Zudem haben Große oft unheimlich viel Druck vom Kapitalmarkt, der zu kurzfristigen Maßnahmen führt.“ Braun attestierte besonders Familienunternehmen hohe Ambitionen in Nachhaltigkeit, da sie sicherstellen wollen, dass auch die nächste Unternehmergeneration einen erfolgreichen Betrieb führen kann.
Mitarbeiter:innen im Fokus
Florian Krischan, Mitglied der Geschäftsleitung von Wutscher Optik KG, betonte, dass das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen im Vordergrund stehe. Es gehe darum, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Raum zu schaffen, in dem sie sich individuell entfalten und weiterentwickeln können. Der Fokus auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen habe zu unerwarteten Entwicklungen geführt, wie beispielsweise Teams, die gemeinsam eine neue Filiale eröffnen möchten. „Familienunternehmen, die ihren Mitarbeiter:innen mit einer Kultur des Vertrauens begegnen und ihr Wohlbefinden in den Mittelpunkt stellen, steigern nicht nur ihre Betriebsergebnisse, sondern etablieren sich auch als gefragte Arbeitgeber“, erklärte Krischan. Für laufende Gespräche zwischen Führungskräften und Mitarbeiter:innen verwies Krischan auf folgende Leitlinie: „Ohne Wirtschaftlichkeit schaffen wir es nicht, aber ohne Menschlichkeit ertragen wir es nicht.“ Die hauseigene Akademie ist für Krischan einer der Eckpfeiler des Erfolges. Diese sorgt für permanente Aus- und Weiterbildung von Lehrlingen bis hin zu langjährig tätigen Experten. Für Krischan steht fest: „Die Qualität kommt über unsere Mitarbeiter:innen.“
Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit
Am Podium diskutierten Nina Werlberger und Oliver Koll über Thesen zum nachhaltigen Wachstum aus der Sicht regionaler Unternehmerpersönlichkeiten. Die zentrale Frage lautete: „Wachstum ohne Reue – moralische Verpflichtung oder Differenzierungspotenzial?“ Leopold Feucht (Mode Feucht, Innsbruck), gab einen Einblick in die zahlreichen Unternehmensbereiche, in denen bereits Nachhaltigkeit gelebt wird. Carmen Wieser (Spar, Salzburg) erklärte, dass Nachhaltigkeit zunehmend zur Normalität im Handel werde: „Es hat sich bewährt, nachhaltige Produkte nicht in einem Extraregal zu präsentieren, sondern in das Gesamtsortiment zu integrieren.“ Katharina Pirktl (Alpenresort Schwarz, Mieming) wies darauf hin, dass Nachhaltigkeit eine Verankerung in den Werten und der Haltung des Unternehmens benötige. „Das gesamte Team muss dahinterstehen, sonst funktioniert es nicht“, betonte sie. Cornelia Plank (Tyrolpilz, Mils) hob hervor, dass Nachhaltigkeit in die täglichen Arbeitsabläufe einbezogen werden müsse. „Und es braucht Transparenz, damit sich die Kund:innen von der Seriosität einer Firma überzeugen können“, so Plank. Für Andreas Treppo (Swarovski Optik, Absam) ist nun die Zeit gekommen, Nachhaltigkeit auch nach außen zu tragen: „Wir haben schon jahrelang nachhaltig gehandelt, aber wenig darüber geredet. Die Kund:innen haben inzwischen ein stärkeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit und sind daher auch offen für Informationen darüber“, betonte Treppo.
Neben den Vorträgen bot der Event auch heuer genügend Möglichkeiten zum Netzwerken und zum Erfahrungsaustausch unter Kolleg:innen. Auch das ist Teil dieses Formats: Es muss nicht jeder das Rad neu erfinden. Gegenseitiges Lernen schafft Wissensvorsprung und ermöglicht es, dass erfolgreiche Konzepte in weiteren Tiroler Firmen für mehr Nachhaltigkeit sorgen.