Von der Schirmbar zum Familien-Hotel
Seinen Jugendtraum erfüllte sich Gerhard Scherer in Obertilliach im Osttiroler Gailtal und erfüllt nun äußerst erfolgreich mit seinem Almfamilyhotel Sommer wie Winter die Ferienträume von jungen Familien.
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Am westlichen Ortsanfang von Obertilliach steht das Almfamilyhotel Scherer. Es ist ein in drei Satteldach-Häuser gegliedertes Gebäude. Es ist ein gelungener Versuch, einen großen Hotelkomplex so unauffällig wie möglich in die Umgebung einzufügen. Obertilliach ist schließlich das einzige Haufendorf im Bezirk Lienz, und der Ortskern mit seinen vielen historischen Bauernhäusern steht als Ganzes unter Denkmalschutz.
Im Hotel angekommen, begrüßt uns Hausherr Gerhard Scherer, der mit seinem dichten schwarzen Haar, schlicht gekleidet mit grauer Jeans und schwarzem Shirt, einen südländischen Eindruck vermittelt. Obwohl die italienische Grenze nah ist und Obertilliachs Berge im Ersten Weltkrieg Frontgebiet waren, ist der sympathische Vollblutgastronom durch und durch Tiroler und Tilliacher. Sein Hotel ist sein Jugendtraum und Lebenswerk zugleich. Seine Frau Sabine hat ihn von den ersten Ideen an tatkräftig bei der Umsetzung unterstützt. Sie hat deshalb schon in der Planungsphase eine touristische Ausbildung am Tourismuskolleg in Innsbruck absolviert und danach in mehreren Hotels Berufserfahrung gesammelt.
Gerhard entstammt selbst einer Gastronomiefamilie. Seine Eltern betreiben seit den frühen 1970er Jahren die Connyalm im Obertilliacher Skigebiet Golzentipp. Nach der Handelsschule in Lienz absolvierte Gerhard eine Kochlehre im Hotel Weiler in seiner Heimatgemeinde. Danach arbeitete er im elterlichen Betrieb mit. Schon bald wagte er seinen ersten Schritt in die Selbständigkeit, indem er 2003 auf dem jetzigen Standort des Hotels mit einer Schirmbar dem Obertilliacher Après-Ski eine Heimat gab. „Ich hab aber schon immer davon geträumt, mein eigenes Hotel zu bauen“, erzählt der 40-jährige.
2014 war schließlich Baubeginn, und im Dezember 2015 konnte der erste Bauabschnitt mit dem ersten zweigliedrigen Gebäude des Familienhotels eröffnet werden. Dem waren fünf Jahre Planung und auch schwierige Verhandlungen mit den Banken vorangegangen. „Es war nicht so einfach, eine Bank zu finden, die einem Jungunternehmer die Errichtung eines neuen Hotels auf der grünen Wiese finanziert“, erinnert sich Scherer. Zu seinem Glück war der Obmann des Osttiroler Tourismusverbandes im Zivilberuf Banker. Dieser erkannte das Potenzial des engagierten Jungunternehmers und konnte mit ihm gemeinsam einen soliden Finanzierungsplan für das Projekt aufstellen. Ebenso überzeugt von seinem unternehmerischen Geschick war die Gemeinde Obertilliach, die als Eigentümer das benötigte Grundstück bereitwillig an den Bauwerber verkaufte.
Familienthema als Erfolgsrezept
2015 ging das Almfamilyhotel schließlich mit 70 Betten, einem Wellnessbereich und einem Restaurantbetrieb mit 100 Sitzplätzen in Betrieb. In der fünfjährigen Planungs- und Projektierungsphase lernte man Helmut List von Kohl und Partner kennen, und man suchte gemeinsam ein gutes Betriebskonzept. Da es damals in der Region noch kein auf Familien spezialisiertes Hotel gab, war die Ausrichtung bald gefunden. „Wir waren dann vor allem in Südtirol unterwegs und schauten uns viele ähnlich gelagerte Betriebe an, um das dort Gesehene in unsere Planungen einfließen zu lassen.“ Das Familienthema passt perfekt zum Ort, davon ist Scherer überzeugt. Im Winter hat man das kleine Familienskigebiet vor der Tür, und im Sommer besticht das Osttiroler Gailtal durch seine Ruhe und Idylle in einer intakten Natur.
Da mit dem Start des Hotels auch die Familiengründung erfolgte, wussten die Scherers zudem quasi aus erster Hand, was Familien im Urlaub zum Glücklichsein brauchen.
Der Plan ging auf, und das neue Hotel verzeichnete von Anfang an hervorragende Auslastungs- und Umsatzzahlen. Damit konnte bereits 2018 die erste Erweiterung stattfinden. Das Haupthaus wurde dabei um 10 Meter nach vorn verlängert und der dritte Gebäudeteil errichtet, sodass die Vergrößerung nach außen hin sehr moderat wirkte. Seither hat das Almfamilyhotel 140 Betten in 34 Familien-Suiten in der Größe von jeweils 45 bis 62 qm. Das Restaurant hat nun 150 Sitzplätze und weist einen eigenen Kinder-Restaurant-Teil auf. Zum Wellnessbereich kam noch die Wasserwelt mit eigenem Kinderpool. Außerdem wurde eine Indoor-Kletterwand errichtet. 2022 erfolgte schließlich die dritte Ausbaustufe. Dabei erhielt das Hotel eine Tiefgarage mit 65 Stellplätzen. In einem Ort, in dem es in schneereichen Wintern gleich mehrere Meter Neuschnee geben kann, eine naheliegende Investition. Zudem wurde ein kleiner Bauernhof mit Ponys, Schafen und Hennen errichtet. Für die etwas größeren Kinder gibt es nun eine eigene Teenlounge mit Mini-Bowlingbahn und Billardtisch sowie einen Funcourt im Freien.
Michelin-Stern
Statt der einstigen Schirmbar, mit der alles begann, wurde ein eigenes Almbar-Gebäude für die Après-Skigäste und Einheimischen eröffnet. Das Hotel-Restaurant ist übrigens auch für Nicht-Hotelgäste sowohl mittags als auch abends geöffnet. Die Chefleute empfehlen allerdings zu reservieren, da bei Vollbelegung die Tische knapp werden. Der Restaurant-Besuch lohnt sich auf alle Fälle: Mit Küchenchef Thomas Ebner hat Gerhard Scherer nicht nur seinen alten Schulfreund, sondern auch einen Michelin-Sterne-Koch in seinen Heimatort zurückgeholt.
Nächstes Jahr soll übrigens schon wieder gebaut werden, und zwar ein Mitarbeiterhaus mit 17 Appartements und ein Außenpool. Obwohl fast 90 Prozent der Mitarbeiter aus der Region stammen, benötigen auch diese ein adäquates Quartier, weil sie nicht täglich pendeln möchten.
Weitere Informationen: www.almfamilyhotel.com