Buchbinderei Sanders
© Buchbinderei Sanders

Buchbinderei Sanders: 50 Jahre Handwerkskunst

Jahrzehnte nachdem die Buchbinderei Sanders 1974 von Heinz und Luise Sanders gegründet wurde, wird das schöne Handwerk des Buchbinders nach wie vor in voller Bandbreite gelebt. Bernhard Sanders hat den Bereich der Lederverarbeitung weiter ausgebaut und den Kontakt zur Gestalter:innen-Szene intensiviert. Produktdesign und Handwerk werden hier vereint und edle, feine und nach Leder duftende Produkte produziert, die das Leben schöner machen – und wertvoller.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 28.08.2024

Beim ersten Rundumblick bleiben die Augen an all den Werkzeugen an den Wänden, den großen Werktischen und den Maschinen hängen, in deren Mechanik für Laien Wundersames zu stecken scheint. 1995 hat er die Buchbinderei von seinen Eltern übernommen, in einer Zeit also, als die Welt der auch äußerlich schönen Bücher gerade dazu ansetzte, sich zunehmend in digitalen E-Book-Readern aufzulösen. 2007 brachte Amazon den ersten Kindle auf den Markt. Der Rest ist Geschichte – die Geschichte dieser Entwicklung eben.

„Die Rolle des Buches als Datenträger Nummer eins ist abgelöst. Heute ist es Kulturträger oder Sinnbild für das gute Leben“, sagt Sanders. Hier schwingt auch eine kleine Wehmut mit. Angesichts der rund 2.000 Jahre alten Tradition des oft staatstragenden Buchbinde-Handwerks darf sie das auch. Doch ist der Blick des 53 Jahre alten Meisters nicht in die Vergangenheit gerichtet, sondern in die Gegenwart, in der er dem gebundenen Buch mit all seinen kunstvollen Spielarten neue Werte verleiht.

Buchbinderei Sanders
© Buchbinderei Sanders Geldtaschen, Menü-, Rechnungs- oder Zimmermappen und vieles mehr: Die Arbeit der Buchbinderei Sander ist immer eine Art multipler Handwerkskunst-Schatz.


Botschafter des Handwerks

Als ganz klassisch darf bezeichnet werden, woran Assunta Gappmaier gerade arbeitet. Die junge Frau absolviert die Lehre zur Buchbindetechnikerin und Postpresstechnologin mit dem Schwerpunkt Buchbinderin bei Bernhard Sanders und ist dabei, Bundesgesetzesblätter und juristische Zeitschriften zu binden. Sie werden bald in der Bibliothek eines Anwaltes stehen und dessen Klient:innen stolz ihre gold geprägten Buchrücken zeigen. „Assunta hat beim Bundeslehrlingswettbewerb im Zuge des Internationalen Bucheinbandwettbewerbs für Auszubildende 2024 den ersten Platz gemacht. International wurde sie Zweite“, erzählt Sanders freudvoll.

Das Wissen, Können und die Meisterschaft des Handwerks weiterzugeben, liegt Sanders offenkundig im Blut. 13 Jahre lang unterrichtete er als Fachlehrer an der Tiroler Fachberufsschule St. Nikolaus, nach wie vor unterrichtet er im „Centro del bel libro“ in Ascona im schweizerischen Tessin und seit 10 Jahren auch an der Schule für Gestaltung in St. Gallen, Schweiz, wo die Schüler:innen von ihm den Umgang mit Material lernen. Total analog. Total echt. Den davon Faszinierten zeigt er den Umgang mit seinen Material- und Wissens-Schätzen im Rahmen der bereits legendären Buchbindekurse – mal im Tiroler Designforum WEI SRAUM, zu dessen Gründungsmitgliedern er zählt, mal in der pittoresken Werkstatt in der Wiltener Neurauthgasse 8, wo das Herz des Unternehmens schlägt. Auch Kurse, bei denen Echtledergürtel selber gemacht werden, finden sich im Kursprogramm.
Bei der Weitergabe des Wissens versteht er sich als Kulturvermittler und es kommt nicht von Ungefähr, dass Sanders gerne als „Botschafter des Handwerks“ bezeichnet wird.

Buchbinderei Sanders
© Buchbinderei Sanders Schüler:innen lernen von Sanders den Umgang mit Material. Total analog. Total echt.


Er selbst hat es bei der Universitätsbuchbinderei August Kahrer gelernt, dem Betrieb, in dem schon sein Vater die Buchbinderlehre absolvierte. „Er war dort der erste Lehrling nach dem Krieg“, weiß der Sohn - und erzählt: „Er ist in Pradl aufgewachsen und ist immer barfuß in die Universitätsbibliothek gegangen. Irgendwann sagte Kahrer ihm, er solle sich jetzt Schuhe kaufen. Die hatte man damals nur in der kalten Jahreszeit gebraucht.“

Das zu tun hat sich dann wohl rasch bewährt, erlernte und verfeinerte Heinz Sanders sein Handwerk doch bald in 14 Betrieben im In- wie im Ausland und verdiente sich seine Sporen hart, bevor er zusammen mit seiner Frau Luise den Beschluss fasste, sich mit der „Spezialwerkstätte für Sonderarbeiten“ selbstständig – und frei – zu machen.

1975 war das. Vor 50 Jahren. Weil der Innsbrucker Markt buchbinderisch gut besetzt war musste das taufrische Unternehmerpaar so findig wie wagemutig sein und es ist der Reise- und Kontaktfreudigkeit von Luise Sanders zu verdanken, dass die Buchbinderei Sanders bald in all den Tälern, Gemeinden, Anwaltskanzleien und Bibliotheken im bis Vorarlberg reichenden Umkreis bekannt wurde. Der Durchbruch gelang im Rahmen der Olympischen Winterspiele 1976. Die Sanders hatten den Zuschlag erhalten, die frischen Ergebnislisten zu binden. „Die wurden sogar vom Militär angeliefert und mussten bis zum nächsten Morgen fertig gebunden sein“, weiß Bernhard Sanders und er weiß auch, dass dabei viele Papierschnipsel produziert wurden, die der in olympischer Geschwindigkeit arbeitenden Familie und ihren helfenden Freunden als Kopfkissen für kleine „Rasterlen“ zwischendurch dienten.

Diese, für Buchbindebetriebe typische Papierstreifen, die beim Zuschneiden der Blätter anfallen, waren für Bernhard und seine Schwester Lisa die ersten „Rohlinge“ für Basteleien. Was formt einen Menschen? Was provoziert Gestaltung? Diese Fragen lassen sich in ihrem Fall wohl federleicht beantworten. Das kreative Umfeld und das mit großem Respekt verwendete Material muss sie jedenfalls geprägt haben, wurde Lisa Sanders doch eine begnadete Gestalterin, Schriftschreiberin sowie Musterdesignerin und Bernhard Sanders ein nicht minder begnadeter Meister seines Faches beziehungsweise seiner Fächer.

Breites Portfolio

Das Portfolio, das Bernhard Sanders zusammen mit seinen vier Mitarbeiter:innen anbietet, ist so reichhaltig wie schön und haptisch stets verlockend. Weil er, wie schon sein Vater, die beiden Gewerke des „Buchbinders, Kartonagewaren- und Etuierzeugers“ sowie des „Sattlers mit Schwerpunkt Ledergalanteriewarenerzeuger und Taschner“ vereint, steckt in der Vereinigung der Materialien immer eine Art multipler Handwerkskunst-Schatz.

Was es ist, das die Finger so wohlig reizt, wenn sie hochwertiges Leder berühren, ist nicht leicht zu erklären. Muss es auch nicht, denn es passiert einfach – bei den kleinen, in feines Leder gebundenen Notizbüchern genauso, wie bei den handgemachten, mit Namen oder Logos sprichwörtlich „gebrandeten“ Geldtaschen, den schwerkalibrigen Ledermappen, den Kassettenboxen, Menü-, Rechnungs- und Zimmermappen oder den großformatigen Präsentationsmappen. Deren Inhalt erfährt eine prächtige Aufwertung - ob es sich nun um Werke von Künstler:innen, Grafiker:innen oder Architekt:innen handelt. Sie wissen die Aufwertung genauso zu schätzen, wie Gemeinden, Vereine oder Unternehmen, die Mitarbeiter:innen oder besonderen Menschen mit individuell gestalteten Geschenken oder Urkunden ihre Wertschätzung zeigen.
„Wir helfen, Geschichten zu erzählen, und setzen Ideen um“, bringt Sanders den Kern seines Unternehmens auf den Punkt.

Weitere Informationen unter: www.sanders.at