Kürzere Arbeitszeiten, weniger Wohlstand
Lässt sich mit weniger Arbeiten unser Wohlstandsniveau halten? Wie die Tirolerinnen und Tiroler zu dieser Frage stehen, beantwortet die aktuelle Konsumentenbefragung: Drei Viertel sind für längere bzw. gleichbleibende Arbeitszeiten.
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Das Thema Arbeitszeit wird derzeit öffentlich intensiv diskutiert. Die Meinungen könnten nicht weiter auseinander gehen. Auf der einen Seite steht die Forderung der Industrie, die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden zu erhöhen und dadurch unseren international unter starkem Druck stehenden Standort zu sichern. Auf der anderen Seite finden sich Forderungen, die Arbeitszeit, vorzugsweise bei vollem Lohnausgleich, zu reduzieren. Doch wie stehen die Tirolerinnen und Tiroler zu dieser kontroversen Frage?
Die Antwort gibt die aktuelle Konsumentenbefragung, die von der Wirtschaftskammer, der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) sowie der Tiroler Tageszeitung regelmäßig durchgeführt wird. „Das Ergebnis fällt eindeutig aus: Knapp drei Viertel der Befragten geben an, dass sich unser Wohlstand nur dann erhalten lässt, wenn mehr oder zumindest gleich viel gearbeitet wird“, erklärt WK-Präsidentin Barbara Thaler. Nur 23 % der Tirolerinnen und Tiroler denken, dass sich unser derzeitiges Niveau auch mit weniger Arbeit sichern lässt.
Bonus für Vollzeit gefordert
Diese Bewertung stützt die Haltung der Wirtschaftskammer, die einer Verkürzung der Arbeitszeit kritisch gegenübersteht. Aus guten Gründen. Erstens geht die demographische Entwicklung in eine eindeutige Richtung. Die Babyboomer gehen in Pension, in den kommenden Jahren fehlen daher Tausende Personen am Tiroler Arbeitsmarkt.
Zweitens spielt der Teilzeit-Effekt eine wesentliche Rolle. Die Erwerbsquote hat zwar aktuell einen Höchststand erreicht. Aber es geht nicht nur um die Zahl der Beschäftigten, sondern auch um das geleistete Arbeitsausmaß. Die Österreicher:innen arbeiten um 5 Stunden weniger als vor 20 Jahren und immerhin um 1,4 Stunden weniger als vor der Pandemie. Damit hat Österreich nach den Niederlanden die zweithöchste Teilzeitquote in der EU. Das hat vor allem steuerliche Gründe: Bei Teilzeiteinkommen ist die Besteuerung die drittniedrigste in ganz Europa. Im Gegensatz dazu ist die Besteuerung von Vollzeit die dritthöchste. „Das ist nicht nur leistungsdämpfend, das ist leistungsfeindlich. Das führt dazu, dass sich eine Aufstockung der Arbeitszeit in vielen Fällen zu wenig lohnt. Es braucht daher einen Bonus für Vollzeitbeschäftigte“, fordert die WK-Präsidentin. Neben der Demografie und der Teilzeitquote spricht ein dritter Faktor gegen eine Verkürzung der Arbeitszeit: Die Produktivität ist in den letzten 10 Jahren nicht gestiegen.
Arbeitskräftemangel deutlich spürbar
Die Folge der genannten Gründe ist in Form des akuten Arbeitskräftemangels deutlich spürbar. Weniger Kinder, weniger Arbeitskräfte, weniger Arbeitszeit und stagnierende Produktivität bedeuten, dass das Fundament für Wohlstand und Sozialstaat bröckelt.
„Unsere Bedürfnisse lassen sich mit weniger Arbeitszeit einfach nicht mehr decken, schon gar nicht bei vollem Lohnausgleich – schließlich müssen die Betriebe die Löhne erwirtschaften. Der Slogan ‚weniger ist mehr‘ mag in vielen Fällen stimmen – im Falle der Arbeitszeit aber definitiv nicht“, betont WK-Präsidentin Barbara Thaler.