Tiroler Bauinnung schlägt Alarm
Die Baukonjunktur bricht zunehmend ein. Die Folgen sind sowohl für die Bauwirtschaft als auch für Wohnungssuchende und Beschäftigte weitreichend. Patrick Weber, Innungsmeister Bau in der Wirtschaftskammer Tirol, fordert von der Politik rasches und entschlossenes Handeln.
Lesedauer: 3 Minuten
Die Tiroler Bauwirtschaft befindet sich in einer Krise. „Unsere Konjunkturumfrage zeigt Einbrüche sowohl bei der Auftragslage als auch bei den Auftragserwartungen. Wir haben die schlechtesten Umfragewerte seit 5 Jahren“, zeigt sich Patrick Weber, Landesinnungsmeister Bau Tirol, mehr als besorgt. Steigende Lohnkosten, hohe Zinsen und verschärfte Kreditbedingungen setzen die Branche und die Bauherren massiv unter Druck. Die Folgen sind gravierend: weniger Wohnraum, steigende Preise und eine zunehmende Existenzbedrohung für Bauunternehmen und Beschäftigte.
Wohnungsknappheit
Im 1. Quartal 2024 wurden so wenige Baugenehmigungen erteilt wie seit mindestens 14 Jahren nicht mehr. Wurden zwischen 2010 und 2021 noch rund 2.000 bis 2.400 Bauvorhaben pro Jahr genehmigt, waren es 2023 nur noch 1.200. Die ersten Quartalszahlen für 2024 zeigen einen weiteren Rückgang auf weniger als die Hälfte. „Die Auftragslage der Architekturund Planungsbüros ist teilweise besorgniserregend. Was heute nicht geplant wird, kann morgen nicht genehmigt und in der Folge nicht gebaut werden“, warnt Lukas Hundegger, Mitglied der Landesinnung Bau. Diese Entwicklung verschärft die Wohnungsknappheit und treibt die Preise in die Höhe, zudem wird es in Zukunft nicht genügend Fachkräfte geben, um den dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Schon jetzt haben österreichweit 10.000 Bauarbeiter ihren Job verloren.
Änderungen bei Wohnbauförderung
Die Tiroler Bauinnung fordert von der Politik rasches und entschlossenes Handeln. Die Schaffung oder der Erwerb von Eigentumswohnungen muss durch zinsgünstige Kredite erleichtert werden. „Wir fordern die Einführung einer Subjektförderung in der Wohnbauförderung nach Vorarlberger Vorbild oder einen Wohnbaukredit von 200.000 Euro zu 1,5 % Zinsen für alle Tirolerinnen und Tiroler, die Wohnraum schaffen oder kaufen wollen“, so Patrick Weber.
Investitionen in Infrastruktur vorziehen
Die Gemeinden und die öffentliche Hand müssen dringend geplante Investitionen vorziehen. Vor allem der Bau von Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Straßen und Infrastruktur muss so rasch wie möglich vorangetrieben werden. „Der Bund hat mit dem Zukunftsfonds und der Gemeindemilliarde 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt – jetzt muss Tirol handeln“, fordert Lukas Hundegger.
Warum sind die strengen Regeln bei Krediten problematisch?
Weil die Vorgaben der so genannten KIM-Verordnung von minimal 20 % Eigenkapital und maximal 40 % Rückzahlungsquote speziell bei Jüngeren dazu führen, dass sie sich kein Eigentum schaffen können. Gleichzeitig müssen sie aber immer höhere Beträge für Mieten ausgeben. Das ist zu kurz gedacht.
Sind mehr Förderungen für den Bau eine Lösung?
Wir brauchen nicht für alles eine Förderung, wir brauchen einen deutlichen Bürokratieabbau, mehr Freiraum für die Betriebe und eine Entlastung bei den Steuern. Der Staat könnte schnell und einfach einen großen Impuls zum leistbaren Wohnen setzen, indem er die Steuern und Abgaben auf die erste Immobilie deutlich senkt.
Gibt es Beispiele, von denen Tirol lernen kann?
Bei der Wohnbauförderung hat Vorarlberg ein innovatives und wirksames Modell. Bei den Fristen im Bauverfahren ist Südtirol vorbildlich. Bei der Digitalisierung ist Wien einen Schritt weiter. Wir können vieles übernehmen, was in unserer Nachbarschaft bereits erfolgreich erprobt wurde
5 Punkte für leistbares Wohnen
In den letzten Jahren ist aufgrund von Lieferengpässen, Preissteigerungen und höheren Zinsen Bauen um 25 bis 30 % teurer geworden. Das erschwert die Schaffung von erschwinglichem Wohnraum. Die Tiroler Bauinnung hat ein 5-Punkte-Programm für leistbares Wohnen erarbeitet. Dieses Paket zielt auf eine Senkung der Herstellungskosten ab. Dazu würde beispielsweise der Verzicht oder zumindest die Reduktion unterirdischer Bauteile beitragen, die bis zu 30 % der Baukosten ausmachen. Mit systematisiertem Bauen lassen sich ebenfalls Einsparungen erreichen. Dabei geht es um effiziente Grundrisse, schlanke statische Konstruktionen und standardisierte Details. Eine Erhöhung der Baudichte ist eine weitere Möglichkeit, Grund und Boden zu sparen und gleichzeitig Wohngebäude effizient umzusetzen.
Digitalisierung als Verfahrensturbo
Ein großer Hebel liegt in der durchgängigen Digitalisierung von Genehmigungsverfahren, verbunden mit klar definierten Maximalfristen. Die Vorlaufzeiten für Wohnbauten in Tirol betragen derzeit mehr als 3 Jahre. Diese Prozesse müssen deutlich beschleunigt werden, um der Wohnungsnot zu begegnen. In den Bauvorschriften selbst liegt ebenfalls einiges an V ebesserungspotenzial: Die Vorgaben für die Baubranche sind in den letzten Jahrzehnten immer umfangreicher und komplexer geworden. Hinter zahlreichen Gesetzen und Verordnungen liegen sinnvolle Ziele wie beispielsweise Energieeffizienz, Barrierefreiheit oder Brandschutz, jedoch wird oftmals über das Ziel geschossen. Ergänzend kann mit einer Mehrwertsteuerbefreiung und Zinsbeihilfe für Hauptwohnsitze ein Impuls gesetzt werden. „Die Tiroler Bauwirtschaft braucht dringend Unterstützung, um den drohenden Kollaps abzuwenden und gleichzeitig leistbares Wohnen zu sichern. Nur durch entschlossenes Handeln der Politik können wir diese Krise bewältigen und die Zukunft Tirols sichern“, unterstreicht Innungsmeister Patrick Weber abschließend.