Zwei Personen sitzen hinter einem Tisch. Vor ihnen ist ein aufgeklappter Laptop. Beide blicken darauf. Über dem Bild ist eine Grafik eines Kreises, in dem verschiedene Linien und Punkte sind, die ein Gehirn darstellen.
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So muss Verwaltung: schnell, einfach, transparent

Der „Tirol Konvent“ soll die Tiroler Verwaltung modernisieren und Verfahren vereinfachen. Die Wirtschaftskammer hat 12 Bereiche auf den Tisch gelegt, in denen das am dringendsten erforderlich ist.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 30.10.2024

Das Land Tirol hat den sogenannten „Tirol Konvent“ ausgerufen. Dabei stehen Themen wie die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen und die Vereinfachung von Genehmigungs- und Förderverfahren im Fokus. „Für die Tiroler Wirtschaft stellt der Konvent ein wichtiges Signal dar, um die ständig zunehmende bürokratische Belastung der Unternehmen zu reduzieren. Deswegen bringt sich die WK Tirol in diesen Prozess intensiv ein“, erklärt WK-Präsidentin Barbara Thaler und betont, dass der Wille des Landes zur Veränderung deutlich erkennbar ist. „Wir dürfen den Tirol Konvent aber nicht als kurzfristigen Impuls sehen, der in einer Reihe von Einzelmaßnahmen endet. Die Verwaltung muss
drastisch vereinfacht und beschleunigt werden. In den letzten Jahrzehnten haben sich so viele Vorschriften angesammelt, dass das nicht in einem Jahr erledigt ist, sondern auf einen Zeitraum von 10 Jahren angelegt und konsequent durchgezogen werden muss. Erstens ist zu durchforsten, was an Bürokratie wirklich notwendig ist. Zweitens muss das, was übrigbleibt, effizient und serviceorientiert abgewickelt werden“, fordert die Präsidentin.

Bürokratie als Wettbewerbsbremse

Im Rahmen des halbjährlichen Konjunkturbarometers ermittelt die Wirtschaftskammer Tirol die größten Problemfelder der Betriebe, welche die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Im Konjunkturbarometer geben 44 % der Betriebe den bürokratischen Aufwand als Grund für die Verschlechterung der Wettbewerbsposition an. Daher hat die Wirtschaftskammer ein umfangreiches Forderungspapier erarbeitet, an welchen Stellen die Verwaltung vordringlich verbessert werden soll. „Das Forderungspapier der Wirtschaftskammer Tirol spricht ein Dutzend Themenbereiche an, die für die Wirtschaft von großer Bedeutung sind“, unterstreicht der Spartenobmann der Industrie und IV-Präsident, Max Kloger, „gerade unsere Industriebetriebe stehen in harter
internationaler Konkurrenz – die heimische Bürokratie stellt einen limitierenden und kostenintensiven Faktor dar, bei dem tiefgreifende Veränderungen notwendig sind.“

Das Forderungspapier der Wirtschaftskammer Tirol spricht ein Dutzend Themenbereiche an, die für die Wirtschaft von großer Bedeutung sind.“


Basis- und Schwerpunktthemen

Die Forderungen der Wirtschaftskammer
Tirol im Rahmen des Tirol Konvents lassen sich in zwei Hauptbereiche unterteilen: Basis- und Schwerpunktthemen. Die Basisthemen betreffen die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Verwaltungsreform. Im Mittelpunkt steht die Verbesserung der Qualität der Dienstleistung und der Prozesse in der gesamten Landesverwaltung. Das umfasst unter anderem eine stärkere Kundenorientierung, die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems zur Sicherstellung klarer und schlanker Abläufe sowie die konsequente Digitalisierung und Synchronisierung von Verwaltungsverfahren. „Ziel ist es, eine effizientere Verwaltung zu schaffen, wodurch der Aufwand für die Betriebe sinkt“, fasst Max Kloger die Intention zusammen. Die Schwerpunktthemen betreffen spezifische Bereiche, in denen dringende Optimierungen notwendig sind, um mit vergleichsweise geringem Aufwand große Effekte zu erzielen. Zu diesen Themen gehören unter anderem eine faire und regionale Vergabepraxis, die Einführung einer digitalen Baueinreichung mit verpflichtenden Fristen sowie eine Beschleunigung der Verfahren im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren.

Unternehmensbefragung zeigt 3 zentrale Problemfelder

Um diese Forderungen zu untermauern, führte die Wirtschaftskammer Tirol und die Industriellenvereinigung Tirol eine Unternehmensbefragung durch, an der sich 346 Unternehmen aus allen Sparten beteiligten. Die Ergebnisse dieser Befragung unterstreichen die Dringlichkeit der vorgeschlagenen Reformen und spiegeln die Bedürfnisse der Tiroler Wirtschaft wider. Die Befragung hat drei zentrale Problemfelder identifiziert, in denen dringender Reformbedarf besteht:

1.    Dauer der Genehmigungsverfahren
Abhängig von der Art des Verfahrens zeigen sich deutliche Unterschiede in der Bearbeitungszeit. So dauerte etwa ein Viertel der baurechtlichen Genehmigungsverfahren länger als 12 Monate. Auch bei Betriebsanlagenverfahren und naturschutzrechtlichen Bewilligen sind die Betriebe mit langen Verfahrensdauern konfrontiert. Das erschwert die Planbarkeit und verursacht zusätzliche Kosten.

2.    Hoher bürokratischer Aufwand
83 % der befragten Unternehmen empfinden die mit den Verfahren verbundene Bürokratie als übertrieben, nur 17 % halten diese für angemessen. Diese überbordende Bürokratie verzögert notwendige Investitionen und Projekte.

3.    Mangelnde Transparenz in den Genehmigungsverfahren
Die Nachvollziehbarkeit der behördlichen Schritte wird von vielen Unternehmen kritisch gesehen. Lediglich etwas mehr als 6 % der Befragten gaben an, mit der Transparenz der Verfahren zufrieden zu sein, während mehr als 54 % unzufrieden oder nur bedingt zufrieden sind.

Für die Wirtschaftskammer-Präsidentin ist der Handlungsbedarf offensichtlich: Lange und komplexe Genehmigungsverfahren sind nicht nur ein Schönheitsfehler, sondern haben weitreichende wirtschaftspolitische Folgen. „Je
länger die Verfahren dauern, desto später können große Investitionen beginnen, sich zu rentieren“, ergänzt Max Kloger. Während sich Investitionen im deutschsprachigen Raum nach 5 bis 6 Jahren rechnen, geschieht dies in den USA bereits nach 2 bis 3 Jahren. „Diese Diskrepanz gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit Tiroler und österreichischer Unternehmen. Und deswegen muss Tirol in diesem Bereich besser werden“, fordern
Barbara Thaler und Max Kloger.

„Effiziente Verfahren wirken wie ein Konjunkturprogramm“


Der Vizepräsident der Wirtschaftskammer Tirol, Martin Wetscher, und der stellvertretende Vorsitzende der Industriellenvereinigung Tirol, Simon
Meinschad, zeigen im TW-Kurzinterview auf, wieso es speziell im Zusammenhang mit Verfahren großen Handlungsbedarf gibt.


Gibt es Probleme mit langen Verfahren gefühlt nicht schon „ewig“?
Wetscher:
Ja, wir weisen schon lange darauf hin. Die Rückmeldungen unserer Betriebe ergeben allerdings, dass es in den letzten drei Jahren nochmals einen deutlichen Schub gegeben hat. Nun ist der Punkt erreicht, wo der Handlungsbedarf unumgänglich ist.

Eine zentrale Forderung sind digitale Bauverfahren. Ist das inzwischen nicht bereits möglich?
Meinschad:
Die Einreichung von manchen Unterlagen ist nun auch per Mail möglich. Das ist ein Fortschritt. Der wesentlich größere Fortschritt wäre es aber, wenn das gesamte Verfahren digitalisiert wird und vor allem auch digitale Modelle wie BIM im Rahmen der Einreichungen angewandt werden können. Dafür müssen auch die Mitarbeiter:innen der Gemeinden geschult und mit entsprechendem Equipment ausgestattet werden.

Inwieweit tragen einfache und schnelle Verfahren dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Unternehmen zu stärken?   
Wetscher:
Lange Verfahren beeinträchtigen Investitionsentscheidungen und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit. Ein einfaches bürokratisches Umfeld hat eine Wirkung wie ein Konjunkturprogramm. Eine stärkere Wirtschaft ist nicht nur das Anliegen der Betriebe, sondern es geht auch um sichere und attraktive Arbeitsplätze. Ein wettbewerbsfähiger Standort ist kein Luxus, er ist die Voraussetzung dafür, dass unsere Betriebe mit ihren Mitarbeite:innen am Markt bestehen können.

Wie stellen Sie sicher, dass die vorgeschlagenen Änderungen auch von den Behörden umgesetzt werden und welche Kontrollmechanismen sind geplant?   
Meinschad:
Wir fordern ein Qualitätsmanagementsystem und synchronisierte Verfahren zwischen den Bezirksverwaltungsbehörden. Das trägt dazu bei, Prozesse zu vereinheitlichen und kontinuierlich zu verbessern. Diese Standards sind in Industriebetrieben längst üblich und würden auch die öffentliche Verwaltung dabei unterstützen, strategische Transformationsprozesse umzusetzen.

Wie würde aus Ihrer Sicht ein optimales Ergebnis des Tirol Konvents aussehen?
Wetscher:
Wenn es einerseits gelingt, dass die Flut an Gesetzen, Auflagen und Verordnungen weniger wird. Nicht nur Bürger:innen und Unternehmer:innen, auch die Beamt:innen leiden am Paragrafendschungel. Andererseits braucht es eine serviceorientierte Haltung in der Verwaltung. Wenn ein Unternehmer ein Projekt vorlegt, braucht er vom Beamten einen realistischen Zeitplan und eine klare Vorgabe, welche Unterlagen nötig sind. Für einen Projektwerber muss die Haltung spürbar sein, dass die Verwaltung ihn unterstützen und nicht einbremsen will. Schließlich geht es darum, dass Wertschöpfung und Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist im Sinne aller.
 
Wie lässt sich die angesprochene Gesetzesflut eindämmen?
Wetscher:
Der Gesetzgeber muss von Anfang an darauf achten, am Weg zu einem bestimmten Ziel so wenig Bürokratie wie möglich zu produzieren. Es ist wichtig, dass Unternehmer:innen in den Gemeinderäten, Landtagen, im Parlament und in Brüssel vertreten sind, da sie die Probleme aus der Praxis kennen und wissen, wie mühsam bürokratische Ehrenrunden sind.  

Meinschad: Ergänzend dazu gibt es erfolgreiche Beispiele, etwa aus der Schweiz, dass sich mit „Sunset Legislation“ die Gesetzesflut eindämmen lässt. Hier bekommen Regularien ein Ablaufdatum, zu dem sie bestätigt werden müssen oder eben auslaufen. Das ist verhältnismäßig einfach in der Handhabung, aber wirksam.