Ohne die richtige Ausrüstung geht nix
Die rund 700 Tiroler Sportfachgeschäfte bilden ein starkes Glied in der touristischen Wertschöpfungskette. Katrin Brugger, Branchensprecherin des Sportartikelhandels, setzt sich für eine enge Zusammenarbeit aller Stakeholder ein und sagt: „Miteinander zu denken ist ein Erfolgsrezept von Destinationen.“
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Es war großartig und bitterkalt. Das Schneegeschenk in den ersten Dezembertagen 2023 weckte aufgrund der zu dieser Zeit selten gewordenen weißen Üppigkeit mehr als herrliche Glücks-Juchezer und nostalgische Gefühle. Die Eiseskälte machte nicht wenige Tiroler:innen und Tirol-Gäste darauf aufmerksam, dass da Entscheidendes fehlt in den Koffern, Kleiderschränken und Schubladen. Um die Schneepracht bei teils zweistelligen Minusgraden genießen zu können, ist Wärmendes nötig – für Füße, Hände, Ohren – ja, den ganzen Körper.
Der Dezember 2022 war so mild wie trocken gewesen, Schnee war selten und beim wärmsten Silvestertag der Messgeschichte war der Ruf nach Superwolle, Funktionskleidung oder festem Schuhwerk selbst in späten Abend- oder frühen Morgenstunden nicht allzu laut gewesen. „Im letzten Jahr war mit dem Element Schnee nicht allzu viel los“, erinnert sich Katrin Brugger, Obfrau des Tiroler Sportartikelhandels in der WK Tirol, gut an diesen echt eigenartigen Winter, in dem das Herbstgewand ausreichte, um sich draußen wohl zu fühlen. Anfang Dezember 2023 reichte das nicht mehr. Neues Warmes musste her – und Brugger sagt: „Wenn ich nicht ausgerüstet bin, muss ich mir etwas besorgen, damit ich dem Tag fein begegnen kann. Ob unsere Umsätze im Winter gut sind oder schlecht, hängt von der Schneelage ab. Das ist eben so. Schnee ist es, was der Sportartikelhandel im Winter braucht.“
Schnee ist und bleibt ein Erlebnisgut der Sonderklasse, weil er – etwa auf den Pisten entsprechend modelliert – möglich macht, dass 3-Jährige und 99-Jährige gemeinsam auf ihm fahren können. Dass im Alpenraum mit den rund 160 Millionen Skierdays 45 Prozent des Weltanteils erzeugt werden, macht Schnee zudem zu einem Wirtschaftsfaktor der Sonderklasse. Auch in Tirol. Ja, vor allem in Tirol.
30 Prozent des Österreich-Umsatzes
Der glitzernde Zusammenhang vereint die Sportartikelhändler:innen mit allen Tiroler Branchen, die im Winter ihre Kräfte zeigen und ihr Können ausspielen, welches das Land in Summe federführend macht – weltweit. „Ja, wenn ich da an die Seilbahnbranche denke, den Handel, die Hotellerie, die Gastro und alle Dienstleister:innen – jede Branche setzt da wirklich außergewöhnliche Benchmarks und beschäftigt sich selbstverständlich mit der Zukunft. Wenn neue Trends aufpoppen, sind wir gut beraten, uns branchenübergreifend darüber zu unterhalten“, weiß Brugger, die im Zusammenhang mit diesem Miteinander starke Zeichen setzt und ihre Branche dabei sicht- und hörbar macht. Eben weil sie ein entscheidendes Bindeglied zwischen den Wintersportbegeisterten und den Pisten, Loipen, Rodelbahnen, Winterwanderwegen, Schneehängen, Eisflächen, Gipfeln ist – und allem, was dazu gehört.
Der Sportartikelhandel in Tirol umfasst rund 700 Sportfachgeschäfte, erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 840 Millionen Euro und beschäftigt in Spitzenzeiten bis zu 4.000 Mitarbeiter:innen. Die herausragende Position des Tiroler Sportfachhandels im Vergleich zu „Restösterreich“ kann mit eindrücklichen Zahlen beschrieben werden, die untrennbar mit jenen des Tourismus zusammenhängen.
Auf Basis der Zahlen des Jahres 2021 hat das Landesgremium des Handels mit Mode und Freizeitartikeln den Stellenwert des Sportfachhandels auf den Punkt gebracht und dabei festgestellt: Während der Tourismus in Österreich für sieben Prozent der Bruttowertschöpfung verantwortlich ist, macht er in Tirol 17,5 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung aus. Damit ist er auch ein wichtiger Motor für den Tiroler Sportartikelhandel: Sowohl im Tourismus, als auch im Sportartikelhandel ist Tirol für 30 Prozent des Gesamtumsatzes in Österreich verantwortlich. Beeindruckend ist auch die Shop-Dichte im Land. Pro Einwohner gibt es in Tirol über vier Mal so viele Sportartikelhändler wie in Österreich. Pro 100 Einwohnern entspricht dies einer Shopfläche von 15 Quadratmetern.
Schonungslos und chancenreich
Aus diesen Zahlen lässt sich fast federleicht jener Leuchtturm bauen, der seine sportliche Strahlkraft im März 2019 erstmals so richtig zeigte. Zusammen mit ihrem WK-Team hatte Katrin Brugger zu einer spritzigen Netzwerk Berg-Veranstaltung in die Festräume der Wirtschaftskammer geladen. Am Ende des Vortragsreigens, der den Sportartikelhandel als jene Säule zeigte, die er ist, hatte Bernhard Riml, führender Sportartikelhändler in der diesbezüglich sehr dichten Gemeinde Sölden und damals noch Obmann des Ötztal Tourismus, die Initiative hochgelobt und festgestellt: „Wenn ein Gast mit dem Skiverleih in Sölden unzufrieden war, dem Hotel oder der Bergbahn sagt er nach dem Urlaub nicht, dass der Skiverleih nix war, das Hotel oder die Bergbahn. Nein, er sagt, Sölden war nix.“
Damit hatte Riml die Customer Journey beschrieben, in der jeder Kontaktpunkt eines Gastes mit den Vertretern der unterschiedlichen Branchen entscheidend ist für die Bewertung des Gesamt-Urlaubes. „Da gehören wir alle dazu“, weiß Katrin Brugger. Stimmt. Die Wahrnehmung eines Gastes passiert in gewisser Weise ganzheitlich und mit dem Prinzip des pars pro toto – ein Teil steht für das Ganze – drängt sich die Sinnhaftigkeit einer Zusammenarbeit aller Beteiligten regelrecht auf. So schonungslos wie chancenreich. Schonungslos, weil die Dynamik des sich ständig verändernden Marktes in den kommenden Jahren noch viel stärker mit gemeinsamen Strategien beantwortet werden sollte. Chancenreich, weil alle in Tourismus und Freizeitwirtschaft involvierten Stakeholder – vom Gastronomiebetrieb über die Seilbahnen, vom Wanderführer über die Bergretter bis hin zum Sportartikelhandel, gefordert sind, Urlaub und Freizeit für Gäste und Einheimische zum Highlight zu machen. Gemeinsam.
Diese Erkenntnis ist es, die Katrin Brugger weiter antreibt. „Netzwerk Berg hat eine Vorreiterrolle dafür gespielt, verschiedene Bereiche zusammen zu bringen“, sagt die Branchensprecherin, die an genau dieser Philosophie festhält, weiter an der Vernetzung arbeitet und den roten Faden wie folgt beschreibt: „Wir haben alle die gleiche DNA – die Tourismus-DNA.“
Miteinander denken
Dieses verbindende Ur-Element hatte in der Corona-Zeit unheimlich scharfe Zähne gezeigt. Brugger: „Ich möchte diese Zeit nicht mehr strapazieren, doch hat sie uns gezeigt, wie wir als Branche vom Wintertourismus abhängig sind. In den Destinationen haben wir natürlich gesehen, dass der Skiverleih zu 100 Prozent und der Handel zu 90 Prozent an den Tourismus gekoppelt war.“
Die Zeit brachte viel Negatives mit sich, aber auch Positives, entdeckten doch zahlreiche Tiroler:innen die heilsame Kraft der Natur. Der Outdoor-Bereich boomte enorm und die Sportartikel-Händler:innen mussten sich nach der Decke strecken, um den Equipment-Hunger etwa der Skitouren-Begeisterten zu stillen. „Ja, man hatte den Eindruck, dass jede Tirolerin und jeder Tiroler raus will, in den Wald und auf den Berg“, muss Brugger im Rückblick schmunzeln.
Neben den Skitouren-Ausrüstungen waren auch Rodeln und Schneeschuhe gefragt. Bei all diesen wunderbaren Pisten- oder Loipen-Alternativen sind die Wetterbedingungen, Schneelagen und regionalen Möglichkeiten entscheidend. „Wirtschaftlich stehen diese Ausrüstungen aber in keinem Verhältnis zum Ski- oder Langlauf-Equipment“, weiß Brugger, die vor allem im letzten Jahr Spannendes beobachten konnte: „Da kamen im Skitourensegment zwei Sachen zusammen. Erstens eine Marktsättigung und zweitens das Fehlen des Elementes Schnee. Die Branche hat aber auch erlebt, dass das klassische Segment des alpinen Skifahrens – mit Lift – im Equipment-Bereich wieder mehr gefragt war.“
Diese Dynamiken sind es, die den Sportfachhandel auf Trab halten und sein planerisches Geschick genauso fordern, wie sein Ohr am Puls der Zeit – und der Zukunft der großen Wintersport-Familie. „Wir sollten uns in dem Selbstverständnis üben, dass ein guter Erfolg im Tourismus uns allen gleich geschuldet ist“, sagt Katrin Brugger – und sie hält motivierend fest: „Jeder von uns hat diese Kernkompetenz im Tourismus, einige Schnittstellen könnten aber noch geschmeidiger funktionieren. Miteinander zu denken ist ein Erfolgsrezept von Destinationen.“