Tiroler Wirtschaftskammer und Land Tirol im Schulterschluss: Maßnahmen gegen Arbeitskosten, Fachkräftemangel und Bürokratie
Die Wirtschaftskammer und das Land Tirol wollen im Schulterschluss den Standort stärken. Arbeitskosten, Fachkräftemangel, Energiepreise und Bürokratie belasten die Tiroler Betriebe.
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Gemeinsam mit den Vertretern der sieben Sparten der WK Tirol besprach WK-Präsidentin Barbara Thaler mit Landeshauptmann Anton Mattle und Wirtschaftslandesrat Mario Gerber im Rahmen des 2. Tiroler Konjunkturgipfels wesentliche Themen, die für die Zukunft Tirols entscheidend sind. Als Basis diente das aktuelle Top Tirol Konjunkturbarometer, das die WK Tirol halbjährlich erhebt.
Keine Entwarnung: Branchen entwickeln sich unterschiedlich
Die aktuellen Ergebnisse zeigen ein durchwachsendes Bild. Insgesamt zeichnet sich eine leichte Erholung im Vergleich mit dem Konjunkturtiefpunkt zum Jahreswechsel 2023/24 ab, der Geschäftsklimawert hat sich von minus 8 Prozentpunkte auf plus 7 Prozentpunkte ins Positive gedreht. Für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh, weil der leichte Aufwind nicht alle Branchen erreicht: Während insbesondere das Gewerbe und Handwerk sowie die Sparte Information und Consulting Rückenwind verspüren, leiden die Industrie, die Bauwirtschaft und die Verkehrswirtschaft unter einer ausgeprägten Nachfrageschwäche. Insgesamt herrscht hohe Unsicherheit.
Die Präsidentin sorgt sich um die Zukunft des Wirtschaftsstandorts: „Unsere Wettbewerbsfähigkeit hat sich in den letzten zwölf Monaten dramatisch verschlechtert, wie 25 % der befragten Top-Unternehmen berichten.“ Hauptursachen sind stark gestiegene Arbeitskosten (für 83 % der Betriebe), der Fachkräftemangel (51 %), hohe Energiekosten (46 %) und ausufernde Bürokratie (44 %). Besonders betroffen sind exportorientierte Unternehmen im Produktionssektor, die sich im internationalen Wettbewerb behaupten müssen. „Eine Deindustrialisierung des Standorts Tirol droht, falls nicht gegengesteuert wird. Die Rezepte der Vergangenheit greifen nicht mehr“, erklärte Thaler und forderte entsprechende Gegenmaßnahmen
Präsidentin Thaler ortet dringenden Handlungsbedarf in drei zentralen Bereichen:
- Zu hohe Arbeitskosten: „Die Arbeitskosten in Österreich sind in den letzten drei Jahren um 20 % gestiegen – stärker als sonst wo in Europa“, erläuterte Thaler. „Unsere Unternehmen tragen enorme Kosten, während unseren Mitarbeiter:innen viel zu wenig Netto bleibt. Von 1 Euro, den die Betriebe zahlen, landen nur 53 Cent bei den Arbeitnehmer:innen. Das muss sich ändern!“
- Zu viel Bürokratie: „Unsere Betriebe müssen pro Woche im Schnitt 9 Stunden für ein Bürokratiemonster aufwenden, das immer größer wird. Effiziente Regulierungen sind notwendig, um einen unternehmerfreundlichen Rechtsrahmen zu schaffen.“
- Zu wenig Leistungsanreize: „Es braucht mehr Netto vom Brutto. Leistung muss sich für die Leistungswilligen lohnen. Überstunden dürfen nicht bestraft werden, und das Arbeiten in der Pension muss sich auszahlen. Vollzeitarbeit muss wieder attraktiver werden.“
LH Anton Mattle: Sehr viele Unterstützer für das Thema Leistung
Unterstützung für ihre Forderungen fand die Wirtschaftskammerpräsidentin durch Landeshauptmann Anton Mattle. „Die Konjunkturkonferenz ist eine gute Gelegenheit, um als Landeshauptmann direkt in die Wirtschaft hineinzuhören. Es freut mich, dass laut dem WK-Konjunkturbarometer der Tiefpunkt der Konjunktur überwunden zu sein scheint. Dennoch dürfen wir die aktuellen Herausforderungen nicht aus dem Blick verlieren. Die Wirtschaftskammer Tirol hat uns Ideen mitgegeben, um den Standort Tirol weiter voranzubringen“, erklärte LH Anton Mattle im Anschluss an die Konjunkturkonferenz und verwies dabei auch auf seinen Vorstoß in Sachen Leistung. „Ich habe in Reihen der Wirtschaftskammer heute viele Unterstützer für das Thema Leistung gewonnen. Ich will eine ernsthafte Debatte darüber anstoßen, wie wir zurück zur erfolgreichen Leistungsgesellschaft kommen. Die Leistung der Vielen ist der einzige Weg hin zu Wohlstand, sozialer Sicherheit und sozialem Ausgleich. Deshalb habe ich meinen 5-Punkte-Katalog für Leistung, Vorsorge und Eigentum vorgestellt.“ Dabei will der Landeshauptmann gemeinsam mit der Tiroler Wirtschaftskammer auch „Leistungsanreize für Unternehmer und all jene, die sich selbstständig machen wollen, ausarbeiten.“
LR Mario Gerber für Leistungsanreize am Arbeitsmarkt
Auch für Wirtschaftslandesrat Mario Gerber bietet die Top Tirol Umfrage wertvolle Orientierung: „Das halbjährliche Konjunkturbarometer ist ein wichtiges Instrument, um die aktuelle Wirtschaftslage und die Stimmung in der Tiroler Wirtschaft aufzuzeigen. Im Sinne unserer heimischen Unternehmen wollen wir gemeinsam mit den Spartenvertreterinnen und -vertretern auf Basis dieser Ergebnisse nun an wichtigen Stellschrauben drehen und die Tiroler Wirtschaft erfolgreich weiterentwickeln“, so der Landesrat, der bezugnehmend auf die Ergebnisse der heutigen Konjunkturkonferenz betont: „Auch wenn sich eine leichte Erholung der Konjunkturlage abzeichnet, stehen wir nach wie vor drängenden Herausforderungen wie dem Arbeitskräftemangel entgegen. Um noch mehr Arbeits- und Fachkräfte zu gewinnen, müssen künftig verstärkt Leistungsanreize am Arbeitsmarkt gesetzt werden – Vollzeit zu arbeiten muss sich wieder lohnen. Zudem müssen neue Impulse gesetzt werden, um den Wirtschaftsstandort weiter zu stärken. Im Rahmen der Konferenz der Wirtschaftsreferentinnen und -referenten der Bundesländer wurde dazu vor wenigen Wochen eine Standort-Deklaration verabschiedet“, erklärte Gerber abschließend.
Präsidentin Thaler fordert ernsthafte Debatte
„Wir müssen ernsthaft über die Zukunft reden und können nicht auf die kommenden oder die nächsten Wahlen warten. Es geht um zu hohe Arbeitskosten, die zunehmende Bürokratie und dass unseren Mitarbeitern zu wenig Netto vom Brutto bleibt. Leistung muss sich wieder lohnen“, appellierte Thaler an die Politik.
Aktuelles Konjunkturbarometer zeigt gemischtes Bild
(das gesamte TOP Tirol-Konjunkturbarometer zum Download im Anhang)
Das aktuelle Konjunkturbarometer zeigt eine leichte Erholung der wirtschaftlichen Lage der Tiroler TOP-Unternehmen seit dem Konjunkturtiefpunkt zum Jahreswechsel 2023/24. Der Geschäftsklimawert hat sich von -8 Prozentpunkten auf +7 Prozentpunkte verbessert, insbesondere in den Sparten Gewerbe/Handwerk und Information und Consulting. Dennoch bleibt die Unsicherheit hoch, da 62 % der Unternehmen eine neutrale Erwartungshaltung für die zweite Jahreshälfte 2024 einnehmen.
Die Auftragserwartungen bis Herbst 2024 sind gemischt:
- 25 % der Tourismusunternehmen erwarten eine Verbesserung der Buchungslage
- 32 % der Unternehmen in der Verkehrswirtschaft sehen eine positive Entwicklung
- 20 % der Gewerbeunternehmen erwarten eine Verschlechterung der Auftragslage
Belastungen für Unternehmen:
Die Unternehmen sehen die größten Belastungen durch:
- Die stark gestiegenen Arbeitskosten (83 % der Unternehmen)
- Den Fachkräftemangel (51 %)
- Die hohen Energiekosten (46 %)
Diese Faktoren tragen wesentlich zur Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Tirol bei. Die Unternehmen fordern daher wirtschaftspolitische Maßnahmen wie die Senkung der Lohnnebenkosten, Vereinfachungen in der Administration und die Sicherung wettbewerbsfähiger Energiepreise.