Tiroler Meisterinnen mit Vorbildfunktion
Wenn Umweltschutz und Nachhaltigkeit auf den Boden gebracht werden und in den Unternehmen Wurzeln schlagen, wird und bleibt es richtig spannend.
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Weil es schlicht keinen Grund dafür gibt, wirkt dieses Image wie ein eigenartiger Knopf im Kopf. „Bei Busunternehmen denken viele an die alten Stinker, dabei kann man mit Busreisen in puncto Umweltfreundlichkeit richtig glänzen“, stellt Sophie Brunner klar. Sophie Brunner personifiziert die vierte Generation in der Dödlinger Touristik GmbH, mit der seit vielen Jahren von Fieberbrunn aus die Welt erobert werden kann – ob über das Reisebüro oder in den Bussen des Familienunternehmens.
In modernen Bussen zu reisen, ist nicht nur von entspannter Sorglosigkeit geprägt, sondern auch dadurch, dass es kaum umweltfreundlicher und ressourcenschonender geht. Ein durchschnittlich mit 45 Personen besetzter Bus kann rund 30 Pkw ersetzen und der Bus ist im Vergleich zu Bahn, Flugzeug und Pkw mit nur 31 Gramm CO2-Ausstoß pro Kilometer der klare Gewinner. „Mit einer durchschnittlichen Auslas-tung von 60 Prozent verbraucht der Reisebus pro Fahrgast sensationelle 1,4 Liter auf 100 Kilometer. Zum Vergleich: Ein Auto verbraucht durchschnittlich 6 Liter und ein Flugzeug 5,6 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer“, heißt es auf der Webseite der Dödlinger Touristik (doedlinger-touristik.com), wo der Button „Grünreisen“ viel Spannendes bereithält, das auch überrascht. Und das nicht nur, weil damit der Image-Knopf im Kopf elegant zerschlagen wird.
„Während der Corona-Krise, als bei uns alles stillgestanden ist, haben wir überlegt, was wir machen können, um unser Unternehmen zukunftsfit aufzustellen“, blickt Sophie Brunner zurück in die wilden Zeiten, die jene Unternehmen, deren Kerngeschäft Bewegung ist, ziemlich herausforderte. Im von Sophie Brunners Mutter – Christina Brunner – geführten Betrieb wurde der verordnete Stillstand dazu genutzt, neue Dynamiken anzustoßen – umweltfreundliche Dynamiken, mit denen das 15 Mitarbeiter:innen beschäftigende, kleine aber feine Unternehmen zu einem Vorreiter wurde.
Umweltfreundliche Reiseangebote
Nicht nur das Bekenntnis zur Gemeinwohlökonomie trägt dazu bei. Seit 2021 hat die Dödlinger Touristik als erstes Busunternehmen und Reisebüro Westösterreichs die Lizenz, nachhaltige Reisen mit dem Österreichischen Umweltzeichen zu zertifizieren, damit ein Zeichen für den aktiven Umweltschutz zu setzen und das Ziel zu verfolgen, umweltfreundliche Reiseangebote zu schaffen, die zum Klimaschutz beitragen. Friedensreich Hundertwasser hat das Umweltzeichen entworfen, das für diesbezüglich bewusste Kund:innen ein vertrauenswürdiger Magnet ist, weil strenge Umweltkriterien erfüllt werden müssen, um es entsprechend stolz „tragen“ und damit werben zu dürfen.
„Grundsätzlich geht es erst einmal darum, dass das Unternehmen beim Einkauf großen Wert auf die ökologische Nachhaltigkeit legt – sei es beim Büroeinkauf, sei es beim Einkauf der Reinigungsmittel“, erzählt Sophie Brunner. Mehrwegflaschen in den Bussen zu verwenden stellte sich wegen der vielen Kisten als knifflige logistische Aufgabe heraus, die bereits installierte Pelletsheizung hingegen als großer Vorteil für das umweltfreundliche Zertifizierungs-Prozedere. Die Mitarbeiter:innen spielen bei allen Schritten eine entscheidende Rolle. „Wir haben ein super Team. Es will gerne mitgestalten und wir schauen auch immer wieder, dass wir seine Vorschläge umsetzen“, betont Sophie Brunner die Lebendigkeit des nachhaltigen Weges. Bei einer Reise, die mit dem Umweltzeichen zertifiziert wurde, bedeutet dieser Weg beispielsweise, dass auch die Unterkünfte entsprechende Umweltkriterien erfüllen müssen oder die Aktivitäten vor Ort nicht mit einem hohen Ressourcenverbrauch verbunden sein dürfen.
„Wir haben beispielsweise auf Elba ein Ökohotel gefunden. Das ist super. Bei Pauschalreisen ist es zwar schon so, dass die Leute nachhaltig reisen wollen, die Preise aber doch eine Hemmschwelle sind“, sagt die engagierte Jungunternehmerin, die zwar weiß, dass das Bewusstsein noch breiter geschärft werden muss, aber davon überzeugt ist, dass die Zukunft dem umweltzertifizierten Reisen gehört. „Es ist ein Prozess“, sagt sie zur allgemeinen Dynamik, die auch für das Unternehmen zutrifft: „Man fängt an und arbeitet stetig weiter daran.“
Best Practice-Beispiele
Die Investition in eine große PV-Anlage ist ein wichtiger nächster Schritt, der Sophie Brunner auch zu Lukas Kocher geführt hat. Das Beratungsspektrum des Umwelt- und Energieexperten der WK Tirol offenbart eine Fundgrube an Tiroler Best Practice-Beispielen. „Es gibt viele faszinierende Unternehmer:innen, die nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch bezüglich der nachhaltigen Strukturen intelligent arbeiten“ sagt er anerkennend und lenkt den Blick vom Tiroler Unter- ins Oberland, wo in der Gemeinde Schönwies gerade ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt wird. „Das Neubauprojekt des erfolgreichen Software-Unternehmens Casablanca hotelsoftware GmbH in Schönwies ist in allen Facetten beeindruckend“, sagt Kocher und hält weiter fest: „Es wird ein energieautonomes Gebäude, das alle Stücke spielt.“
Alle Stücke. Was das bedeutet, verrät Alexander Ehrhart gerne. Er ist Gründer und Geschäftsführer des IT-Unternehmens, das sich schon ab 1990 auf Software-Lösungen für Gastronomie- und Hotelbetriebe spezialisiert hat und die digitalen Wege für klein- und mittelständische Betriebe mit viel Exzellenz ebnet. „Modernste Technik vereint mit Nachhaltigkeit, Flexibilität und Freizeitmöglichkeiten – das sind die Grundsäulen des Gebäudekonzeptes“, sagt Ehrhart. Schon 2015 hatte er mit dem konkreten Gedanken gespielt, der wachsenden Zahl an Mitarbeiter:innen einen perfekten Rahmen zu schaffen. Aktuell beschäftigt das Unternehmen 52 hochqualifizierte Mitarbeiter:innen. „Um auf hohem Niveau arbeiten zu können, braucht es ein hochwertiges Arbeitsumfeld“, weiß Ehrhart. Ende 2018 konnte das passende Grundstück in Schönwies erworben und bald mit der konkreten Planung des Casablanca hotelsoftware Campus begonnen werden. Corona unterbrach den Flow für kurze Zeit. Ehrhart: „2021 habe ich wieder mit der Planung gestartet und das Projekt auf den heutigen Stand entwickelt.“ Dieser Stand sprengt auf vielen Ebenen den Stand der Technik und kann durchaus als Role Model für eine zukunftsfähige Standort-Lösung bezeichnet werden.
Nachhaltiger Leuchtturm
Barrierefreiheit, lichtdurchflutete Büroräumlichkeiten, die durch ein ausgeklügeltes Licht- und Beleuchtungskonzept ergänzt werden, mit allen Finessen ausgestattete, fixe und auch flexible Arbeitsplätze sowie modernste Belüftungstechnik sind nur ein paar Säulen des seit Mitte Jänner 2023 in Bau befindlichen Gebäudes. Hinzu kommt ein Freizeitangebot, das es den Mitarbeiter:innen schwer machen wird, nach Hause zu gehen. Neben einem eigenen Fitnessstudio inklusive Umkleide- und Sanitärbereich und einem eigenen Gymnastikraum, wird ein Golfsimulator installiert, um auch im Winter am „perfekten Schwung“ arbeiten zu können. „Das ist ein zentraler Teil der Philosophie des neuen Firmengebäudes. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen und neben dem Arbeitsplatz auch ein breites Freizeitangebot in Anspruch nehmen können. Dazu zählt auch der großzügige Außen- und Gartenbereich mit Pool und Terrassenlounge“, sagt Ehrhart und betont, dass Gesundheit, Regionalität und Nachhaltigkeit auch im Lounge- und Kantinenbereich umgesetzt werden: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden mit regionalem, gesundem Essen verköstigt, das täglich frisch zubereitet wird.“
Besser können die entsprechenden SDGs, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, kaum in Arbeitsraum beziehungsweise ein Bürogebäude umgesetzt werden. „Das Schönste ist, wenn man so ein Projekt wachsen sieht. Ich schaue mir gerne die Bilder der Baudokumentation an. Es ist schon erstaunlich, wie schnell heute gebaut wird“, verrät Alexander Ehrhart, was ihm gerade besonders Spaß macht. Mitte Dezember 2023 soll das Gebäude fertiggestellt werden, die Beseelung und Eröffnung ist für Mitte 2024 geplant. Doch schon jetzt ist der Casablanca hotelsoftware Campus ein Leuchtturm, der Verantwortung gegenüber den Mitarbeiter:innen, der Umwelt und dem Standort ausstrahlt. Apropos Standort. „Ich bin der Meinung, dass sich Tirol mit Innsbruck sehr gut für smarte IT-Unternehmen eignet. Wir haben großartige Infrastruktur, eine intakte Natur, ausgezeichnete Sportmöglichkeiten wie Skifahren, Golfen, Biken, Wandern, usw. Diese Infrastruktur steht unseren Mitarbeiter:innen täglich zur Verfügung“, sagt Ehrhart und hält fest: „Natürlich unterstützt uns das Umfeld des Casablanca Campus bei der Suche nach neuen qualifizierten Mitarbeiter:innen. Das war auch der Gedanke in der Konzeption des Firmengebäudes.“ Ein guter Gedanke – ein rundum animierender.
Ab Juni 2023 bietet die Tiroler Wirtschaftskammer mit dem Ökoprofit-Programm ein niederschwelliges Instrument an, um dem steigenden Druck auf Unternehmer:innen zu begegnen, Umweltmanagementsysteme vorzuweisen. „Es ist ein super Einsteiger-Instrument für Unternehmen aller Größen“, weiß Lukas Kocher. Im Interview erklärt der Umwelt- und Energieexperte der WK Tirol, warum er so begeistert ist.
Mit Ökoprofit wird den Tiroler Unternehmer:innen ein Tool angeboten, mit dem auf den steigenden Druck des Marktes, Umweltsysteme zu implementieren, elegant geantwortet werden kann.
Wie kam es dazu?
Lukas Kocher: Für mich ist es am wichtigsten, in die Firmen reinzuhören und zu schauen, wo die Bedürfnisse sind, zu fragen, wo drückt der Schuh – und das dann entsprechend aufzuarbeiten. Ich bin bei einem Bauunternehmer im Oberland gesessen, der sagte, dass sie in Vorarlberg einen Wettbewerbsnachteil haben, weil im Rahmen der nachhaltigen Ausschreibungen gefragt wird, ob sie ein Umweltmanagementsystem haben und wenn ja, welches. Ein Umweltmanagementsystem ist meistens kein niederschwelliges Tool. Diese High Level Structure-Geschichten, wie die Zertrifizierung ISO 14001 einzuführen, ein weiter Weg für KMU. Für eine Baufirma mit 50 Mitarbeitern ist das fast nicht zu stemmen. Da dachte ich, wir müssen schnell etwas tun, damit Unternehmen als Bestbieter nicht den Kürzeren ziehen, weil sie kein derartiges System haben.
Wie funktioniert Ökoprofit?
Es ist ein niederschwelliges System, das inhaltlich auf der ISO 14001 basiert, aber sonst keine Voraussetzung beinhaltet. Unternehmen aller Größen können das machen. Die Stadt Graz hatte das Programm vor 30 Jahren etabliert und alle großen steirischen Unternehmen sind dabei. Ebenso die Vorarlberger, die auf ungefähr 200 Rezertifizierungen jährlich verweisen können. Es ist beeindruckend, dass das so stark angenommen wird und ist in jedem Fall ein super Einsteiger-Instrument. Es basiert auf einer achtteiligen Workshop-Reihe mit Berater:innen, die dann auch im Unternehmen weiterhelfen, um das Erlernte im Betrieb umzusetzen – bis hin zur Zertifizierung.
Welche Rolle spielt die WK Tirol?
Die Wirtschaftskammer ist Lizenznehmerin. Wir werden das organisieren und abwickeln. Dann gibt es die Tiroler Beratungsförderung, wo wir solche Umwelt- beziehungsweise Energiemaßnahmen fördern können. Da sind die Fördersätze sehr gut, sie gehen bis zu 80 %. Momentan gehe ich davon aus, dass die Einführung des Systems ungefähr 6.500 Euro kostet und der Förderbeitrag bei ca. 4.000 Euro liegt. Das wird also eine sehr überschaubare Geschichte für die Unternehmer:innen sein.
Wer wird damit angesprochen?
Aktuell das Bau- und Baunebengewerbe, weil diese jetzt schon stark mit Wettbewerbsnachteilen konfrontiert sind – durch die nachhaltigen Ausschreibungen, die sich im öffentlichen Bereich schon stark etabliert haben. Da wird ein Umweltmanagementsystem schon vielfach vorausgesetzt. Bei vielen Sachen gibt es noch keine Verpflichtung und trotzdem wird beispielsweise eine CO2-Bilanz verlangt. In der Lebensmittelbranche ist das schon normal. Man merkt den steigenden Druck und Ökoprofit ist ein guter Start.
Welcher betriebsinterner Aufwand ist damit verbunden?
Es ist wichtig, den Mehrwert zu sehen. Viele betrachten das nur als Mehraufwand. Es ist ein Aufwand und braucht Ressourcen, keine Frage, aber ich habe noch niemanden kennengelernt, der etwa das Österreichische Umweltzeichen im Tourismus gemacht und gesagt hat, dass sich der Aufwand nicht rentiert und das ein Blödsinn sei. Im Gegenteil. Anfangs war es vielleicht ein Marketinginstrument, mittlerweile ist es eine Firmenphilosophie. Im Tourismus sind das Österreichische Umweltzeichen und das EU Ecolabel inhaltlich qualitative Top-Produkte. Jene Unternehmen, die nicht die Möglichkeit haben, das zu machen – wie eben eine Baufirma oder Dienstleister – die können Ökoprofit verwenden. Damit können wir nun jede Firmengröße – vom EPU bis zum Großunternehmen – abdecken. Prinzipiell wird es eher ein Angebot für kleine und mittlere Unternehmen sein, weil die größeren meistens schon ein Qualitätsmanagementsystem implementiert haben und darauf aufbauen können.
Was sind die großen Fragen, mit denen Sie im Zuge des großen Umbruches im Energiebereich am meisten konfrontiert werden?
Im letzten Jahr hat sich das durch die akute Situation stark verändert. Die Thematik der gestiegenen Strom- und Gaspreise hat natürlich auch unseren Alltag beherrscht.
Eine ungünstige Zeit für neue Strategien?
Natürlich, weil alles so volatil ist und rauf und runter geht. Es ist ja fast unmöglich, Prognosen zu stellen – vor allem bei den Energiepreisen.
Was verbindet die Unternehmer:innen, die trotz der widrigen
Umstände nachhaltige Schritte setzen?
Sie sind gute Unternehmer:innen, weil sie vorausdenken. Man muss auch sagen, dass Energie bis zur Krise bei uns nicht wirklich wertvoll war und sie bei gewissen Sachen umdenken müssen.
Wird gerade zum ersten Mal bewusst, dass in Tirol bislang extrem niedrige Preise für Strom und Gas bezahlt werden mussten?
Ich denke schon. Ich kann mich daran erinnern, dass vor 20 Jahren der Strompreis in Berlin höher war, als der Preis, den wir jetzt am Tisch liegen haben. Die Strompreis-Bremse für Private beispielsweise bedeutet bei uns, dass auf 10 Cent runter gefördert wird, in Deutschland wird alles ab 40 Cent gefördert. Jedenfalls wäre mehr Transparenz von Seiten der Anbieter sehr wichtig und fair gegenüber ihren Kund:innen, für die es fast unmöglich ist, ihre Stromrechnung zu entschlüsseln. Hier müsste das Regelwerk entsprechend geändert werden.
Vor dem Hintergrund drängt sich die Frage, wo Energie gespart werden kann und wie allgemein mit dem Thema umgegangen wird, doppelt auf. Müssen in dem Bereich alle neu denken?
Unbedingt. Für mich ist wichtig, dabei die Möglichkeit zu schaffen, über den Tellerrand beziehungsweise die Unternehmensgrenze hinaus zu denken und dort Möglichkeiten oder Varianten zu entdecken, wo Unternehmen – nur um ein Beispiel zu nennen – zum Nahwärmeversorger ihrer Nachbarn werden können. Es wird immer mehr möglich und man wird kreativer und innovativer, weil klar ist, dass man umdenken muss. Da versuchen wir, zu vernetzen, bei Strategien zu unterstützen und an der Innovationsschraube zu drehen. Es fängt damit an, zu wissen, wie viel Energie wo verbraucht wird. Das ist der Ausgangspunkt für alles – für Optimierungen und Zertifizierungen. Unternehmer:innen bei der Hand zu nehmen und zu begleiten, ist dabei enorm wichtig und Ökoprofit ist dafür eine sehr nützliches Instrument.