Der Brexit bringt deutliche Erschwernisse
Die heimischen Unternehmen haben sich am UK-Markt erstaunlich gut geschlagen, aber die Bürokratie hat sich massiv erhöht.
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Österreichs Warenexporte brachen im Brexit-Jahr 2020 tatsächlich um 9,7 % ein. Dies war aber vor allem dem corona-bedingten Konjunktureinbruch geschuldet. Inzwischen hat sich der Außenhandel Österreichs mit Großbritannien stabilisiert: 2022 war ein starkes Jahr für Österreichs Exporte in das Vereinigte Königreich, Europas zweitgrößten Markt: Sowohl die Warenexporte in Höhe von 5,1 Mrd. Euro (+15 %) als auch die Dienstleistungsexporte in Höhe von 2,9 Mrd. Euro (+27 %) lagen über dem Niveau vor dem Brexit und vor der Corona Pandemie. „Für 2023 rechnen wir mit einem etwa gleichbleibenden Exportvolumen“, sagt Michael Müller, österreichischer Wirtschaftsdelegierter im AußenwirtschaftsCenter London.
Warenexport
Tirols Anteil am österreichischen Warenexport lag 2022 bei 6,4 % und zeigte mit 326 Mio. Euro ein beachtliches Plus von 17,3 %. Nicht nur für Warentransporteur:innen gibt es Anlass zur Hoffnung, auch für Tiroler Dienstleister:innen und Touristiker:innen: „Britische Skitourist:innen lieben die Tiroler Berge und die tolle Infrastruktur vor Ort und es gibt berechtigte Hoffnung, dass die kommende Wintersaison neben guter Stimmung auch gute Zahlen liefern wird“, meint Müller.
Das Vereinigte Königreich ist Österreichs zehntwichtigster Exportmarkt für Waren mit hohem Handelsbilanzüberschuss und dank vieler britischer Gäste auf Rang fünf für Österreichs Dienstleistungsexporte: „300 österreichische Niederlassungen mit etwa 10.000 Beschäftigten und einige spannende Investitionsprojekte nach dem Brexit sind Beweis dafür, dass unsere Unternehmen auch in Zukunft hier punkten werden“, sagt Müller: „Vergessen wir nicht, dass London ein weltweit führender Finanz-, Innovations- und Wissensknoten bleibt und Großbritannien über eine Reihe von Weltkonzernen verfügt, erst jüngst demonstriert durch den erfolgreichen Börsengang des Chipdesigners ARM.“
Bürokratieprobleme
Die Zeit unmittelbar nach dem Brexit war freilich herausfordernd. Inzwischen haben sich die Dinge eingespielt, aber die schiere Menge an Zusatzadministration fordert die britischen Behörden und führt nach wie vor zu teils langen Bearbeitungszeiten.
Was früher als innergemeinschaftliche Lieferung zwischen einem EU-Land und dem Vereinigten Königreich abgewickelt wurde, wurde durch den Brexit zu einer Ausfuhr in ein Drittland. Der damit entstandene Mehraufwand durch bürokratische Hürden, wie Zollanmeldung, Nennung eines „Importer of Record“ und Abführung einer Einfuhrumsatzsteuer, haben die Lieferungen nicht nur teurer, sondern auch zeitaufwändiger gemacht, berichtet Müller.
KMU, die nur geringe Mengen an britische Unternehmen oder Privatkunden geliefert haben, sind besonders betroffen. Z.B. ist schon bei geringem Warenwert beim Webshop Verkauf an britische Privatkund:innenen britische Umsatzsteuer zu verrechnen, was wiederum eine Steuerregistrierung und Steueranmeldungen nach sich zieht.
Generell fällt im Vergleich zu Lieferungen in EU-Mitgliedsländer mehr administrativer Aufwand bei Lieferungen in den Drittmarkt Großbritannien an, den die Transporteur:innen natürlich abgegolten haben möchten. Entscheidend ist angesichts dessen die gute und korrekte Vorbereitung von Lieferungen, um Verzögerungen und damit kostenintensive Stehzeiten an der Grenze aufgrund fehlerhafter Dokumente, etc. zu vermeiden, sagt Müller.
Was sind die größten Probleme, die vor allem KMU aus Österreich noch haben?
„In unserer täglichen Praxis haben wir oft mit Fragen zu tun, die sich aus dem Ende der Dienstleistungsfreiheit und Personenfreizügigkeit ergeben: Während Geschäftsreisen zu Vertragsverhandlungen und -abschlüssen, Messen oder Kongressen weiterhin problemlos möglich sind, wurde die Entsendung von Arbeitskräften zur Erbringung von Montage- und anderen Leistungen stark eingeschränkt“, berichtet Müller.
Die längerfristige Entsendung von Personal zwischen verbundenen Unternehmen wurde erschwert, Aufenthaltstitel sind notwendig. Und: Wer keine Niederlassung hat und für den das britische Unternehmen den Import nicht abwickeln möchte, muss sich dafür einer Zollagentur bedienen, was Zusatzkosten verursacht.
Der Abgang aus dem Binnenmarkt eliminiert die im harmonisierten Umsatzsteuergebiet geltenden Vereinfachungen für die steuerliche Behandlung von Waren- und Dienstleistungsverkehr. Das trifft vor allem Versandhändler:innen. Aber vieles davon ist für Exporteur:innen, die mit anderen Drittländern zu tun haben, nichts neues: „Mit entsprechender Beratung und Vorbereitung kann man den britischen Markt nach wie vor gut bearbeiten“, resümiert Müller.
Österreicher:innen waren gefordert
Sein Urteil: „Viele unserer Exporteur:innen mit Nischenstrategien reüssieren und konnten sich zu einem gewissen Grad auch von der zuletzt eingetrübten Wirtschaftslage im Vereinigten Königreich entkoppeln. Österreichs Unternehmen schlagen sich in Summe großartig.“
Exporteur:innen hätten sich gut auf die Brexit-Folgen vorbereitet und erhielten umfassende Beratung von ihrer Landeskammer, Themenexpert:innen in der WKÖ und vom AußenwirtschaftsCenter London.
In den letzten Monaten haben die britische Regierung und die EU-Kommission an pragmatischen Lösungen gearbeitet: Z. B. beim so genannten „Windsor Agreement“, das den Warenaustausch mit Nordirland vereinfachen wird, und die Teilnahme des Vereinigten Königreichs am transnationalen EU-Forschungsprogramm Horizon. Das sind „wichtige Schritte, denen hoffentlich weitere folgen werden“, sagt Müller: „Eine Rückkehr in den Binnenmarkt ist auf absehbare Zeit kein Thema; in dem Post-Brexit-Rahmen braucht es jetzt daher Realitätssinn, pragmatische Lösungen und mehr Planungssicherheit.“
Export und Import
Dietmar Gratl vom Liebherr Werk Telfs: „Es gibt inzwischen gar keine Probleme mehr. Weder im Export noch im Import.“ Sicherlich, am Anfang taten sich die britischen Lieferant:innen des Liebherr-Werks Telfs schwer, mussten sie doch die ungewohnte Aufgabe meistern, Ursprungsnachweise für ihre Produkte beizubringen. Die Lieferant:innen waren damit zunächst überfordert. Doch dieses Import-Problem habe sich relativ rasch lösen lassen. „Inzwischen läuft es problemlos“, sagt Gratl: „Wir haben heuer wieder 30 Raupen nach England geliefert“. Das ist in etwa auf Vor-Brexit-Niveau.
Martin Klingler vom Holzunternehmen Fritz Egger in St. Johann sieht die Lage ebenfalls entspannt. Zwar habe es in der Übergangszeit schon Schwierigkeiten gegeben. Aber Egger sicherte sich die Dienste eines zentralen Zolldienstleisters für das Vereinigte Königreich, „und wir haben seither schon 6.000 Zollanmeldungen abgewickelt“, berichtet er. Die Implementierung dieses Systems nahm zwei, drei Monate in Anspruch und lief alles andere als reibungslos. Inzwischen aber gibt es keine Probleme mehr. Auch die Entsendung von Mitarbeiter:innen „geht relativ gut über die Bühne“.
Christian Praxmarer vom Logistikunternehmen AFS All Freight Systems in Zirl berichtet aus der Sicht eines Transporteurs: „Am Anfang war es schon ein ziemliches Chaos. Aber wir haben es eigentlich unverhofft geschafft, sogar zusätzliches Geschäft dadurch zu bekommen.“ Denn AFS verfügte noch über echte Zolldeklaranten und wurde daher von einem großen Kunden angefragt, das UK-Geschäft abzuwickeln. Das war gar nicht so einfach, die zusätzlichen Aufgaben und Formalitäten hätten den Transport auch erheblich verteuert, wie Praxmarer sagt. Das hohe Know-how und die Erfahrung hätten AFS geholfen, in dieser Situation gut zu bestehen, sagt Praxmarer.
Resümee: Das UK-Geschäft ist für Tiroler Betriebe also weiter erfolgreich machbar. Die Marktbearbeitung es ist aber bürokratischer und teurer geworden.