New Work
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Herausforderung New Work: Große Fragen, große Chancen

Arbeitswelten. Mit ihrem Buch „Arbeiten auf Augenhöhe“ beantwortet Lena Marie Glaser die brennenden Fragen einer brenzligen Zeit. Empathie, Vertrauen und Offenheit sind die Schlüssel, um die Türen in die neue Arbeitswelt zu öffnen. „Die eigenen Leute zu fragen, was besser gemacht werden könnte, ist da schon ein positiver erster Impuls“, schlägt die Autorin im Interview mit der Tiroler Wirtschaft vor – und sie stellt klar: „Es gibt keine Standard-Lösung für alle. Das Wichtigste ist, anzufangen."

Lesedauer: 7 Minuten

Aktualisiert am 23.02.2024

Angesichts all der Veränderungen in der Arbeitswelt und vor allem bei den Bedürfnissen der Arbeitenden beziehungsweise Mitarbeiter:innen fragen sich nicht wenige Unternehmen: Ja, was ist denn da passiert – und wann? Ja, was ist denn da passiert – und wann?

Lena Marie Glaser: Die Veränderung der Arbeitswelt ist sehr vielschichtig und komplex, aber lässt sich u.a. an folgenden Punkten festmachen: die Digitalisierung, die Covid-Pandemie, der Wertewandel und die demografische Entwicklung. Die Digitalisierung ist schleichend passiert und hat unser Leben und unsere Arbeit massiv verändert. Aber auch das Arbeitsumfeld hat sich verändert. Die Anforderungen an die Unternehmen sind genauso gestiegen wie jene an die Mitarbeiter:innen. Es muss alles schneller gehen, man ist ständig erreichbar, es ist notwendig, flexibel zu sein. Die Kooperation wird in krisenhaften und unsicheren Zeiten ebenfalls immer wichtiger. Auch das ist nicht plötzlich passiert, doch hier war die Pandemie ein extremer Katalysator. In dieser Zeit hatten viele Menschen auch die Gelegenheit, über ihre Arbeitssituation nachzudenken und es wurden in Unternehmen Probleme und Herausforderungen offensichtlich, die vorher schon da waren. Auch der Fachkräftemangel, der Wertewandel und der demografische Wandel sind nichts Neues, doch wurden sie im Zuge der Pandemie zu brennenden Themen. Die jüngere Generation spielt hier natürlich auch eine wichtige Rolle: Sie tritt bewusster und selbstbewusster auf, will anders arbeiten, mit Sinn und Mitgestaltung und das fordert sie bei Arbeitgebern ein, die wiederum ganz dringend Arbeitskräfte brauchen und reagieren müssen.

Erschöpfung und eine gewisse Lustlosigkeit ziehen sich wie ein grauer Nebel durch die Arbeitswelt. Worauf ist das zurück zu führen?

Man kann ganz grundlegend beobachten, dass der Druck, die Beschleunigung und der Stress für die Beschäftigten gestiegen ist. Stark wirkt auch das Gefühl, ständig Krisen und Unsicherheit ausgesetzt zu sein. Nicht nur Erschöpfung und Lustlosigkeit können da beobachtet werden, sondern auch der innere Rückzug – das so genannte quiet quitting – also die innere Kündigung. Das ist eine große Gefahr für die Arbeitgeber:innen, aber auch für die Beschäftigten selbst. Hier findet ein Paradigmenwechsel statt: Man will sich nicht mehr für die Arbeit krank schuften. Da sind die Unternehmen gefragt, genau hinzuschauen, dass es den Mitarbeitenden gut geht, und sie rechtzeitig Maßnahmen setzen, um die Gesundheit und die Zufriedenheit zu fördern.

Sie selbst beschreiben einen ähnlichen Zustand, bevor Sie Ihrem Arbeits-Leben 2017 neue Vorzeichen gegeben haben, indem Sie Ihren Job kündigten und sich selbstständig machten. Was hat Sie auf dem Weg, den Sie seither eingeschlagen haben, am meisten überrascht, was am meisten gereizt?

Ich hatte als Juristin einen sicheren Job in einem Arbeitsumfeld, das mir viele Möglichkeiten geboten hat, aber auch sehr starr war. Die Aufgaben haben nicht zu meinen Interessen gepasst und die Arbeit hat mich nach einigen Jahren auch nicht mehr motiviert. Das war es, was mich an der Selbstständigkeit gereizt hat, dass man den eigenen Interessen, der Neugierde und Begeisterung folgen kann. So macht mir die Arbeit Freude. Ich musste allerdings – und das hat mich überrascht – lernen, wie wichtig es ist, den eignen Arbeitsalltag zu strukturieren, Grenzen zu setzen und zu reflektieren: Was brauche ich, um gut arbeiten zu können? Mein Arbeitsleben selbst gestalten zu können, nach meinen Bedürfnissen ist ein wichtiger Punkt. Es gibt Unternehmen, die ihren Mitarbeiter:innen diese Freiräume und Potentialentwicklung ermöglichen und die haben ganz klar einen Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt bei der Mitarbeitergewinnung.

So gut wie jede und jeder, ob in den Führungsebenen oder in den Teams spürt, dass wir uns in einem tiefgreifenden Wandel befinden und nicht wenigen fehlt ein Plan nach dem sie sich richten und ausrichten können. Gibt es bei den Unternehmen, denen Sie beratend zur Seite gestanden haben, einen roten Faden bezüglich der Fragen, die sie sich beziehungsweise Ihnen stellen?

Große Fragezeichen bestehen im Hinblick auf die nachkommenden Generationen, wie diese arbeiten und wie man diese führen soll. Denn die Jungen fordern sehr selbstbewusst schon im Bewerbungsgespräch Work-Life-Balance, Wertschätzung, Weiterbildungsmöglichkeiten und Sinn im Job ein. Da gibt es viele Vorurteile den jungen Kolleg:innen gegenüber: Die wollen ja nicht mehr leisten. Viele erfahrene Führungskräfte und Geschäftsinhaber:innen tun sich schwer damit, denn sie sind anders sozialisiert: Viele Überstunden, hartes Arbeiten und TopDown mit Kontrolle führen. Doch die neuen Zeiten erfordern neue Lösungen. Es gibt aber immer mehr Unternehmer:innen und Führungskräfte, die darauf reagieren und die Probleme auf Augenhöhe angehen.

Die Anforderungen an die Unternehmen sind genauso gestiegen, wiejene an die Mitarbeiter:innen.


Tirol hat einige große Leuchttürme, ist aber vielmehr geprägt von sehr dynamischen Klein- und Mittelbetrieben. Sind derart kleine Strukturen eine gute oder vielleicht sogar feinere Voraussetzung, um neue Wege zu finden beziehungsweise zu gehen?

Was ich in den Betrieben beobachte, ist, dass kleinere innovative Unternehmen, sich leichter tun, schneller Veränderungen umzusetzen. Die größeren Unternehmen hingegen haben den Vorteil, dass sie mit großen Budgets für Organisationsentwicklung, Führungskräfte-Weiterbildung und Employer Branding, also Marketing-Maßnahmen, ausgestattet sind und hier mehr Möglichkeiten haben. Klar ist aber, in jedem Betrieb – egal ob groß, mittel oder klein gibt es Potential zur Verbesserung. Dafür ist es wichtig, die eigenen Beschäftigten einzubinden, sie zu fragen, was besser gemacht werden könnte. Es gibt keine Standard-Lösung für alle. Das Wichtigste ist, anzufangen.

Wie ist Ihre Vorgangsweise, wenn Sie in ein Unternehmen kommen, um bei der Gestaltung der Zukunft zu helfen? Wo schauen Sie als erstes hin?

Zunächst beobachte ich, wie gehen die Menschen miteinander um, wie sprechen sie mit- und übereinander. Hier lässt sich bereits gut erkennen, wie gut die Kommunikation und das Arbeitsklima im Unternehmen sind. Ich stelle außerdem viele Fragen, denn für mich ist wichtig, ein Gefühl zu bekommen, wie die Organisation funktioniert, welche Probleme da sind und wer die wichtigen Träger:innen der Transformation sind. Mit meiner Expertise kann ich wichtige Impulse setzen und diese Akteur:innen der Transformation unterstützen. Klar ist auch, dass es nicht zielführend ist, von außen zu diktieren, wie sie es machen sollen. Diese Expertise ist in den Unternehmen selbst vorhanden, ich helfe hier das Potential zu erkennen, das Wissen und die Erfahrungen herauszuarbeiten: mit meinen Analysen, Workshops, im Talente-Management und den Führungskräfte-Trainings.

Mit dem Buchtitel „Arbeit auf Augenhöhe“ stellen Sie schon klar, dass flache Hierarchien die Basis der neuen Arbeitswelten sind, die mit Empathie, Vertrauen und Offenheit erobert werden können. Allein vor diesem Hintergrund zerbröckeln ein paar gewohnte und gelernte Strukturen. Werden die neuen Strukturen ähnlich übertragbar sein, wie die „alten“?

Ich finde es wichtig bei flachen Hierarchien, nicht an das Organigramm, sondern mehr an das Miteinander, die Zusammenarbeit, die Führung auf Augenhöhe, also die Unternehmenskultur zu denken. Wie können wir flachere Hierarchien z.B. in der Kommunikation und bei der Entscheidungsfindung fördern? Dabei sind Empathie, Vertrauen und Offenheit entscheidend. In Dänemark, wo ich 2020 ein Forschungsprojekt gemacht habe, wird Führung so verstanden, dass sie den Rahmen schafft, damit die Menschen gut arbeiten können. Führungskräfte sind dort nicht die, die alles wissen und kontrollieren, sondern sie sind dafür zuständig, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Da werden die flachen Hierarchien und diese Augenhöhe viel mehr gelebt. Das wird auch zunehmend in österreichischen Vorreiter-Betrieben gelebt und das stimmt mich optimistisch.

Große Aufmerksamkeit widmen Sie der Rolle junger Frauen. Warum? 

In meinen Zukunftslabor-Projekten mit jungen Menschen – mit Schüler:innen, Lehrlingen oder Studierenden – ist mir aufgefallen, dass junge Frauen und Mädchen oft sehr klar und bewusst formulieren können, wie sie gerne arbeiten möchten, welche Probleme sie in der heutigen Arbeitswelt sehen und welche Lösungsideen sie haben, um Arbeit sinnvoller und nachhaltiger zu gestalten. Das hängt natürlich damit zusammen, dass bereits viele junge Frauen und Mädchen erkennen, dass sie am Arbeitsplatz benachteiligt sind. Meine Hauptmotivation ist, dass diese Stimmen selten gehört werden. Doch Betriebe profitieren unglaublich, wenn sie ihren Stimmen zuhören und sich so neue Impulse und einen frischen Blick auf die notwendigen Verbesserungspotentiale holen.

Ist der Blick darauf, wie mit Frauen „umgegangen“ wird, ganz allgemein ein guter Schlüssel, um den Zustand eines Systems, einer Organisation, eines Unternehmens oder Staates einordnen zu können?

Ich finde schon. Außerdem führt mehr Diversität zu besseren Ergebnissen, und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es unausweichlich für Unternehmen, Frauen bessere, faire Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten zu bieten, um sie an das Unternehmen zu binden. Unternehmen, die darauf achten, haben außerdem einen großen Wettbewerbsvorteil bei jüngeren Arbeitskräften, denn sie suchen sich ihre Arbeitgeber:innen genau danach aus, wo Gerechtigkeit und Fairness gelebt wird. Ich stelle fest, dass in immer mehr Unternehmen das Thema wichtig wird und das macht mich optimistisch. 

Zur Person

Lena Marie Glaser ist Beraterin für die neue Arbeitswelt, bekannt aus TV, Print und Hörfunk. Die studierte Juristin arbeitete früher im Finanzministerium und leitet heute das Zukunftslabor der Arbeit in Wien. Sie erforscht die Zukunft der Arbeit und ist als Vortragende und Buchautorin („Arbeit auf Augenhöhe“, „Künstliche Konkurrenz“) im deutschsprachigen Raum viel gefragt. Mit ihrer Expertise unterstützt sie Unternehmen mit Workshops, Trainings und Beratung bei der Transformation.


Mehr Infos unter www.lenamarieglaser.com